Kläranlagen als Zukunftsmarkt für EVN

Der Energieversorger EVN macht mittlerweile fast zehn Prozent seines Umsatzes im Umweltbereich, etwa durch den Bau von Kläranlagen. Das internationale Geschäft birgt viel Potential. Aktuell entsteht in Prag ein besonderes Projekt.

Die Kaiserinsel, etwa fünf Kilometer vom Prager Stadtzentrum entfernt, ist derzeit eine Großbaustelle. Und obwohl es im Moment noch schwer vorstellbar ist, entsteht hier, mitten in der Moldau, nicht nur eine Kläranlage, sondern auch ein Naherholungsgebiet für die Prager Bevölkerung. Die Anlage wird nämlich fast vollständig unterirdisch errichtet, die Klärbecken werden im Erdreich versenkt und mit Beton verschlossen. Darüber soll künftig ein Park entstehen.

Baustelle Kläranlage Prag

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Die neue Prager Kläranlage entsteht auf der Kaiserinsel in der Moldau

Der Grund für die ungewöhnliche Konstruktion ist aber weniger der Park selbst als der erforderliche Hochwasserschutz. Sollte die Kläranlage bei einem Hochwasser überflutet werden, kann dank dieser Konstruktion nämlich kein Abwasser in die Moldau gelangen. Eine Erfahrung, die man in Prag bereits machte: 2002 verursachte eine Flut bei der alten Kläranlage, die sich ebenfalls auf der Kaiserinsel befindet, schwere Schäden.

Eine technische Herausforderung

Technisch bedeutet der Bau der neuen Kläranlage allerdings eine enorme Herausforderung, nicht nur weil die Anlage wegen der Insel auf engstem Raum gebaut werden muss - die Baustelle ist etwa 400 mal 150 Meter groß -, sondern auch wegen der erforderlichen Belüftungstechnik, sagt Ralf Schröder, der Geschäftsführer der WTE Wassertechnik GmbH, die als Teil eines internationalen Konsortiums die Anlage errichtet. Da die Becken hermetisch abgeriegelt werden, müsse man dafür sorgen, dass es darunter nicht „gammelt“, sagt er, denn „ein ganz schlimmer Vorgang wäre, wenn es dort eine Schwefelbildung gäbe und der Beton dann zerfressen werden würde“.

Baustelle Kläranlage Prag

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Beim Bau der Kläranlage sind der Platzbedarf und die Belüftung die größten Herausforderungen

Die Kläranlage in Prag sei eines der größten Infrastrukturprojekte für Kläranlagentechnologie in Europa, sagt Schröder. Die Planungsarbeiten laufen seit etwa zehn Jahren, gebaut wird seit Oktober 2015. Im September soll das 250 Millionen Euro schwere Projekt abgeschlossen sein. Die WTE, bei der es sich um eine 100-prozentige Tochter des Energieversorgers EVN handelt, ist zusammen mit der französischen Firma Suez für die maschinen- und elektrotechnische Ausrüstung sowie die Verfahrenstechnik und den anschließenden 12-monatigen Betrieb der Gesamtanlage verantwortlich.

Know-how aus Österreich mit Potential

Die EVN übernahm die WTE Wassertechnik GmbH im Jahr 2003. Bereits davor war das Unternehmen für den Bau der Kläranlage in Wien Simmering verantwortlich. Bis heute habe man mehr als 100 Kläranlagen in Europa, aber auch weltweit gebaut, sagt Schröder - etwa in Kroatien, Polen, der Türkei, Russland oder demnächst auch in Bahrain.

„Was wir hier machen ist, dass wir Know-how aus Österreich und aus Deutschland in andere Regionen in Europa übertragen“, sagt Werner Casagrande, der Geschäftsführer der EVN Umweltholding und Betriebs-GmbH: „Wir machen maßgeschneiderte Lösungen für große Städte, für Kommunen und wir können stolz darauf sein, dass wir technologische Partnerschaften mit Städten wie Istanbul, Warschau oder auch hier in Prag eingegangen sind.“

Baustelle Kläranlage Prag

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Die Kläranlage in Prag ist eine von mehr als 100, die die WTE bereits errichtete

Bei der EVN und der WTE sieht man derzeit viel Potential in diesem Geschäftsbereich. Viele große Städte, etwa am Balkan, hätten noch keine ausreichenden Kläranlagen, sagt Casagrande, aber auch auf den Nahen und Mittleren Osten wolle man in Zukunft den Fokus legen - auch wenn der wichtigste Markt Niederösterreich sei, wie er betont. In Summe macht die EVN mittlerweile etwa acht bis zehn Prozent ihres Umsatzes im Umweltbereich. Dazu gehören unter anderem die Trinkwasserversorgung von etwa 100.000 Kunden durch EVN Wasser und die EVN Abfallverwertung mit der Müllverbrennungsanlage in Dürnrohr, aber eben auch das sogenannte internationale Projektgeschäft.

Klärschlamm als neues potentielles Geschäftsfeld

Man sehe das Umweltgeschäft als „schöne Ergänzung zum Energiegeschäft“, sagt Casagrande: „Der Schritt von der leitungsgebundenen Energie zum Trinkwasser ist nicht allzu weit und auch Trinkwasser und Abwasserentsorgung ist dann ein logischer Schritt, der sich hier entwickelt hat.“ Neben der Kläranlagen könnte künftig aber noch ein weiteres Geschäftsfeld immer wichtiger werden: Es gelte das Klärschlammproblem zu lösen, sagt WTE-Geschäftsführer Schröder.

Baustelle Kläranlage Prag

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Neben Prag sieht die EVN auch in einigen anderen europäischen Hauptstädten Geschäftspotential

Wegen der Übersättigung der Böden dürfe der Klärschlamm, der bei der Abwasserreinigung in Kläranlagen entsteht, nämlich nicht mehr in der Landwirtschaft ausgebracht werden, erklärt er. „Wir müssen die Dinge mehr und mehr so regeln, dass der Klärschlamm entweder mitverbrannt wird in der Zementindustrie oder in den Müllverbrennungsanlagen oder wir müssen Mono-Klärschlammverbrennungsanlagen bauen“, so Schröder. Aus Sicht der WTE ist das eines der größten Zukunftsfelder, neben der Erweiterung bestehender Anlagen, dem Neubau von Kläranlagen und der „Erweiterung der vierten Reinigungsstufe“, wodurch man künftig auch die Medikamentenbelastung aus Abwasser heraus bekommen will.

Katharina Sunk, noe.ORF.at

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