Wenn der eigene Körper zum Feind wird

Magersucht, Bulimie, Binge-Eating- Disorder: Essstörungen können viele Formen annehmen. Die 21-jährige Meggie K. hat mehrere durchlebt und bekämpft. Doch erst eine Therapie ebnete ihr schließlich den Weg aus der Essstörung.

„Ich hab quasi nicht mehr existiert, die Essstörung hat damals alles vereinnahmt“, erzählt Meggie. Vor sieben Jahren zeigten sich bei ihr erste Anzeichen einer Essstörung, damals war sie 14 Jahre alt. Zuerst war es Magersucht, dann litt Meggie eine Zeit lang an Bulimie und rutschte danach in die sogenannte Binge-Eating-Disorder, einer Krankheit, die mit Essanfällen verbunden ist. Irgendwann musste Meggie die Schule abbrechen. „Ich konnte das Haus nicht mehr verlassen, weil ich mich so schlecht gefühlt und geschämt hab.“

Essstörungen sowhat

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Für Meggie hat die Krankheit schleichend begonnen. Heute will sie ihre Erfahrungen teilen

Eine Essstörung bekommt man nicht von einem Tag auf den anderen, sie beginnt schleichend. Meist sind Mädchen im Teenageralter betroffen, doch es trifft auch immer mehr Burschen. Die Organisation „sowhat.“ arbeitet mit Menschen aus allen Altersklassen - auch Pensionisten kommen in die Behandlungszentren nach Wien, St. Pölten oder Mödling. Das Team besteht aus Allgemeinmedizinern, Psycho- und Physiotherapeuten, aber auch aus Diätologen und Sozialarbeitern. „Sowhat.“ ist Österreichs größte ambulante Einrichtung zur Behandlung von Menschen mit Essstörungen.

Viele Betroffene leugnen die Krankheit

Auch Meggie konnte bei „sowhat.“ geholfen werden. Bis sie so weit war, musste sie jedoch erst an einem „psychischen und körperlichen Tiefpunkt angelangen“, wie sie sagt: „Ich hab wirklich so einen Knackpunkt erreichen müssen. Meine Mutter hat mich irgendwann heulend am Zimmerboden gefunden und ich hab dann für mich beschlossen, dass ich so nicht weiterleben kann.“

Essstörungen sowhat

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In den meisten Fällen beginnt die Krankheit mit dem Wunsch nach weniger Gewicht

Dass bis zu dieser Erkenntnis meist zu viel Zeit vergeht, sei auch in der Behandlung ein großes Problem, sagt Christof Argeny von „sowhat.“. „Meist erleben sich die Betroffenen selbst nicht als krank und haben dann nicht das Gefühl, dass sie eine Behandlung benötigen“, sagt der Facharzt für Psychiatrie. Angehörige sollten in so einem Fall ihre eigene Betroffenheit betonen, „Diskussionen über Gewicht und Essgewohnheiten sind eher sinnlos“.

Die Folgen des Körperkults

An den Beginn ihrer Essstörung erinnert sich Meggie noch sehr gut: „Angefangen hat es mit einem Satz, mit dem es bei vielen beginnt: mit ,ich will nur ein bisschen abnehmen’“. Zwar sei laut Christof Argeny eine Diät allein noch keine Krankheit, doch „spätestens, wenn immer mehr Nahrungsmittel ausgespart werden, der Gewichtsverlust immer stärker wird und die Betroffenen sich trotz Gewichtsverlust noch immer als dick und unförmig empfinden, wird es problematisch“, sagt der Mediziner.

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Eine Ursache für zunehmende Essstörungen ist laut Mediziner Argeny der aktuelle Körperkult

Ursachen für Essstörungen gibt es viele, eine davon sieht Christof Argeny im „starken Körperkult, der in unserer Gesellschaft betrieben wird“. Die in Medien vorgegeben Körperformen seien für viele Menschen ein unerreichbares Ziel. Führt diese Unzufriedenheit zu einer Essstörung, kann dies dramatische Auswirkungen auf den Körper haben: „Es beginnt meist mit Schwächezuständen und kann bis zum Herz- oder Nierenversagen führen“, sagt Argeny. Bei Patienten zwischen 15 und 25 Jahren ist die Essstörung jene psychosomatische Erkrankung mit der höchsten Sterberate: 20 Prozent aller Fälle enden tödlich.

Bewusstsein generieren

Meggie geht es seit einem guten Jahr wieder besser. Die 21-Jährige begann nun, Vorträge zu halten, sie will Bewusstsein für die Problematik generieren. Vielen Außenstehenden sei der Ernst der Lage nicht bewusst, meint sie. Zudem sei Aufklärung nötig. „Die meisten haben beim Thema Essstörung das Bild eines stark untergewichtigen Mädchens im Kopf, doch sie wissen nicht, dass auch Männer oder ältere Menschen darunter leiden können“. Man müsse auch nicht untergewichtig aussehen, um eine Essstörung zu haben, meint Meggie. „Mir geht es darum, dass die Krankheit ernst genommen wird“, sagt sie - und zwar „egal, wie die Person aussieht“.

Miriam Steiner, noe.ORF.at

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