Drasenhofen: „Anschein von Freiheitsentzug“

Nach Schließung des umstrittenen Asylquartiers in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) liegt dem ORF der Bericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft NÖ vor. Darin steht, dass „die Zustände den Anschein eines Freiheitsentzuges“ erweckten.

Noch am Freitagabend wurden die minderjährigen Flüchtlinge verlegt, nachdem die Kinder- und Jugendanwaltschaft NÖ zu dem Entschluss gekommen war, dass das Asylquartier „aus jugendrechtlicher Sicht nicht geeignet“ sei - mehr dazu in „Nicht geeignet“: Flüchtlinge werden verlegt (noe.ORF.at; 30.11.2018). Nun wurde dem ORF der gesamte Bericht der Jugendanwaltschaft mit den konkreten Gründen der Schließung zugespielt.

Darin hielt die Anwaltschaft nach ihrem Besuch in Drasenhofen vor allem Folgendes fest: Die Minderjährigen dürften sich nicht frei bewegen. „Es ist ihnen laut Aussage der anwesenden Mitarbeiterin nur erlaubt, die Einrichtung ausschließlich mit Security und nur für sehr begrenzte Zeit zu verlassen. Dies erweckte den Anschein eines Freiheitsentzuges“, hieß es in dem Bericht.

Adäquate Betreuung laut Bericht nicht gegeben

Des Weiteren bemängelte die Kinder- und Jugendanwaltschaft NÖ, dass es „sichtlich keine Beschäftigung“ für die Jugendlichen gebe. Freizeitaktivitäten seien nicht im Ansatz erkennbar. Auch werde ihnen „der Kontakt von außen unterbunden“. Nach Aussagen eines Jugendlichen „darf er seine Vertrauensperson nicht sehen“.

Daraus resultierend hielt die Jugendanwaltschaft fest, „dass Jugendliche im Asylverfahren und auch solche mit rechtskräftig negativem Asylbescheid wie alle anderen Jugendlichen ein Recht auf adäquate, den Kinderrechten entsprechende Unterbringung haben, auch wenn ihnen Fehlverhalten vorgeworfen wird“. Diese adäquate Betreuung sah die Anwaltschaft laut Bericht nicht als gegeben an. Das Gegenteil sei der Fall: „So wie sich die Unterbringung am heutigen Tag darstellte, widersprach sie grob den Kinderrechten und gefährdete aus Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaft NÖ akut das Kindeswohl (Freiheitsentzug, mögliche Gesundheitsgefährdung, keine pädagogische Betreuung, Stacheldraht).“

Jugendanwaltschaft sieht „akuten Handlungsbedarf“

Des Weiteren sprach sich die Kinder- und Jugendanwaltschaft in dem vorliegenden Bericht für notwendige Veränderungen aus, um eine Versorgung Minderjähriger in Drasenhofen zu gewährleisten. Durch die derzeitige Versorgungsform gebe es einen „akuten Handlungsbedarf“. Der Stacheldrahtzaun müsse entfernt sowie eine geeignete sozialpädagogische Betreuung sichergestellt werden. Außerdem müsse die Rechtmäßigkeit der Freiheitseinschränkungen überprüft werden, hieß es im Bericht.

Der in Niederösterreich für das Flüchtlingswesen zuständige Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) bedauerte, dass das umstrittene Flüchtlingsquartier in Drasenhofen geschlossen wurde, und betonte, dass er die Kritik der Kinder- und Jugendanwaltschaft NÖ nicht verstehe - mehr dazu in Umstrittenes Asylquartier geschlossen (noe.ORF.at; 1.12.2018). Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) kündigte eine Behandlung des Themas in der nächsten Landesregierungssitzung an. „Klar ist, dass eine derartige Situation nicht mehr vorkommen darf“, sagte sie in Richtung Waldhäusl.

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