Anneliese Figl: „Mein Vater liebte das Land“
2015 ist das Jahr der Gedenktage: 1945 ging der Zweite Weltkrieg zu Ende, 1955 wurde der österreichische Staatsvertrag unterschrieben und 1965 starb ein Politiker, der im Nachkriegs-Österreich eine wichtige Rolle spielte: Leopold Figl. Der 1902 in Rust im Tullnerfeld geborene Bauernsohn war der erste Bundeskanzler der Zweiten Republik, als Außenminister unterschrieb er am 15. Mai 1955 den Staatsvertrag, und von 1962 bis zu seinem Tod am 9. Mai 1965 war er Landeshauptmann von Niederösterreich.
ORF
In der „Nahaufnahme“ mit Reinhard Linke meint Anneliese Figl über die damalige Popularität ihres Vaters: „Er kannte in Niederösterreich sehr viele Menschen. Wenn man mit ihm durchs Land fuhr und in eine Ortschaft kam, gab es immer jemanden, den er begrüßt hat und mit dem er gesprochen hat. Wenn man ihn dann gefragt hat, wer das war, hat er immer geantwortet, das sei der Sowieso gewesen, und dann hat er auch immer eine Geschichte dazu gewusst. Er hatte ein gutes Personengedächtnis und er war seinen Mitmenschen sehr zugetan.“
ORF/Reinhard Linke
„Manchmal erfuhren wir von brenzligen Situationen“
Leopold Figl erzählte zuhause nichts über Politik und über seine Tätigkeit als Bundeskanzler. Er lud zwar immer wieder regelmäßig in- und ausländische Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur in seine Wohnung in Wien ein, doch seine beiden Kinder Johannes und Anneliese erfuhren von den Inhalten der vertraulichen Gespräche nichts. Während der Besatzungszeit bis 1955 gab es doch manchmal brenzlige Situationen, von denen Anneliese Figl erfuhr.
„Es gab angeblich Angebote, dass die Bundesregierung von Wien nach Salzburg übersiedeln soll. Mein Vater hat gesagt, das komme nicht infrage. Es bestehe dann nämlich die Gefahr, dass der Eiserne Vorhang entlang der Enns erläuft, und Niederösterreich von Rest-Österreich, von den anderen Bundesländern abgetrennt wird. Daher müsse die Bundesregierung in Wien bleiben, sagte mein Vater", schildert seine Tochter.
Sendungshinweis:
„Radio NÖ-Nahaufnahme“, 19.4.2015
Für die Familie blieb nicht viel Zeit
Das Todesurteil der Nationalsozialisten gegen Leopold Figl wegen Hochverrats wurde in den Wirrnissen des Kriegsendes im April 1945 nicht mehr vollstreckt. Sofort nach seinem Entkommen aus der Todeszelle arbeitete er am Aufbau des demokratischen Österreich an führender Stelle mit.
Für die Familie – Ehefrau Hilde, Sohn Johannes und Tochter Anneliese – blieb da nicht immer sehr viel Zeit, erinnert sich seine Tochter Anneliese: „Ein Vater zum Spielen war er nicht, dazu hatte er keine Zeit. Er hat sich jedoch sehr intensiv um unsere Erziehung gekümmert, und er kontrollierte alles, was die Schule betraf. Das Familienleben ging nicht spurlos an ihm vorbei, seine Zeit war nur sehr knapp bemessen.“
Die „Nahaufnahme“ zum Nachhören
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