Waldviertel: Anfänge einer Wüste

Der Ökologe Harald Riedl spricht von „beunruhigenden“ Veränderungen in Niederösterreichs Wäldern. Laut dem Experten würde sich dort ein ähnliches Bild zeigen, wie es bei der Entstehung von Wüsten zu beobachten ist.

Jahrzehntelang erforschte der Ökologe Harald Riedl in Asien und Afrika, wie Wüsten entstehen. Durch die heißen Sommer, wie es auch im heurigen Jahr 2015 der Fall war, seien auch in österreichischen Wäldern „beunruhigende“ Veränderungen zu finden, sagte der pensionierte ehemalige Leiter der Botanischen Abteilung im Naturhistorischen Museum Wien gegenüber der APA.

Vorgänge wie in der südlichen Sahara

Riedl inspizierte vorwiegend im nördlichen Niederösterreich mikroskopische Pilze, die auf Pflanzenresten wachsen und sie abbauen. „Diese Pilze wurden mittlerweile so selten, dass der Streu (Anm. der Red.: der Abfall, der im Zuge der Vegetation übrig bleibt) die längste Zeit gar nicht mehr zersetzt wird“, erklärte er.

Durch die lange sommerliche Trockenheit seien die Veränderungen der Mikropilz-Flora, unter anderem im Waldviertel, heuer sogar im Ausmaß mit jenen Vorgängen vergleichbar, die er an Wüstenrandgebieten in Pakistan, im Iran und der südlichen Sahara beobachten konnte.

Mikropilze wurden stark dezimiert

Nicht nur die Menge, sondern auch die Vielfalt der Mikropilze wäre seit zumindest zehn Jahren stark zurückgegangen. Bei den kleinen Zersetzern würden sich Veränderungen schneller auswirken als bei Pflanzen, weshalb auch bei diesen eine starke Dezimierung des Artenreichtums zu befürchten sei. „In den 1970er und -80er-Jahren waren die Wälder voll von Mikropilzen verschiedenster Gruppen, heute sind manche davon ganz ausgefallen und bei anderen viele Arten verschwunden“, so Riedl.

Von den übrig gebliebenen seien die meisten dunkel gefärbt, denn der schwarze Farbstoff Melanin und dickere Zellwände böten diesen besseren Schutz vor Trockenheit, Hitze und Strahlung. Die Großpilze - also das, was man als Schwammerln sammelt - seien viel weniger betroffen als ihre mikroskopisch kleinen Verwandten.

Experte rät zur Vorsicht bei Schlägerungen

Der Experte rät, vor allem bei Schlägerungen sehr vorsichtig zu sein, sonst würde sich der Wald mitunter nicht mehr regenerieren. „Durch das Laubdach kann unterhalb im geschützten Bereich eine Verjüngung passieren, doch wenn es wegfällt, könnte sich nach einer größeren Schlägerung vermutlich kein intaktes Ökosystem mehr aufbauen“, sagte der Ökologe Harald Riedl. Außerdem solle man die Vorgänge in einer größeren wissenschaftlichen Studie untersuchen, damit man gegebenenfalls die passenden Maßnahmen finden und ausarbeiten kann.

Links: