November 1918: Am Beginn standen die Länder

Auf den Tag genau nach 100 Jahren ist am Montag am Originalschauplatz im Palais Niederösterreich in Wien der konstituierenden Sitzung der provisorischen Landesversammlung gedacht worden.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Landtagspräsident Karl Wilfing (beide ÖVP) begrüßten am Montagvormittag im Palais Niederösterreich in der Herrengasse zahlreiche Politikerkollegen, darunter auch der frühere niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll. Bei der Festveranstaltung waren neben der gesamten niederösterreichischen Landesregierung der ehemalige St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng, Schüler aus dem Bundesland sowie der älteste Niederösterreicher, der 106-jährige Otto Filipsky, dabei. Der gebürtige Retzer, der älter als die österreichische Republik ist, feierte erst kürzlich Geburtstag und bezeichnete sein Kommen zum Festakt als „schönstes Geburtstagsgeschenk“.

Am Ende der Monarchie stand ein Neubeginn

Vor 100 Jahren hatte die konstituierende Sitzung im Palais Niederösterreich zu Mittag unter der Leitung von Landtagsabgeordneten Johann Mayer, der später auch Landeshauptmann wurde, begonnen. „Es war klar, dass es eine grundlegende Veränderung geben wird, die Monarchie war am Ende. Es war allen klar, dass es einen Neubeginn geben muss“, sagte der Historiker Ernst Bruckmüller. Die 120 Männer, die zu der Sitzung zusammen kamen - Frauen durften damals noch nicht politisch mitentscheiden -, hatten bereits parlamentarische Routine. „Neu war, dass es keinen Kaiser als Mitredner gab“, sagte Bruckmüller. Dabei handelte es sich um die 88 noch lebenden Abgeordneten des letzten, 1908 gewählten Landtags sowie um die 32 in Niederösterreich bei den Reichsratwahlen gekürten Mandatare.

Wien Herrengasse NÖ Landhaus

NÖ Landtagsdirektion

Das Niederösterreichische Landhaus, Herrengasse 13, Wien: Ein Ort, in dem Geschichte geschrieben wurde

Sie beschlossen bei dieser Sitzung, die „politische Verwaltung Niederösterreichs und die Vollzugsgewalt“ zu übernehmen. Mit dem Staatsgesetz vom 14. November 1918 betreffend die Übernahme der Staatsgewalt in den Ländern waren die provisorischen Landesversammlungen anerkannt worden. Sie erhielten zunächst lediglich die Befugnisse der früheren Landtage, das Recht der Gesetzgebung brachte erst eine Verfassungsänderung vom 14. März 1919.

Die wichtigste Aufgabe der provisorischen Landesversammlung war der Beschluss einer neuen Landtagswahlordnung am 20. März 1919, damit ein gewählter Landtag an die Stelle des Provisoriums treten konnte. Am 4. Mai 1919 wurde erstmals der Landtag von Niederösterreich nach dem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrecht aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechtes, wenn sie vor dem 1. Jänner 1919 das 20. Lebensjahr überschritten hatten, gewählt.

Mikl-Leitner: „Man muss Werte in die Zukunft tragen“

Das heutige Palais Niederösterreich sei „ein ganz besonderer Ort für das Bundesland Niederösterreich und die gesamte Republik“, ging Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zu Beginn des Festaktes auf die historische Bedeutung dieses Gebäudes ein: „Hier spüren wir, dass uns diese Mauern Geschichte und Geschichten erzählen. Hier spüren wir, dass diese Geschichte in die Gegenwart und in die Zukunft hinein wirkt“.

Festakt Palais Niederösterreich 100 Jahre Landesversammlung

ORF/Gernot Rohrhofer

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner: „Werte wie Friede, Freiheit und Demokratie sind keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen uns für diese Werte stark machen und sie in die Zukunft tragen“

Diese Geschichte sei „Leitlinie und Grundpfeiler“ für die Herausforderungen am Weg nach vorne, hielt sie fest: „Werte wie Friede, Freiheit und Demokratie sind keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen uns für diese Werte stark machen und sie in die Zukunft tragen.“

Wilfing: „Debatten waren vom Miteinander geprägt“

Der historische Sitzungssaal des Niederösterreichischen Landtages in der Wiener Herrengasse „strahlt in seiner bewegten Geschichte“ und sei „einer der bedeutendsten Säle der Republik Österreich“, betonte der Präsident des Landtages, Karl Wilfing (ÖVP), in seiner Rede.

Die heutige Gedenkveranstaltung solle an die Leistungen der Vorfahren erinnern, aber auch dazu dienen, um zu bedenken, „was wir aus den historischen Ereignissen lernen können“, sagte er. „Diese Männer hatten Hausverstand, sie hatten das Wissen, was der Moment erfordert, und sie hatten die Bereitschaft, selbstbestimmt zu handeln“, so Wilfing, die damaligen Debatten seien „vom Miteinander geprägt gewesen“.

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