Mit Hund auf die Alm: So kann es funktionieren

Nach der tödlichen Kuhattacke in Tirol und speziell nach der Verurteilung des Bauern ist die Verunsicherung auf vielen Seiten groß. Mit dem richtigen Verhalten ließen sich aber Gefahrensituation vermeiden, sind sich Experten einig.

Wer sich Rindern nähert, sollte dies ruhig machen und eventuelle Warnsignale der Tiere ernst nehmen, sagt Landwirt Markus Brunnbauer aus Kirchberg an der Pielach (Bezirk St. Pölten): „Das kann ein Auf- und Abschlagen des Kopfes des Rindes sein, aber auch wenn sie schnaubt oder mit den Vorderbeinen schabt.“ Brunnbauer empfiehlt zwar grundsätzlich Rinderweiden auszuweichen, ist aber davon überzeugt, dass sich mit dem richtigen Verhalten viele Zwischenfälle vermeiden ließen.

Bianca Böhm, ebenfalls Landwirtin in Kirchberg an der Pielach (Bezirk St. Pölten) rät vor allem Menschen mit Kindern und Hunden zur Vorsicht. „Rinder sind nicht generell gefährlich. Besonders wenn man ruhig ist, passiert normalerweise nichts.“ Kinder sollten sich ruhig verhalten und an der Hand ihrer Eltern gehen, Hunde müssten an der Leine geführt werden, so Böhm. Besonders Mutterkühe würden auf Hunde gereizt reagieren können, wenn diese ihre Kälber in Schutz nehmen.

Eigentlich würden die meisten Menschen, die auf Almen unterwegs sind, die Verhaltensregeln gut kennen, sagt Gerhard Glinz, Vorsitzender des Alpenvereins Niederösterreich. „Probleme gibt es in erster Linie mit Menschen aus der Stadt, die Almen mit Streichelzoos zu verwechseln scheinen. Rinder auf Almen zu streicheln, ist ein großer Fehler“, sagt Glinz.

01.03.19 Richtiges Verhalten bei Rinderherden Alm Wanderung Kuhattacke Tirol

ORF

Rinder empfinden Hunde als Bedrohung - ruhiges Verhalten ist wichtig

Die aktuelle Situation sei nicht einfach und man verstehe beide Seiten, sagt er: „Es braucht meiner Meinung nach eine Lösung, die Bauern aus der Haftung entlassen und die Eigenverantwortung der Wanderer ins Zentrum stellt. Hundeverbote und Sperren von Almwegen wären kein wünschenswertes Ziel“, so Glinz. Generell sei das Problem mit Almwanderwegen in Niederösterreich nicht sehr groß: „Es gibt kaum Unfälle mit Wanderern und Hunden auf Almen. Natürlich ist jeder einzelne Fall einer zu viel.“ Während manche Bauern über Hundeverbote oder ein Sperren von Almwegen nachdenken hofft der Alpenverein Niederösterreich auf eine Lösung, mit der Landwirte und Touristen leben können.

Hunde trainieren und Stimmung einschätzen

Nicht jeder Hund sei für Wanderungen geeignet, sagt Hundetrainerin und Hundepsychologin Iris Exel-Grabner von der Hundeschule Hürm (Bezirk Melk). Wesen, Rasse und Jagdtrieb entscheiden darüber, ob der Vierbeiner almtauglich ist, so die Expertin. Bevor man Hunde mit auf Wanderungen nimmt, sollte der Hund lernen, gehorsam an der Leine zu gehen und sich ablenken zu lassen, sollte man mit ihm auf eine Rinderherde stoßen. „Zu vielen gefährlichen Situationen kommt es erst gar nicht, wenn ich mit dem Hund vorab ein richtiges Verhalten trainiere.“

Weidenden Herden sollten Hundebesitzerinnen und Hundebesitzer immer möglichst großräumig ausweichen. Wenn wirklich kein Weg an ihnen vorbeiführt, sollte man zuerst die Stimmung der Herde einschätzen, einen unangespannten Moment abwarten und den Hund eng an sich an der Herde vorbeiführen. „Der Mensch geht zwischen Hund und Kühen, führt den Hund möglichst weit an den Tieren vorbei. Wenn ich den eigenen Körper als Barriere einsetze, ist das für beide besser.“

01.03.19 Richtiges Verhalten bei Rinderherden Alm Wanderung Kuhattacke Tirol

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Die Leine ist ein absolutes Muss bei Begegnungen mit Rindern, im Notfall muss der Hund allerdings abgeleint sein

Im Ernstfall: Leine loslassen

Sollte die Herde wirklich angreifen und auf die zwei- und vierbeinigen Wanderer zulaufen, müsse man den Hund möglichst schnell von der Leine nehmen. Darin sind sich die Landwirte, als auch die Hundetrainerin und die Experten des Alpenvereins einig. Die Leine wurde der in Tirol tödlich verletzten Frau zum Verhängnis. Da sie die Leine ihres Hundes um den Bauch gewickelt hatte, konnte sie sich nicht in Sicherheit bringen, als die Herde auf den Hund zugelaufen kam.

Alm-Manifest soll Zeichen setzen

Mit einem Alm-Manifest rufen Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) und der Ehrenpräsident des Umweltdachverbandes, Gerhard Heilingbrunner, derzeit zu mehr Eigenverantwortung auf Almen und Wegen und zu mehr Achtsamkeit in der freien Natur auf. Mit den gesammelten Unterschriften wolle man ein Zeichen setzen heißt es.

www.alm-manifest.at

Die Hunde begreifen den Hund als Feind, nicht den Menschen. Wenn der Hund wegläuft, ist der Mensch nicht länger in Gefahr", sagt Landwirtin Böhm. Hauptsache, die Leine sei entfernt, dann könnten Wanderer die Zeit nutzen, in der die Herde ihre Aufmerksamkeit auf den Hund richtet und selbst das Weite suchen. Um den Hund bräuchten sich Hundebesitzer nicht zu sorgen: „Der hat einen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber den Rindern, wenn er die Flucht ergreift. Und das macht ein Hund, wenn ihm Kühe entgegenlaufen“, erklärt Hundetrainerin Exel-Grabner. Für den Notfall sei es außerdem ratsam, einen Stock mitzunehmen, wenn man eine Alm überqueren müsse, so Landwirt Brunnbauer. Mit diesem ließen sich Rinder im Allgemeinen gut vertreiben - am wichtigsten sei es aber, in jeder Situation Ruhe zu bewahren.

Veronika Berger, noe.ORF.at