Hörschäden: Schüler entwickeln Software

Drei Schülerinnen und ein Schüler der HTL St. Pölten haben als Maturaprojekt eine Software entwickelt, die in Echtzeit Gespräche in Text umwandelt. Erprobt ist das Programm für Smartphones, Tablets und Hightech-Brillen.

Die dahinterliegende Technik, die es für die Entwicklung der App braucht, ist kompliziert, die Anwendung verspricht hingegen einfach zu sein. Denn die möglichen Nutzerinnen und Nutzer dieses Programms sind vorwiegend ältere und mit zunehmendem Alter schwerhörig gewordene Menschen - daher auch der Name „Lies mal, Opa!“. „Die Bedienung besteht für den Nutzer nur daraus, dass er einen Startknopf drücken muss, der Rest passiert von selbst“, sagt Hannah Mayer, Mitglied der vierköpfigen Projektgruppe. „Ab diesem Moment versucht das Gerät, alles, was wir reden, so gut wie möglich aufzuzeichnen und auf einem Display anzuzeigen“, ergänzt Katharina Munk.

Gespräche in Text umwandeln

Derzeit gibt das System die aufgenommenen Gespräche entweder auf einem Smartphone oder auf einem Tablet in Textform wieder. Aber auch die Einblendung auf einer Augmented Reality-Brille wurde von den Informatikschülern bereits erfolgreich getestet. Letztere hat anstelle der Brillengläser auf einer Seite ein Display verbaut. „Alles wird in möglichst großen Buchstaben angezeigt, damit auch Ältere Menschen mit schwachen Augen keine Schwierigkeiten beim Lesen haben“, sagt Julia Übl.

29.01.19 Software für Schwerhörige HTL St. Pölten

ORF/ Veronika Berger

Die Software blendet Gespräche auf Displays oder Hightech-Brillen ein

Für die Gruppe war zu Beginn ihres Maturaprojektes klar, dass sie einerseits eine Software aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz entwickeln wollen, die aber andererseits gleichzeitig einen sozialen Mehrwert mit sich bringt. Katharina Munk hat selbst einen schwerhörigen Verwandten und kennt die Probleme, mit denen Menschen mit Hörschwierigkeiten konfrontiert sein können: „Unangenehm ist es etwa dann für Betroffene, wenn sie Gesprächen nicht mehr folgen können und sich ausgeschlossen fühlen. Deswegen glaube ich, dass das Anwendungsfeld sehr groß ist. Fast jeder kennt Menschen mit eingeschränkten Hörmöglichkeiten“, so die HTL-Schülerin.

Auch ohne Technikaffinität bedienbar

Klaus Hasenzagl, Lehrer der vier Schüler und Abteilungsvorstand der Informatik in der HTL St. Pölten, sieht in der Entwicklung von „Lies mal, Opa!“ durchaus Potenzial. Bald werde sich die von seinen Schülern entwickelte Technik auch auf normale Brillen übertragen lassen. „Sobald der Text sogar in eine normale Brille eingeblendet wird - und das wird in sehr absehbarer Zeit am Markt sein - spätestens dann gibt es in meinen Augen überhaupt kein Problem mehr. Auch nicht für Menschen, die für Hightech überhaupt nichts übrig haben“, so Hasenzagl.

Hörgeräte ersetzen könne eine solche Software nicht, viel mehr sei sie als Ergänzung gedacht, sagt HTL-Schüler Alexander Piglmann: „Selbst die besten Hörgeräte können nicht jede Form und Stärke von Schwerhörigkeit wettmachen. Manchmal gibt es medizinische Gründe, dass ein Hörgerät an seine Grenzen stößt. Und genau da setzt unser Projekt an.“ Die Technik schaffe es mittlerweile problemlos, Störgeräusche auszublenden und auch dann noch gesprochenen Text wiederzugeben, wenn Gespräche in größeren Gruppen geführt werden und viele Menschen durcheinander sprechen.

29.01.19 Software für Schwerhörige HTL St. Pölten

ORF/ Veronika Berger

Julia Übl, Alexander Piglmann, Hannah Mayer und Katharina Munk (v.l.n.r.)

Prototyp grundsätzlich für Markteinführung tauglich

Der größte Unterschied zwischen dem Prototyp aus der St. Pöltner HTL und einem kommerziellen Produkt sei derzeit noch die Genauigkeit, sagen die Schüler. Zwar würden sie noch an Details schleifen, für eine Markteinführung würde aber der Rahmen des Maturaprojektes gesprengt, so Abteilungsvorstand Hasenzagl: „Abgesehen davon, dass die Schule nicht gewerblich tätig sein darf, fehlen uns in diesem Rahmen die Ressourcen, die die finale Markteinführung eines solchen Produktes bräuchte - von den letzten Feinschliffen bis zur regelmäßigen Wartung, die jede Software braucht. Das kann die Schule nicht leisten.“

Ob sich die Gruppe nach der bevorstehenden Matura um die Weiterentwicklung ihrer Produktidee bemühen möchte, lassen die vier noch offen. „Darüber haben wir uns eigentlich noch keine Gedanken gemacht. Jetzt kommt erst mal der Schulabschluss und dann sehen wir weiter. Aber ich glaube schon, dass es funktionieren kann.“ Ihr Lehrer traut es ihnen jedenfalls zu: „Es gibt eine Menge Produkte, die ursprünglich an Schulen oder Universitäten entwickelt wurden und die binnen kürzester Zeit sehr erfolgreich waren“, so Hasenzagl.

Über mangelnde Jobaussichten nach der HTL können sich die vier jedenfalls nicht beklagen. Julia Übl etwa erzählt, dass sie schon jetzt Jobangebote von Firmen erhalte. Das Recht an der Entwicklung und die Möglichkeit, in Zukunft noch etwas Weiteres daraus zu machen, liegt jedenfalls bei den vier Gruppenmitgliedern.

Veronika Berger, noe.ORF.at