„Flüchtlinge nicht als Bedrohung betrachten“

Anlässlich des Weihnachtsfestes sprach Kardinal Christoph Schönborn mit noe.ORF.at über das Fest und über aktuelle Themen. Man sollte „Flüchtlinge nicht ständig als Bedrohung betrachten“, sagte er zum Thema Asyl.

Wenige Tage vor Weihnachten war es für die Katholische Kirche in Österreich eine bewegte Woche. Das Domkapitel von Gurk-Klagenfurt erhob schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Bischof Alois Schwarz, der mittlerweile Bischof in St. Pölten ist - mehr dazu in Bischof Schwarz: „Keine weitere Stellungnahme“ (noe.ORF.at; 18.12.2018).

Papst Franziskus ernannte schließlich einen Visitator, der die Vorwürfe prüfen soll - mehr dazu in Causa Schwarz: Papst ordnete Visitation an (noe.ORF.at; 20.12.2018). Kardinal Christoph Schönborn begrüßt diese Prüfung. Mitte Jänner soll sie beginnen. ORF Niederösterreich-Chefredakteur Robert Ziegler sprach mit Schönborn über die Positionen der Katholischen Kirche zu anderen Fragen, etwa der Ehe für alle.

Christoph Schönborn Weihnachtsinterview

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Kardinal Christoph Schönborn

noe.ORF.at: Herr Kardinal, in Niederösterreich hat zuletzt - Stichwort Landesrat Waldhäusl - die Debatte um Asyl, Flüchtlinge und Migration für großes Aufsehen gesorgt. Die Bischöfe haben zuletzt gesagt, Asyl ist ein heiliges Recht. Wie passt das denn zusammen beziehungsweise wie offen kann und soll denn Österreich in dieser Frage noch sein?

Kardinal Christoph Schönborn: Asyl ist ein heiliges Recht. Das Wort Asyl darf in unserem Land zu keinem Schimpfwort werden. Natürlich muss man prüfen, ob ein Asylgrund vorhanden ist und das machen unsere Behörden, der Asylgerichtshof. Prinzipiell habe ich Vertrauen in das Funktionieren unserer Behörden. Asyl grundsätzlich in Frage zu stellen, können wir sicher nicht akzeptieren. Das ist gegen die fundamentalen Menschenrechte. Menschen, deren Leib und Leben in Gefahr sind, die in ihrer Heimat wirklich bedroht sind, haben ein Recht beschützt zu werden.

Wenn Menschen abgeschoben werden, die hier gut integriert sind, wo die Kinder schon hier in die Schule gegangen sind und auch schon Berufschancen bestehen, nur weil es sich vom Asylverfahren her so darstellt, da bitten wir nachdrücklich, dass das humanitäre Bleiberecht großzügiger angewendet wird. Integration ist auch für unser Land etwas Kostbares.

noe.ORF.at: Jetzt gibt es aber auch viele Katholiken, die sagen, sie haben Sorge, dass sehr viele Menschen mit einer anderen Kultur und einer anderen Religion kommen, die so nicht integriert werden können. Muss man da nicht auch aus Sicht der Kirche sagen, dass es um unsere Gesellschaft und die christliche Kultur geht?

Schönborn: Es stimmt natürlich, dass eine ungezügelte Zuwanderung Sorge macht. Die Flüchtlingszahlen sind so zurückgegangen, dass das Flüchtlingsthema nicht mehr die Dramatik hat, die es 2015 hatte. Deshalb sollte man das Thema der Flüchtlinge nicht ständig als Bedrohung betrachten. Eine der großen Herausforderungen ist, ob es gelingen wird, dass die Muslime, die zahlenmäßig wachsen, sich so integrieren, dass sie nicht Ghettos und abgeschlossene Kreise bilden.

Christoph Schönborn Weihnachtsinterview

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ORF NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler im Gespräch mit Kardinal Christoph Schönborn

noe.ORF.at: Wenn wir kurz in die Zukunft blicken: 2019 wird etwas in Kraft treten, das der Verfassungsgerichtshof heuer entschieden hat, nämlich die Ehe für alle. Die Katholische Kirche hat da eine ganz eindeutige Position, nämlich Nein zur Homo-Ehe. Schmerzt Sie das sehr, dass Sie da sozusagen vom Höchstgericht bescheinigt bekommen haben, dass das in Österreich jetzt anders sein wird?

Schönborn: Wenn der Staat das jetzt auch Ehe nennt, werden wir das akzeptieren. Wir bleiben dabei, dass der klassische Ehe-Begriff der Bibel für Mann und Frau mit Offenheit für neues Leben ist. Wir wollen aber in keiner Weise, dass Menschen, die eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft leben wollen, diskriminiert werden. Das ist zu achten.

noe.ORF.at: Bald ist Weihnachten. Fast alle Österreicherinnen und Österreicher feiern Weihachten, aber nicht einmal die Hälfte sieht darin eine religiöse Bedeutung. Was bedeutet das für Sie als Kardinal, als Erzbischof, als Oberhaupt der Katholischen Kirche, dass die eigentliche Bedeutung des Weihnachtsfestes für viele so sehr geschwunden ist?

Schönborn: Für die, die diesen Glauben teilen, ist es die Freude das Weihnachtsfest an der Krippe in Anbetung dieses Kindes, das Gottes Sohn ist, zu feiern, aber dieses Ereignis strahlt offensichtlich aus. Wenn Weihnachten mit Geschenken, Christbaum und Familientreffen gefeiert wird, ist das ja auch eine Ausstrahlung von der Kraft dieses Festes. Gott ist uns so nahe, dass er Mensch wird. Darum sehe ich auch in den ganz säkularen, den weltlichen Ausformungen des Weihnachtsfestes so etwas wie einen Abglanz oder ein Ausstrahlen dieses wunderbaren Geheimnisses, das wir zu Weihnachten feiern.

noe.ORF.at: Wie feiern Sie persönlich den Heiligen Abend? Was ist Ihnen da am Wichtigsten?

Schönborn: Ich feiere die Mette, die Messe in der Weihnachtsnacht, immer mit der Caritas-Gemeinde mit vielen Obdachlosen und bedürftigen Menschen. Das ist immer ein sehr berührender Moment. Davor haben wir die Bescherung hier, wie viele Familien das machen. Wir, die Hausgemeinschaft im Bischofshaus, singen Weihnachtslieder, lesen das Weihnachtsevangelium und dann essen wir auch ordentlich.

Das Interview mit Kardinal Christoph Schönborn führte Robert Ziegler, noe.ORF.at