Letzte Familien verlassen Hochwassergebiet

Seit 1972 siedeln Familien aus dem Hochwassergebiet in Ardagger (Bezirk Amstetten) ab. Etwa 70 Häuser wurden bereits abgerissen. Jetzt sind die letzten Häuser im Randgebiet in der Katastralgemeinde Kollmitzberg an der Reihe.

Kaum ein Ort ist mit der Donau so schicksalhaft verbunden wie Ardagger. Zahlreiche Hochwasser haben den Ort immer wieder erschüttert. 1954 überschwemmte das damals schwerste Donau-Hochwasser seit Jahrzehnten den Ort. Bis 1972 war Ardagger - und hier vor allem das Machland Süd - fast jährlich von Hochwassern betroffen.

Absiedelung wurde 1972 beschlossen

1972 beschloss die Landesregierung, dass Familien aus dem Gefahrengebiet absiedeln sollen. Zum Zeitpunkt des Jahrhunderthochwassers 2002 waren einige Familien bereits weggezogen und in Sicherheit. 2013 kam die nächste Flut, in Ardagger stand das Wasser damals sogar noch höher als im Jahr 2002.

Absiedelungen Ardagger Hochwasser

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Im Machland Süd erinnert nur noch dieser Stein daran, dass hier einst etwa 60  Häuser standen

Heute steht im Machland Süd in der Katastralgemeinde Stephanshart kein einziges Haus mehr. Nur ein Gedenkstein mit den Namen der abgesiedelten Familien erinnert noch daran, dass hier vor nicht einmal 50 Jahren etwa 60 Familien lebten. Die einzige Ausnahme bildet eine Scheune, die vom Anwesen von Hans Ruthners Familie übrig geblieben ist. Eine Messleiste, die Ruthner an der Außenwand angebracht hat, macht deutlich, wie tragisch die Lage damals war.

Der Landwirt zog 1981 mit seiner Familie weg. „Damals war ich 15 Jahre alt. Das haben meine Eltern entschieden, und es war eine gute Entscheidung. Fast jedes Jahr ist ein Hochwasser gekommen. Es war einfach undenkbar, dass man hier bleibt“, schildert Reuther. „Die Tiere haben wir meistens auf den Heuboden in den ersten Stock getrieben oder die Feuerwehr hat sie abgeholt, wenn es (das Hochwasser, Anm.) besonders hoch geworden ist.“ Heute lebt Ruthner „weiter oben“ in Stephanshart. Drei Jahre hatte es damals gedauert, den neuen Bauernhof aufzubauen, erzählte er.

Absiedelungen Ardagger Hochwasser

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2002 und 2013 stand die Scheune fast komplett unter Wasser

Absiedelung als einzige Möglichkeit

Die Absiedelung aus dem Gefahrengebiet sei die einzige Möglichkeit, so Bürgermeister Johannes Pressl (ÖVP). „Es ist ein sehr weitläufiges Gebiet, das hier abgesiedelt wurde und das bei Hochwasser sofort überflutet wird. Wir haben bei einjährlichem Hochwasser schon 300 bis 400 Hektar des Machland Süds unter Wasser. Die Häuser, die dort waren, sind natürlich als Erstes abgesiedelt worden“, so Pressl. „Man hat sich im Rahmen der Etappen dann auf ein immer höheres Hochwasserniveau bewegt.“

So ist heute die Katastralgemeinde Kollmitzberg an der Reihe. Dort stehen die letzten zwei Häuser, die kommendes Jahr im Zuge des Aussiedelungsprojekts noch abgerissen werden. Zwischen den zwei Häusern befindet sich ein freies Grundstück. Hier stand bis vor Kurzem noch das Elternhaus von Brigitte Wimberger.

„Eine sehr schwere Entscheidung“

„Jeder hat mich gefragt: ‚Warum siedelt ihr hier ab?‘ Meine Eltern haben so viel geschuftet, haben alles selber gemacht und ihr Leben lang gespart, aber was habe ich davon, wenn ich ein Erbe habe, ein Riesenstockhaus mit Grund, wenn es nichts wert ist wegen der Hochwassergefahr“, so Wimberger. „Es ist mit sehr vielen Emotionen verbunden und eine sehr schwere Entscheidung.“

Die Familien, die absiedeln müssen, erhalten von Bund und Land 80 Prozent des Zeitwertes des Hauses. Der Abriss muss selbst finanziert werden. In einigen Jahren seien noch weitere Absiedelungen denkbar, sagte Pressl. „Wir haben einige Gebäude, die ganz an der Grenze des 100-jährlichen Hochwassers stehen. Wir haben noch vor, die abzusiedeln.“

Pia Seiser, noe.ORF.at

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