Von der Grenzstadt zum Zuzugsgebiet

Bis vor 25 Jahren waren Grenzen noch durch den Eisernen Vorhang abgeschottet. Orte in Grenznähe, wie etwa Hainburg an der Donau, fristeten ein Dasein im toten Winkel. Das liegt lange zurück, heute ist alles anders.

Mehr als 40 Jahre lang war die Grenze zur CSSR gar nicht oder nur sehr eingeschränkt passierbar. Reisefreiheit gab es in dem totalitären kommunistischen Regime der damaligen Tschechoslowakei nicht. 800 Menschen kamen bis zum Jahr 1989 an der Grenze ums Leben - 129 bei Fluchtversuchen, der Rest waren Soldaten, die bei Unfällen im Minengürtel oder durch Suizid ihr Leben ließen. Hainburg an der Donau liegt direkt an der Grenze zur heutigen Slowakei. Die meisten der Bewohner und Bewohnerinnen sind mit dem eisernen Vorhang aufgewachsen.

„Wir waren eine relativ tote Stadt“

„Die Gegend hier war immer ein bisschen unsicher. In den 1970er Jahren sind zwei Flüchtlinge über die Donau geschwommen. Man hat sie erst vier Wochen später gefunden - erfroren. Ihre Körper waren mit Öl behandelt. Man konnte nicht mehr feststellen, ob sie von einem Schiff gesprungen waren oder vom anderen Ufer rüber gekommen waren. Das war sehr traurig“, sagt Egon Löbl, er ist Stadtrat in Hainburg. „Es ist da irgendwie ein beklemmendes Gefühl gewesen. Man wusste ja von der Gegenseite nichts. Als normaler Bürger hat man ja überhaupt keine Kontakte auf die andere Seite gehabt - also ich zumindest nicht. Das war natürlich sehr respekteinflößend“, so Vizebürgermeister Helmut Schmied. „Wir waren immer am Ende der Welt, eigentlich eine relativ tote Stadt. Sonntagnachmittag konnte man fast auf der Straße spazieren gehen, so ruhig war es. Und man hat eigentlich Angst gehabt, dass Hainburg ausstirbt“, sagt die ehemalige Hauptschuldirektorin Brunhilde Puhl.

Grenzen

ORF

Im Dezember 1989 wurde der Grenzzaun schließlich durchschnitten. Wenige Tage später marschierten 75.000 Slowaken und Slowakinnen über die Grenze nach Hainburg, um für ihre Reisefreiheit zu kämpfen. Ein Ereignis, das heute noch vielen in starker Erinnerung ist, wie dem ehemaligen Stadtrat Thomas Häringer.

„Wir haben da einen Anhänger organisiert, wir haben eine Tonanlage über die Donau gebracht und dann war hier ein improvisierter Festakt, mit ein bisschen Musik, mit Volksfeststimmung. Aber es war alles sehr friedlich, denn die Herzen der Menschen, die gekommen sind, waren offen.“ „Ich persönlich bin ein Freund der Reisefreiheit und ich bin ein Freund der offenen Grenzen und ich habe mich wahnsinnig gefreut. Ich habe immer gesagt, es ist ein Glück gewesen, dass wir einige Kilometer westlich gewohnt haben“, so Puhl.

Vor den Toren der Großstadt Bratislava

Am Donauufer der Slowakei wurde ein Herz aus Stacheldraht als Symbol für den Fall des Eisernen Vorhangs errichtet. Seit der Öffnung der Grenze vor 25 Jahren hat sich in Hainburg vieles verändert: Die Zeiten der Abwanderung sind vorbei, Hainburg hat sich in ein Zuzugsgebiet verwandelt. Neue Kindergärten werden gebaut, die Volksschule ist mit 250 Kindern die größte im Bezirk. Insgesamt 1.000 der etwa 6.000 Einwohner und Einwohnerinnen stammen mittlerweile aus der Slowakei. Hainburg liegt nun vor den Toren der Großstadt Bratislava. Das Verkehrsaufkommen hat deutlich zugenommen: Viele Slowaken und Slowakinnen kommen tageweise zum Einkaufen, auf dem Gelände des ehemaligen Austria Tabakwerks soll ein großes Einkaufszentrum entstehen.

TV-Hinweis:
Eine Reportage aus Hainburg an der Donau sehen Sie in „NÖ heute“, 19.00 Uhr, ORF 2 - live in der ORF TVthek.

Im Krankenhaus spricht ein Großteil des Personals slowakisch und auch die Donauauen und den Schlossberg nutzen die Nachbarn gern zur Erholung. „Für mich als junger Mensch, der selbst ein junger Familienvater ist, ist das natürlich erfreulich - weil ich hier aufgewachsen und bin und sehe, dass in der Stadt wieder was passiert und dass es aufwärts geht“, so der Vizebürgermeister Helmut Schmied.