Wölfe: Angst in Bevölkerung wächst

Wie viel Wolf verträgt das Land? Eine Frage, die nach den jüngsten Wolfsrissen immer öfter diskutiert wird. Laut einer Studie herrscht in der Bevölkerung Verunsicherung. 31 Prozent der Befragten hätten Angst, in den Wald zu gehen.

An der Studie zur Rückkehr der Wölfe nahmen im Internet 1.000 Österreicher teil, 30 Unternehmer aus der Tourismusbranche wurden telefonisch befragt, erklärte Meinungsforscherin Sophie Karmasin am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in St. Pölten. Auftraggeber der Studie war das Kuratorium Wald. Die Umfrage war allerdings Anfang Juli durchgeführt worden, noch bevor im Waldviertel 31 Schafe gerissen worden sind.

„Wie wir das einschätzen, ist die Situation momentan sogar dramatischer, als sie in der Studie repräsentiert wird, weil diese Ereignisse noch nicht beinhaltet sind“, sagte Karmasin. Bereits Anfang Juli gaben 69 Prozent der Befragten allerdings an, dass sie durch die Rückkehr der Wölfe negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft befürchten, ebenso betroffen seien andere Tiere (56 Prozent) und die Jagd (35 Prozent).

Wolf Studie

NLK Reinberger

Meinungsforscherin Sophie Karmasin, Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf und Wildtierbiologe Walter Arnold präsentierten am Mittwoch erste Ergebnisse aus der Studie zur Rückkehr des Wolfes

Eigener Lebensradius werde eingeschränkt

Fast ein Drittel aller Befragten hätte Angst, in den Wald zu gehen, so die Meinungsforscherin: „Man meidet den Wald als Erholungsgebiet und schränkt Sportaktivitäten, das Sammeln von Beeren oder auch Spaziergänge und Familienausflüge ein. Der eigene Lebensradius wird also reduziert, und der Wald als Erholungsgebiet weniger oder gar nicht mehr genutzt.“

Der Wildtierbiologe Walter Arnold geht von 15 Wölfen aus, die sich in den vergangenen zwei Jahren im Waldviertel niedergelassen haben. Mit jedem weiteren Jahr nehme die Population um 30 Prozent zu. Das heißt: In fünf Jahren könnten im Waldviertel bereits 55 Wölfe leben. „Aus fachlicher Sicht halte ich das eigentlich nicht für zukunftsfähig“, verwies Arnold auf die Besiedelungsdichte in Mitteleuropa. „Und wir erlauben eigentlich keiner großen Tierart, sich völlig unbeschränkt auszubreiten.“

Experte für Regulierungsmaßnahmen

Arnold betonte, der Natur in einem besiedelten Gebiet nicht ihren Lauf lassen zu können: „Das ist eine sehr naive Sicht des Natur- und Artenschutzes.“ Der Experte der Veterinärmedizinischen Universität Wien sprach sich für eine Regulierung aus: „Das ist keine unübliche Situation und ich glaube, es ist auch aus wissenschaftlicher Sicht sehr vernünftig, dass wir sagen, wir leben in einer Kulturlandschaft, und in einer Kulturlandschaft müssen wir Wildtiere in einem gewissen Maße nach den Bedürfnissen der dort lebenden Menschen managen.“

Auch der zuständige Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) sprach angesichts der jüngsten Wolfsrisse von einem ernstzunehmenden Thema: „Das ist nicht nur ein großer Verlust für den einzelnen Tierhalter und eine große Bedrohung für die Tierhaltung im Gesamten und auch keine Frage der Landwirtschaft oder der Jagd, sondern das ist eine Frage des Tourismus und eine Frage der gesamten Gesellschaft.“

Erste Schritte seien bereits gesetzt worden, sagte Pernkopf. In einzelnen Jagdgebieten in den Bezirken Gmünd und Zwettl ist es seit wenigen Tagen erlaubt, in der Nähe von Weidetieren Schreckschüsse abzugeben oder Gummigeschosse einzusetzen - mehr dazu in Wölfe: Schreckschüsse sind erlaubt (noe.ORF.at; 21.8.2018).

Pernkopf ortet „Florianiprinzip“

Kritik an diesen Vergrämungsmaßnahmen - etwa von den Grünen - wies Pernkopf zurück: „Wir lassen uns nicht von klimatisierten Wiener Büros vorschreiben, was für das Waldviertel richtig ist. Das werden wir selbst entscheiden. Im Prinzip kann man sagen, dass hier das ‚Florianiprinzip‘ gilt: Wenn der Wolf im Nachbarbundesland ist, ist er o.k., aber in der eigenen Region möchte man ihn am liebsten nicht haben.“ Darüber hinaus verwies Pernkopf mehrmals darauf, dass alle Maßnahmen die Kriterien des bundesweiten Wolfsmanagementplans aus dem Jahr 2012, dem unter anderem auch der WWF zugestimmt hatte, erfüllen würden.

Pernkopf betonte, dass der Wolf in Europa „nicht mehr gefährdet, sondern durchaus heimisch“ sei. Im Hinblick auf Schutzmaßnahmen seitens der Landwirte sagte er, „dass es keine Sicherheitsumzäunung geben wird, wo der Wolf nicht hineinkann. Das ist unfinanzierbar. Dennoch werden in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer entsprechende Beratungen forciert.“ Für den Menschen sei der Wolf im Regelfall ungefährlich, sagte Wildtierbiologe Arnold. Ausschließen, dass Spaziergänger oder Wanderer angegriffen werden, konnte er aber nicht. „Und Sie werden auch keinen Experten finden, der das macht“, ergänzte Pernkopf.

WWF kritisiert „Schüren von Ängsten“

Der WWF wiederum übte am Mittwoch Kritik. „Österreichs erstes Bundesland mit Wolfsrudel hinkt bei Beratung und Herdenschutz hinterher“, hieß es in einer Aussendung. Die Gefährlichkeit des Wolfes werde „stark übertrieben“. Angesichts der jüngsten Vorfälle forderte die Tierschutzorganisation die Landesregierung und allen voran Pernkopf auf, Unsicherheiten unter der Bevölkerung auszuräumen.

„Sachlich zu informieren und aufzuklären ist keine Fleißaufgabe, sondern zwingende Pflicht der Behörde“, meinte Christian Pichler vom WWF. Es sei verständlich, dass man beunruhigt sei, aber: „Nicht der Wolf ist gefährlich, sondern das unverantwortliche Schüren von Ängsten durch manche Politiker und Interessensvertreter.“

Gernot Rohrhofer, noe.ORF.at

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