Als Kaiser Karl mit dem Zug ins Exil fuhr

Am Samstag jährt sich zum hundertsten Mal, dass der letzte Kaiser, Karl, mit seiner Familie das Land endgültig verlassen hat. Mit einem Sonderzug fuhr er vom Bahnhof Kopfstetten (Bezirk Gänserndorf) ins Schweizer Exil.

Nur knapp zwei Jahre lang war Karl der Kaiser eines einst mächtigen Reiches: Im November 1918 war der Erste Weltkrieg verloren, die Habsburgermonarchie zerfiel, die Republik wurde ausgerufen. Karl weigerte sich, als Kaiser abzudanken. Mit seiner Familie zog er sich ins Schloss Eckartsau zurück, nicht weit von Wien und Pressburg entfernt. Karl wartete ab - und hoffte auf eine politische Entwicklung, die ihn wieder auf den Thron bringt, in Österreich oder in Ungarn.

Christian Rapp: „Eine Bedrohung für die Republik“

Christian Rapp, Wissenschaftlicher Leiter des Hauses der Geschichte im Museum Niederösterreich in St. Pölten: „Er war für diese junge Republik eine latente Bedrohung. Heute würden wir sagen, er wurde überschätzt, aber damals haben die Menschen das sehr ernst genommen. Die Regierung hat ihm angeboten, entweder nun wirklich abzudanken, wie das Kaiser Wilhelm in Deutschland gemacht hat, und auf jeden Anspruch und auf alle Rechte zu verzichten oder das Land zu verlassen.“

Der 31-jährige Karl verbrachte mit seiner Frau Zita und den Kindern den Winter 1918/19 in Eckartsau. Es waren Monate des Abwartens, denn es war jene Zeit, in der der Kontinent Europa politisch neu geordnet wurde. Karl wurde aber zu einer unwägbaren Größe in diesem Spiel der Machtverteilung, überschätzt und schwer greifbar.

Eine Ära ging zu Ende

„Er war wankelmütig, hatte wenig Charisma und auch keine großen Visionen. Es hat ihm auch der Mut zu wirklich großen Entscheidungen gefehlt, das hat man schon während des Ersten Weltkrieges gesehen. Mit ihm wäre wahrscheinlich, auch wenn er länger gelebt hätte, kein Staat zu machen gewesen“, so der Historiker Christian Rapp. Die Republik Deutschösterreich wollte klare Verhältnisse, auch die Engländer betrieben aus strategischen Überlegungen die Ausreise des ehemaligen Kaisers.

Bahnhof Kopfstetten

ORF/Reinhard Linke

Heute gibt es keine Züge mehr in Kopfstetten, und nichts erinnert daran, dass hier nach fast 650 Jahren die Ära der Habsburger zu Ende ging

Sonntag, der 23. März 1919: In der Schlosskapelle von Eckartsau erklingt zum letzten Mal die ehemalige Kaiserhymne „Gott erhalte“, dann geht es zum letzten Mittagsmahl im kleinen Kreis. Elisabeth Sandfort, die Schlossmanagerin von Eckartsau: „Es gab Fritattensuppe, verschiedenes Wild mit Gemüse und zum Nachtisch wurde Weichselschnitte mit Kaffee gereicht - also wirklich relativ bescheiden für eine kaiserliche Familie.“ Am Abend fuhr vom nahen Bahnhof Kopfstetten der Sonderzug ab, Karl und seine Familie traten die Reise ins Exil in die Schweiz an. Nach fast 650 Jahren ist die Ära der Habsburger zu Ende.

Auf den Spuren von Karl und Zita

Am Samstag kann Schloss Eckartsau besucht werden, bei freiem Eintritt wird die Ausstellung „Karl & Zita - Im Schatten der Geschichte“ gezeigt. Außerdem werden zwischen 12.00 und 15.00 Uhr vier Spezialführungen angeboten. Ab dem letzten März-Wochenende ist Schloss Eckartsau wieder täglich geöffnet. Das Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich in St. Pölten zeigt noch am Wochenende die Sonderausstellung „Die umkämpfte Republik 1918 bis 1938“ (9.00 bis 17.00 Uhr).

Reinhard Linke, noe.ORF.at

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