Historische Karte „Königin Europa“ entdeckt

Im Mittelalter wurde Europa in Kartenform immer wieder als Königin abgebildet. Die älteste derartige Darstellung wurde im Museum Retz (Bezirk Hollabrunn) entdeckt und am Donnerstag präsentiert, die sogenannte „Königin Europa“.

Bei Arbeiten im Rahmen des vom Land Niederösterreich geförderten Forschungs-, Technologie- und Innovationsprogramms (FTI) „MuseumsMenschen“ bewertete die Archäologin und Kulturwissenschafterin Celine Wawruschka von der Donau-Universität Krems einen frühneuzeitlichen Holzschnitt neu. Wawruschkas Analyse zufolge handelt sich um „die älteste bekannte Darstellung des europäischen Kontinents in Form einer Königin“, angefertigt von dem Tiroler Humanisten Johannes Putsch (1516-1542).

Älteste Darstellung dieser Form

Derartige Allegorien von Erdteilen seien in der frühen Neuzeit sehr beliebt gewesen, sagte Wawruschka bei der Präsentation. Allgemein gelte die Karte von Putsch als Vorbild aller kartografischen Erdteilallegorien im 16. Jahrhundert. „Spanien stellt den Kopf der Königin dar, Italien den Arm, Sizilien den Reichsapfel, Österreich und Böhmen liegen in der Körpermitte.“

28.03.19 Ältestes Bild "Königin Europa" Mittelalter Museum Retz

ORF/ Fuchs

Der Holzschnitt hat ein Format von 70 x 50 Centimeter

Die Retzer Karte weist dem Museum zufolge zwei Besonderheiten auf: Mit dem Herstellungsdatum von 1534 sei sie einerseits die älteste bekannte dieser Form. Eine weitere Karte von Putsch befinde sich im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, sei etwas jünger (1537) und im Gegensatz zum Retzer Exemplar nicht koloriert. Die zweite Besonderheit stelle ein Gedicht humanistischer Tradition dar, das sich unter dem Kartenrand befinde und „den Kaisern Karl V. (1500-1558) und Ferdinand I. (1503-1564) gewidmet ist“. „Königin Europa“ beklage sich in dem Text über die kriegerischen Zustände auf dem Kontinent und ermahne die beiden Herrscher des Habsburgerreiches, sie vor der Gefahr der einfallenden Türken zu retten.

Eine Widmung zeige, dass der Bibliothekar und Archivar des Retzer Dominikanerklosters, Ignaz Lamatsch (1797-1863), die Karte mit der Darstellung der „Königin Europa“ zusammen mit anderen Gegenständen im Jahre 1838 dem kurz zuvor gegründeten Stadtmuseum Retz geschenkt habe. Für das Team des Hauses in der Weinviertler Stadt ist die Darstellung „fortan das bedeutendste Objekt seiner kulturhistorischen Sammlung“, sagt die Sammlungsleiterin des Museums Helene Schrolmberger.

28.03.19 Ältestes Bild "Königin Europa" Mittelalter Museum Retz

ORF/ Fuchs

Menasse: „Allegorie für europäische Idee“

Zur Präsentation am Donnerstag kamen zahlreiche politische Vertreter und Gäste, etwa Karl Wilfing, der Präsident des niederösterreichischen Landtages und auch Hatto Käfer von der Europäischen Kommission. Ebenso kamen zahlreiche Vertreter diverser europäischer Botschaften gekommen. Zu Gast war auch der glühende Europäer und Schriftsteller Robert Menasse. Für ihn ist die Karte mehr als nur ein Kunstwerk. „Das ist eigentlich eine Allegorie für eine europäische Idee, die jetzt seit 60 Jahren erst europaweit politisch verwirklicht wird. Ich finde das als europäisches Gedächtnis sehr bedeutsam“, sagte Menasse.

Die Europakarte wird ab dem Wochenende des Museumsfrühlings (18./19. Mai) bis zum Saisonende am 26. Oktober im Museum Retz ausgestellt. Ab 2020 soll das Kunstwerk an ausgewählte Museen in Europa verliehen werden.

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