Köstinger will bei Agrarbudget vermitteln

Das nächste EU-Agrarbudget wird wegen des Brexit besonders schwer zu verhandeln sein. Diese Thema soll daher bei einem informellen Agrarrat in Niederösterreich bis Dienstag besprochen werden.

Etwa 40 Prozent oder derzeit jährlich etwa 58 Milliarden Euro gehen aus dem EU-Budget in die Landwirtschaft. Laut einem Vorschlag der EU-Komission sollen es in der nächsten EU-Finanzperiode von 2021 bis 2027 nur noch 365 Milliarden Euro und damit 28,5 Prozent des Budget sein. Das wären 52 Milliarden Euro pro Jahr. Bei den Verhandlungen um die Zukunft der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP) wolle Österreich im Rahmen seines EU-Ratsvorsitzes ein „ehrlicher Vermittler“ sein, sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) am Montag.

Köstinger und Mikl-Leitner empfingen die EU-Agrarminister am Vormittag zunächst bei Mandl’s Ziegenhof in Lichtenegg (Bezirk Wiener Neustadt), später dann bei der Eismanufaktur Eisgreissler in Krumbach (Bezirk Wiener Neustadt) - zwei Unternehmen, die in das von Köstinger ausgerufene Ziel, regionale Qualitätsprodukte in der EU zu forcieren, passen. Mit den Besuchen der beiden Betriebe, die als Idealbeispiele herangezogen werden können, versucht Köstinger, ihre EU-Pendants von den Vorteilen der kleinstrukturierten Landwirtschaft zu überzeugen. Sie will Kürzungen in der ländlichen Entwicklung so gering wie möglich halten.

Sensibilität für ländliche Entwicklung gefragt

„Das wäre für unsere bäuerlichen Familienbetriebe eine Katastrophe“, sagte Köstinger am Montag im Gespräch mit noe.ORF.at, „da sind zum Beispiel die Bioförderungen drinnen und die Ausgleichszahlungen fürs Berggebiet. Deshalb kämpfen wir auch vehement für den Beibehalt der Agrarzahlungen.“

„Die Diskussion über die Verkürzung der Finanzmittel für den ländlichen Raum gibt es. Jetzt geht es darum, hier Sensibilität zu schaffen, dass Geld für die ländliche Entwicklung da sein muss“, erklärte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Montag, die den Kürzungen ebenfalls entgegentrat. „Das zeigen ‚Best Practice‘-Beispiele in Niederösterreich, diese sollen die Sensibilität stärken und zeigen, was mit den Fördermitteln von europäischer Ebene direkt in den Regionen passiert“, sagte Mikl-Leitner.

Uneinigkeit bei Agrarbudget

Die EU-Staaten sind uneins, wie man beim Agrarbudget weiter vorgehen könnte. Einerseits gibt es Direktzahlungen und andererseits Geld für die ländliche Entwicklung, von der Österreich besonders profitiert - ist die Republik hierbei ja sogar Nettoempfänger. EU-Länder die eher von einer Agrarindustrie geprägt sind, wollen Kürzungen bei den Direktzahlungen so gering wie möglich halten.

Aus ihrer Sicht sei es wichtig, dass Bauern ein faires Einkommen erhalten, sagte etwa die Agrarministerin der Niederlande, Carola Schouten, beim Besuch in der Buckligen Welt am Montag. Das müsse auch eines der Themen bei den Gesprächen über die Zukunft der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ sein. Thema seien auch die Vereinfachung des Programms und die Förderobergrenze bei Direktzahlungen, sagte Bulgariens Agrarminister, Rumen Porodzanov. Für Bulgarien und viele andere Staaten seien die Förderungen wichtig. Man brauche erfolgreiche Lösungen für alle Bauern der EU.

Zwischen Förderungskürzungen und EU-Budget

Wie aber will die Politik den Widerspruch auflösen, dass Österreich einerseits die Position vertritt, nach dem Brexit nicht mehr ins EU-Budget einzahlen zu wollen, aber gleichzeitig Kürzungen in diesem Bereich des EU-Agrarbudgets verhindern will? „Ich glaube, dass es für ein Nettozahlerland wie Österreich legitim ist, zu Beginn der Verhandlungen klarzustellen, dass nicht neuerlich die Nettozahler zur Kassa gebeten werden sollen. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in Europa viel verändert. Einige Nettoempfänger haben sich in Wertschöpfung und Bruttosozialprodukt besser entwickelt“, sagte Köstinger vor Journalisten in Lichtenegg (Bezirk Wr. Neustadt) beim Besuch der Ziegenfarm.

Es müsse offen darüber diskutiert werden, welches Agrarmodell in der Zukunft in der EU vorherrschen solle. Ohne der Ausgleichszahlungen (aus der Ländlichen Entwicklung) könnten viele Betriebe in Österreich nicht mehr weiterwirtschaften, so Köstinger. Auf der sogenannten zweiten Säule lägen im Besonderen auch die gesellschaftlichen Hauptargumente im Sinne von Klimaschutz, nachhaltiger Wirtschaftsweise, regionalen Qualitätsprodukten und regionaler Wertschöpfung. „Auch sollten alle Länder beachten, dass ländliche Regionen in ganz Europa vor allem von einer Abwanderung der jungen Menschen betroffen sind“, betonte die heimische Agrarministerin. Man werde als „ehrlicher Vermittler versuchen, eine gemeinsame Position zustande zu bringen“. Dabei geht es auch um eine seitens der EU-Kommission angedachte Förderobergrenze bei den Direktzahlungen („Capping“) bei 60.000 Euro. Andere Länder, etwa in Osteuropa, sind hier weit kritischer als Österreich.

Europäischer Rechnungshof für Kurskorrektur

Schützenhilfe erhielt Köstinger heute vom Europäischen Rechnungshof. Dieser rügte die EU-Agrarförderpolitik und verlangte eine Kurskorrektur zugunsten kleinerer Betriebe. „Wir Rechnungsprüfer haben Zweifel, dass die Zielsetzung in der Agrarpolitik noch den Vorgaben in den Verträgen entspricht“, sagte Behördenpräsident Klaus-Heiner Lehne.

Massive Strukturveränderungen in der Landwirtschaft hätten dazu geführt, dass die klassische Aufgabe der Landschaftspflege durch bäuerliche Betriebe in bestimmten Regionen unzureichend erfüllt werde. Zum Teil sei eine Agrarindustrie entstanden, in der sogar Aktiengesellschaften tätig seien. „Die Förderung solcher Betriebe in diesem Umfang, ohne dass es Kappungsgrenzen gibt, macht wenig Sinn“, sagte Lehne. „Auf der anderen Seite werden die Umweltschäden, die durch die Agrarindustrie entstehen, zum Teil mit EU-Programmen wieder bekämpft.“ Lehne forderte, die Agrarförderung „viel stärker auf kleine und mittelständische Betriebe zu konzentrieren“.

Kritik an Köstinger kam von der Liste Pilz: „Köstinger soll beim EU-Agrarbudget endlich Klartext sprechen“, so Bruno Rossmann, Klubobmann der Liste Pilz in einer Presseaussendung. Ein schlankeres Budget ohne Agrarkürzungen sei reines Wunschdenken.

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