Das Kloster unter der Reichsautobahn

Kurz nach dem „Anschluss“ wurde 1938 mit dem Bau der Reichsautobahn von Salzburg nach Wien begonnen. Pläne einer Brücke über das Stift Heiligenkreuz brachten das Kloster in Gefahr. Die Mönche sollten vertrieben werden.

Der Krimi um das Schicksal des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz begann bereits im Jahr 1937. Es bestand noch der souveräne Staat Österreich, doch das war offenbar für die nationalsozialistischen Planer der deutschen Reichsautobahn kein Hindernis, in Österreich bereits mit der Vermessung, Planung und geologischen Erkundung des Geländes im Wienerwald und im Wiener Becken zu beginnen.

Deshalb konnte bereits wenige Monate nach dem Anschluss im Jahr 1938 mit dem Bau begonnen werden. Die Trasse Sankt Pölten - Wien sollte durch den südlichen Teil des Wienerwaldes geführt werden und sich, wie heute die Außenringautobahn A21, bei Gießhübel (Bezirk Mödling) mit einer Autobahn nach Süden kreuzen. Über das Zisterzienserstift Heiligenkreuz (Bezirk Baden) war eine Brücke geplant, höher als der Kirchturm des Konvents.

Stift Heiligenkreuz und Brücke

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Blick durch das Modell mit der geplanten Brücke

Hitler wollte das Ende des Zisterzienserstiftes

Nach dem Anschluss gerieten viele Klöster, Pfarrer und kirchliche Einrichtungen unter Druck. Man machte dem Kloster Heiligenkreuz das Leben damals bewusst sehr schwer, schildert Pater Johannes Paul Chavanne die damalige Ausgangssituation. Es gab das große Prestigeprojekt Hitlers, das war die Autobahn Salzburg - Linz - Wien. Sie hätte direkt über das Stift führen sollen.

„Es gab zwar Alternativpläne. Wir wissen aber aus der Dokumentation der Ereignisse: Es war der ausdrückliche, mehrmals geäußerte Wunsch von Hitler persönlich, dass man die Autobahn direkt über das Klosterareal führt, um das geistliche Leben hier faktisch unmöglich zu machen. Es bestand der Plan, das Kloster auf lange Sicht aufzulösen. Es gab Überlegungen, daraus eine Art Reichskulturkammer mit Musikhochschule oder ein Archiv für den Gau Niederdonau einzurichten“, führt Johannes Paul Chavanne gegenüber noe.ORF.at weiter aus.

Durchlass der Reichsautobahn/ Kriegsrelikt

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Überwachsener Durchlass der stückweise gebauten Reichsautobahn

Relikte aus Stahlbeton, Stein und Ziegel

Die beiden Forscher und Autoren Johannes Sachslehner und Robert Bouchal begaben sich für die Recherchen ihres aktuellen Buches „Streng geheim - Lost Places rund um Wien“ auf die Spurensuche nach baulichen Resten der Reichsautobahn. Pater Severin, der Kämmerer des Stiftes Heiligenkreuz, führte die beiden zu einem 50 Meter langen und im Inneren mehr als vier Meter hohen Durchlass, über den die Reichsautobahn hätte führen sollen. Gebaut wurde das Bauwerk aus Stahlbeton während des Zweiten Weltkrieges von Zwangsarbeitern. Die imposante Röhre wird heute von Moos überwuchert, langsam legt sich der Wald über den Durchlass.

Foto Lager Weißenbach

Bouchal/ Sachslehner

Es gab damals mehrere Zwangsarbeiterlager zum Bau der Reichsautobahn im Wienerwald: in Weißenbach, Klausen-Leopoldsdorf, Sittendorf und auch im Klostergarten des Stiftes Heiligenkreuz. „Wir wissen aus Fotos und Dokumenten, dass sich hier ein Barackenlager für mehr als 300 Zwangsarbeiter aus Polen, Frankreich und der Ukraine befand“, bestätigt Pater Johannes Paul Chavanne. 1943 wurde kriegsbedingt der Weiterbau der Autobahn durch den Wienerwald eingestellt, ein Aufatmen für die Mönche.

Landesregierung übernahm den Plan zum Brückenbau

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Land Niederösterreich durch das Staatsvertragsdurchführungsgesetz in die Verträge und Entwürfe der Reichsautobahn-Planstelle eingestiegen. Es erscheint aus heutiger Sicht der Dinge überraschend, dass das Amt der niederösterreichischen Landesregierung am Bau einer Brücke über das Klostergelände, nur 250 Meter vom historischen Kreuzgang entfernt, sehr lange festhielt.

Plan Reichsautobahn

Privat

Ausschnitt aus dem Originalplan zum Reichsautobahnkreuz südlich von Wien

„Man bedrängte das Stift, diesem Plan zuzustimmen. Es gab heftige Konflikte. Öffentlichen Druck gab es tatsächlich erst durch die Initiative von Roland Rainer und von anderen Architekten und Künstlern, die sich vehement für die Änderung der Trassenführung einsetzten. 1974 lenkte die Landesregierung schließlich ein und gab das Brückenprojekt auf“, erklärt der Historiker und Autor Johannes Sachslehner die weiteren Umstände.

Ein großangelegter Grundstückstausch führte schließlich zur heutigen Trassenführung der Außenringautobahn, rund zwei Kilometer vom Stift entfernt in den Hang gebaut. Ein Probepfeiler für die Reichsautobahnbrücke wurde erst in den 1980er-Jahren im Auftrag der Zisterzienser im Konventgarten gesprengt. Seit dem frühen zwölften Jahrhundert ist das Stift Heiligenkreuz durchgehend von Mönchen besiedelt, vor wenigen Jahrzehnten wäre sein Schicksal beinahe besiegelt gewesen.

Hannes Steindl, noe.ORF.at

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