Bluttat in Tulln: Verdächtiger bereits vorbestraft

Im Fall einer 32-Jährigen, die in Tulln erstochen wurde, ist der tatverdächtige Ehemann bereits einschlägig vorbestraft. Laut Michaela Egger vom Gewaltschutzzentrum Niederösterreich würde generell das Ausmaß der Gewalt steigen.

Der 36-jährige Ehemann aus Mazedonien, der laut Polizei gestanden haben soll, seine ebenfalls aus Mazedonien stammende Frau getötet zu haben, war bereits 2017 rechtskräftig wegen fortgesetzter Gewaltausübung zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten heißt es gegenüber noe.ORF.at, dass das Opfer damals ebenfalls die Ehefrau gewesen sein soll.

Anti-Gewalt-Training scheiterte an Sprachkenntnissen

In Folge der Verurteilung ordnete das Landesgericht St. Pölten außerdem Bewährungshilfe, Psychotherapiestunden auf eigene Kosten sowie ein Anti-Gewalt-Training an. Laut Gericht konnte dieses Training aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse jedoch nicht durchgeführt werden, weshalb die Weisung im Dezember 2017 wieder aufgehoben wurde. Die Bewährungshilfe wurde laut Andrea Humer, der Vizepräsidentin des Landesgerichtes St. Pölten, hingegen in Anspruch genommen, zudem seien Therapiebestätigungen eingelangt.

Laut dem „Verein Neustart“ wurde der Verdächtige seit seiner Verurteilung im Jahr 2017 begleitet. Die Betreuungssituation sei seit damals sehr dicht und ohne Unterbrechungen gewesen, heißt es. Unter den Mitarbeitern herrsche tiefe Betroffenheit. Andreas Zembaty, der Sprecher des Vereins Neustart, bestätigt ebenfalls, dass die mangelnden Sprachkenntnisse immer wieder eine Herausforderung gewesen seien. Weil das Anti-Gewalt-Training nicht stattfand, habe man außerdem versucht, diesen Bereich über die Bewährungshilfe abzudecken.

Egger: „Verhindern können wir ein Verbrechen nicht“

Die Bluttat in Tulln ist heuer bereits die vierte Tötung einer Frau in Niederösterreich. Laut Michaela Egger, der Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Niederösterreich, würde zwar nicht die Gewalt gegenüber Frauen ansteigen, allerdings die Gewaltintensität. Zwar gebe es diverse Beratungsangebote, so Egger im Gespräch mit noe.ORF.at, verhindern könne man derartige Verbrechen jedoch nicht.

Michaela Egger Gewaltschutzzentrum

ORF

Laut Michaela Egger, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Niederösterreich, ist die Trennungsphase die gefährlichste Zeit für eine Frau

noe.ORF.at: Das Jahr ist noch jung und dennoch wurden in Niederösterreich heuer bereits vier Frauen getötet. Fünf waren es Österreich. Nach bisherigem Stand kann man jedes Mal von einer Beziehungstat sprechen. Wie erklären Sie sich diese Häufung, steigt die Gewalt an Frauen?

Michaela Egger: Diese Frage ist ganz schwer zu beantworten. Wir können von den Statistiken – und jetzt sind wir bei Zahlen – sehen, dass die Gewalt an sich nicht ansteigt, aber das Ausmaß der Gewalt und die Gewaltintensität. Was die Statistiken und die Forschung auch zeigt, ist, dass die gefährlichste Zeit für Frauen die Trennungsphase bzw. die Phase der Scheidung ist.

noe.ORF.at: Im Bundeskriminalamt heißt es, dass sich bei so genannten vollendeten Morden die Zahl der Täter mit Mitgrationshintergrund von 2017 auf 2018 verdoppelt hat. Sind diese Verbrechen ein Migrationsthema?

Egger: Nein, definitiv ist es kein Migrationsthema. Morde und Mordversuche gibt es in Österreich auch ohne den Zustrom durch Migration. Alleine unsere Statistik zeigt, dass zwei Drittel der Ermordeten im letzten Jahr österreichische Staatsbürger waren. Und es stellt sich immer die Frage: Wann ist ein Österreicher ein Österreicher? Also wie gesagt, der Zustrom ist es nicht, er stellt neue Herausforderungen, das stimmt. Aber es ist nicht alleine auf den Zustrom der Migration zurückzuführen.

noe.ORF.at: Bei der Bluttat in Tulln ist heute bekannt geworden, dass der mutmaßliche Täter bereits einschlägig vorbestraft war. Hätte man das Verbrechen verhindern können?

Egger: Meine Kolleginnen und ich waren sehr nahe an dem Fall dran. Wir können die Instrumente, die es gibt, sei es ein Betretungsverbot, das Angebot von Frauenhäusern, eine einstweilige Verfügung oder die Bewährungshilfe nur nutzen. Verhindern können wir ein Verbrechen nicht.

noe.ORF.at: Wie viele Frauen nehmen dieses Angebot in Anspruch?

Egger: Der Vorteil an unserer Einrichtung ist, dass die Polizei ein Betretungsverbot ausspricht und wir uns proaktiv bei den Betroffenen melden und auch unsere Unterstützung anbieten. Das erleichtert Betroffenen von häuslicher Gewalt Unterstützung anzunehmen. Das heißt, wir melden uns bei Betroffenen, um Beratung und Unterstützung anzubieten. Und ich kann nur von unseren Zahlen sagen, dass wir 90 Prozent der Klientinnen, die über ein Betretungsverbot zu uns in Beratung kommen, auch erreichen.

noe.ORF.at: Was hindert dennoch so viele Frauen daran, Hilfe in Anspruch zu nehmen?

Egger: Die Gründe sind da sehr vielfältig. Häusliche Gewalt ist komplex. Das heißt, ich zeige einen Partner, mit dem ich mein Leben verbracht habe, an. Kann ich das machen? Traue ich mich? Welche Konsequenzen hat das für mich und für ihn? Für uns ist ganz entscheidend, dass die Täter die Verantwortung für die Gewalttat selbst übernehmen und nicht das Opfer den Täter sozusagen wieder in Schutz nimmt. Das ist der größte Punkt, warum Frauen, die den Partner anzeigen, sich so schwer tun, diesen Schritt auch zu gehen.

Das Gespräch führte Thomas Birgfellner, noe.ORF.at

Links: