Online-Bewertungen als Druckmittel

Lokale, Handwerker oder Ärzte werden immer öfter online bewertet. Während Konsumenten meist nur Tipps geben wollen, können die Bewerteten auch darunter leiden, denn Bewertungen werden auch als Druckmittel verwendet.

„Unmögliches Personal“, „absolute Empfehlung“, „kein Besuch wert“ - täglich werden auf Buchungsplattformen oder in Foren Bewertungen abgegeben und Erfahrungen geteilt. Doch welche Aussagen davon auch wahr sind, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Gemeindearzt Gerhard Schachner machte selbst die Erfahrung: „Wir hatten überwiegend gute Kritiken, aber eine Kritik war komplett erlogen. Doch der Kontakt mit diesem Herren war nicht möglich.“

Bewertungsplattformen Kritik Ärzte Gastronomie

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Nachdem Schachner nicht aus dem Ärzteportal gelöscht wurde, klagte er

Schachner wollte sich deshalb aus dem Ärzteportal löschen lassen. Doch die Betreiber verwehrten ihm den Wunsch. Daraufhin klagte er vor drei Jahren, „weil es ein komerzielles Portal ist, und ich nicht eingesehen habe, warum sie mit meinen Daten Geld verdienen.“ Die ersten beiden Instanzen gaben ihm recht, beim Obersten Gerichtshof blitzte er jedoch ab.

Patienten vertrauen darauf

Mittlerweile gibt es bei der Ärztekammer Niederösterreich fast wöchentlich Beschwerden wegen Bewertungen. Problematisch seien vor allem anonyme Bewertungen, sagt Jurist Gottfried Zeller: „Zum Teil auch ohne objektive Hinweise, was das Problem war. Da werden dann null Sterne vergeben, und das schlägt sich natürlich auf das Profil des Arztes nieder, der im Portal verpflichtend dabei sein muss.“ Die Patienten würden den Bewertungen wiederum zunehmend vertrauen.

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Bewertungen und Erfahrungen Dritter werden für Patienten immer wichtiger

Kritik äußern nicht nur Ärzte, sondern auch Gastronomen und Hotelbesitzer. Über Bewertungen oder Kommentare könne niemals ein komplettes Bild über ein Unternehmen gezeichnet werden, sagt Mario Pulker, Spartenobmann der Gastronomie: „Vor allem weil jene, die unzufrieden sind, deutlich mehr Kommentare oder Bewertungen hinterlassen, als jemand, der sehr zufrieden war.“

Betroffene können sich kaum wehren

Zunehmend Sorge bereitet Pulker auch, dass Online-Bewertungen immer öfter als Druckmittel verwendet werden, etwa in der Hotellerie. „Leute buchen zum Beispiel ein Standardzimmer, würden aber gern eine Suite bekommen. Wenn man dann sagt, sie können gerne aufbuchen, kostet aber mehr, bekommt man als Antwort: Wenn sie uns nicht kostenlos auf die Suite aufbuchen, schreiben wir dementsprechend eine Bewertung.“

Dagegen wehren können sich Betroffene kaum. Bei rufschädigenden Bewertungen muss etwa der Kläger - also der Unternehmer - beweisen, dass diese falsch sind. Außerdem bleiben die Verfasser meist anonym und viele Anbieter großer Bewertungsplattformen haben ihren Unternehmenssitz nicht in Österreich.

Ärzte drohen mit Musterprozess

Die Ärztekammer fühlt sich nun aber durch ein Urteil des Bundesgerichtshofes in Deutschland bestärkt und prüft rechtliche Schritte. Betroffen ist konkret das Geschäftsmodell, dass Ärzte gegen Bezahlung von Plattformbetreibern bevorzugt beworben werden, erklärt Jurist Zeller: „Die Rechtslage ist bei uns ident, daher müsste aus unserer Sicht in Österreich dasselbe gelten. Das heißt, es darf für Premiumärzte nicht im Profil von anderen Ärzten geworben werden.“

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Premium-Nutzer werden in diversen Ärzteportalen besser beworben

Die Ärztekammer will aber erst einmal abwarten, ob die betroffenen Portale ihr Geschäftsmodell von sich aus ändern. „Sollten sie gar nicht reagieren, würden wir notfalls vor Gericht ein Musterverfahren anstrengen“, stellt Zeller klar.

In der Gastronomie will man hingegen auf Bewusstseinsbildung setzen. Pulker rät deshalb vor allem erpresserische Vorfälle den Plattformen zu melden, damit bewusst erfundene Bewertungen vielleicht im Nachhinein gelöscht werden. In einigen Fällen hätte das bereits funktioniert, meint Pulker. Die Betroffenen bleiben dabei aber immer vom Wohlwollen der Plattformen abhängig.

Stefan Sailer, noe.ORF.at

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