Renate Bertlmann: „Hier ruht meine Zärtlichkeit“

Zwei Wochen nach der Eröffnung der Biennale in Venedig, bei der Renate Bertlmann den Österreich-Pavillon bespielt, wird mit der Bertlmann-Schau „Hier ruht meine Zärtlichkeit“ die Landesgalerie Niederösterreich in Krems eröffnet.

Die Präsentation in der Landesgalerie Niederösterreich ist die erste Museumseinzelausstellung der Künstlerin. Das Projekt sei mit Bertlmann seit dem Spätsommer 2016 entwickelt worden, lange bevor sich die Aufmerksamkeit für die Künstlerin 2017 mit dem Empfang des Großen Österreichischen Staatspreises und der Nominierung zur ersten Künstlerin mit einer Einzelausstellung im österreichischen Pavillon der Biennale markant verstärkt habe, hieß es vonseiten der Landesgalerie Niederösterreich.

Ihr Schaffen reflektiert „unser gesamtes Dasein“

„Das Schaffen von Renate Bertlmann reflektiert seit mehr als 50 Jahren die Eckpfeiler unseres kulturellen Lebens, wobei die Künstlerin ihren Standpunkt immer neu definiert. Der Blick auf unsere Gesellschaft schließt dabei jenen feinen Humor mit ein, der die Kunst Renate Bertlmanns insgesamt begleitet“, sagte Christian Bauer, Künstlerischer Direktor der Landesgalerie Niederösterreich.

Renate Bertlmann 2017

APA/Hans Punz

Renate Bertlmann: „Ich fluktuiere bis heute permanent zwischen den drei Bereichen der Pornografie, der Ironie und der Utopie hin und her, mit der Absicht, ein dichtes, systemanalysierendes Bezugsnetz zu weben“

Die Eingliederung in das feministische Kunstschaffen habe schon früh internationale Anerkennung zur Folge gehabt und erfasse das zentrale politische Wirken der Künstlerin, konnte aber nicht ausreichend zu einem ganzheitlichen Verständnis des Werkes beitragen, so Bauer. „In Wahrheit geht das Schaffen von Renate Bertlmann über den Feminismus hinaus und reflektiert unser gesamtes Dasein. Dass damit eine weitreichende Kritik verbunden ist, versteht sich von selbst. Die Künstlerin stellt den aggressiv konfrontativen Gestus des Geschlechterkampfes zwar dar, nimmt aber nicht daran teil und sieht ihre Standortbestimmung als Liebende.“

Renate Bertlmann: „Amo ergo sum“

„Amo ergo sum“ („Ich liebe, also bin ich“) ist Ausgangspunkt und Umriss des künstlerischen Schaffens, wobei sich Liebe im Sinne der Künstlerin als ganzheitliche Sinneserfahrung darstellt. Die Themen erstrecken sich von Geschlechterrollen bis zur Religion und zu den Ritualen, die den Tod des Menschen rahmen. Bertlmann schlüpft dabei in unterschiedliche Rollen und nimmt Verwandlungen vor.

Die 76-jährige Wienerin sah „schon zu Beginn der 1970er Jahre zwei Rettungswege aus dem ‚inneren Gefängnis‘, das sie als Frau und Künstlerin im Österreich der Nachkriegszeit empfand: Feminismus und Spiritualität“, erklärte Christian Bauer. „Hier ruht meine Zärtlichkeit“ – Titel einer Grabskulptur als namensgebendes Werk der Ausstellung – ist Ausdruck des Schaffens jenseits der Körperlichkeit.

Das Ich spiegelt sich in Eigenarten der Zuneigung, Empathie und Sensibilität. Dass eine zentrale Wahrheit des Menschen jenseits des Körpers liegt, zeigt sich im Konzept der monumentalen Urnenwand. Diese wurde zur Hüterin von intimen Geheimnissen, die ihr 70 Menschen erzählten. „Die Urnennischen sind Orte der Stille, denen wir Intimes anvertrauen. Sie werden zu Räumen, in denen das Verbergen zum Bergen von Kostbarem, von Verletzlichem, von Ur-Eigenstem wird“ (Bertlmann).

Werke, die den aktuellen Diskurs treffen

Die Ausstellung der Landesgalerie Niederösterreich, die von der Künstlerin kuratiert wurde, verbindet neue Arbeiten mit legendären Werken der 1970er und 1980er Jahre wie „EL-ELLA Herzsänfte“ (1986) und „Hier ruht meine Zärtlichkeit“ (1976), die oft seit vielen Jahren nicht zu sehen waren.

Die Ausstellung von Bertlmann in der Landesgalerie Niederösterreich „bereichert den Themenschwerpunkt der Selbstdarstellung in großartiger Weise, weil sie eine ungemein mutige Künstlerin präsentiert, die mit ihrem Schaffen zeitgemäßer nicht sein könnte“, erläuterte der Künstlerische Direktor, „die Werke und deren Inhalte treffen den aktuellen Diskurs im Zentrum.“

Das nicht nur deshalb, weil „das Geschlechterverhältnis in dessen Absurdität und Ungerechtigkeit noch nicht aufgelöst ist“, sondern auch wegen des Tons, der in der künstlerischen Erzählung gewählt sei. Eine fein ausbalancierte Sprache, die mit großer Sensibilität agiere und ohne plakative Angriffe auskomme. Auch wenn der Geschlechterkampf thematisiert werde, geschehe das bei Bertlmann mit Augenzwinkern und Ironie, dem Konfrontativen ist die Aggression genommen.

Reinhard Linke, noe.ORF.at

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