Nitsch: 80. Geburtstag eines Skandalkünstlers

Er zählt ohne Zweifel zu den international bekanntesten und in Österreich auch zu den umstrittensten Künstlern: Hermann Nitsch. Bekannt geworden ist er unter anderem durch sein Orgien Mysterien Theater. Heute wird er 80 Jahre alt.

Am 29. August 1938 in Wien geboren, war seine Kindheit geprägt von den Wirren des Krieges. Nur wenige Monate, bevor er das Licht der Welt erblickte, kam es zum „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland. Der Vater fiel im Krieg, Nitsch wurde von seiner Mutter alleine großgezogen. „Ich habe in diesem Alter schon wirklich Todesangst gehabt und begriffen, was es heißt zu sterben, die Wohnung zu verlieren und kein Zuhause zu haben. Ich glaube schon, dass diese dramatische Situation etwas bei mir hinterlassen hat“, wird Nitsch darüber in einem aktuellen Katalogtext zitiert.

Hermann Nitsch

APA/ Roland Schlager

Nitsch will auch mit 80 Jahren künstlerisch weiterarbeiten

Nach dem Krieg besuchte Nitsch in Wien die Grafische Lehr- und Versuchsanstalt, und bereits seine ersten Arbeiten zeugten vom Interesse an religiösen Themen, mit denen er sich zeit seines Lebens beschäftigen sollte. Ursprünglich wollte er sogar Kirchenmaler werden, seine Diplomarbeit war etwa ein Bibelumschlag. Zur selben Zeit entstand aber auch seine Idee für das Orgien Mysterien Theater - prägend für alles, was danach kommen sollte: Nitsch verfolgt bis heute einen allumfassenden Ansatz, bei dem er Text, Musik, Malerei und Performance gesamthaft verknüpft.

Nitsch als Mitbegründer des Wiener Aktionismus

In den 60er Jahren wurde er dank der damit zusammenhängenden Aktionen, die zunächst noch mit Farbe, sukzessive aber mit Blut, Eingeweiden und Tierkadavern vonstattengingen, zum Mitbegründer des Wiener Aktionismus - und sah sich alsbald mit harscher Kritik, Anfeindungen und Inhaftierungen konfrontiert. Doch während die Öffentlichkeit zum Teil mit Unverständnis auf Nitsch reagierte, stellten sich auch erste große Erfolge ein. So nahm er in der Folge an der documenta in Kassel teil, stellte in New York und London aus und verfolgte weiter konsequent seine Vision des Gesamtkunstwerks.

Doku über Nitsch’ „Universum“

Die Dokumentation „Das Universum des Hermann Nitsch“ thematisiert dessen Bedeutung für die zeitgenössische Kunst in Österreich wie Europa.

Bald nach dem Erwerb von Schloss Prinzendorf Anfang der 1970er Jahre wurde das Anwesen nicht nur zum persönlichen, sondern auch zum künstlerischen Mittelpunkt für Nitsch. Den Kauf machte ihm seine zweite, später nach einem Unfall verstorbene Frau Beate möglich. Im Schloss wurden zahlreiche Aktionen des Orgien Mysterien Theaters aufgeführt, und dort kam es 1998 auch zum legendären Sechstagespiel, das der Künstler selbst als bisherigen Höhepunkt seines Schaffens ansieht. Die Veranstaltung führte zu einem enormen Medientrubel und sorgte für viel Erregung.

Hermann Nitsch

APA/ Roland Schlager

Nitsch in seinem Atelier

Dennoch schaffte es Nitsch, der sich davor schon als Opernausstatter und Regisseur versuchte und seither auch immer wieder als Komponist in Erscheinung trat, trotz aller Kritik stets seinen eigenen Idealen treu zu bleiben. Auszeichnungen wie der Österreichische Kunstpreis für bildende Kunst (1984) und der Große Österreichische Staatspreis für bildende Kunst (2005) sind nur zwei von vielen Ehrungen für einen Künstler, dem schon zu Lebzeiten zwei Museen (in Mistelbach und Neapel) gewidmet sind. Dessen ungeachtet lassen seine Aktionen auch heute noch Kritiker und Tierschützer auf die Barrikaden steigen.

Geburtstag wird mit Ausstellung und Aktion gefeiert

Natürlich wird auch der 80. Geburtstag ausgiebig und umfassend gefeiert: So gab es schon im Zuge des alljährlichen Pfingstfestes die Eröffnung der Mistelbacher Ausstellung „Leben und Werk“, die anhand zweier parallel laufender Erzählstränge das Biografische mit dem Künstlerischen verknüpft und die Person Nitsch in äußerst vielen Facetten greifbar macht. Dem steht das ihm gewidmete Haus in Neapel natürlich nicht nach, wird das Museo Nitsch doch im September eine weitere Werkpräsentation vorstellen - mehr dazu in Nitsch: „Bin der Mittelpunkt der Schöpfung“ (noe.ORF.at; 20.5.2018).

Hermann Nitsch

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Nitsch im ihm gewidmeten Museum in Neapel

Mistelbach wird aber auch am 1. September zur Pilgerstätte für Nitsch-Fans, steigt dann doch die bereits 155. Aktion des Künstlers. Es ist das erste Mal, dass Nitsch eine Aktion in den dortigen Räumlichkeiten umsetzt. Im Fokus steht eine von ihm komponierte Sinfonie für großes Orchester, Blaskapelle und Chor. Die musikalische Leitung liegt bei Andrea Cusumano. Das Ganze ist laut Beschreibung auch als Einführung in das legendäre Sechstagespiel zu verstehen. Im Anschluss steigt dann ein großes Geburtstagsfest - mehr dazu in Hermann Nitsch plant erste Aktion seit 2005 (noe.ORF.at; 24.7.2018).

Nitsch will Neuauflage seines Sechstagespiels

Es gibt also reichlich Gelegenheit für Anhänger, tiefer in die Materie einzutauchen, und für Neulinge, sich mit dem Schöpfungsprozess von Nitsch auseinanderzusetzen. Und der Meister selbst? Genießt das Leben im Schloss, zeigt sich aber keineswegs altersmilde. Neben der Geburtstagsaktion steht immer noch das Vorhaben einer Neuauflage seines Sechstagespiels an. „Ich hoffe, dass ich noch offene Zeit für die Entwicklung meiner Arbeit habe“, so Nitsch. „Ich finde es größenwahnsinnig zu glauben, jetzt ist das Werk abgeschlossen.“ Wobei für ihn ohnehin nur eine Maxime gilt: „Ich glaube an die Schöpfung, an die Natur, an das Sein. Das ist meine Religion.“

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