Loley: „Es ist unmenschlicher geworden“

In wenigen Wochen feiert Maria Loley ihren 90. Geburtstag. Für ihr Engagement wurde die Flüchtlingshelferin, die eines der Briefbombenopfer von Franz Fuchs war, vielfach ausgezeichnet. Die heutige Gesellschaft kennzeichnet Gefühllosigkeit und Gleichgültigkeit, sagt sie im Interview.

Flüchtlingshelferin Maria Loley wurde für ihr Engagement mit zahlreichen Preisen international geehrt. 1994 zeichnete die UNO das Projekt „Flüchtlingshilfe Poysdorf“ aus: Ein Team von 50 ehrenamtlichen Helfern, schaffte es, in der Weinviertler Gemeinde mit 5.500 Einwohnern 145 Flüchtlingsfamilien (insgesamt 580 Personen aus den Kriegsgebieten des ehemaligen Jugoslawiens, aber auch Türken, Ägypter und Chinesen) zu integrieren und auch die Bevölkerung zu tatkräftiger Mithilfe zu ermutigen. Für diese „beispielhafte Leistung“ wurde dem Projekt der mit 100.000 Schilling dotierte UNHCR-Preis zugesprochen, der 1994 erstmals zur Vergabe gelangte.

Loley: „Noch immer kommt es zu Anfeindungen“

Während die UNO ihr Engagement für die „Flüchtlingshilfe Poysdorf“ auszeichnete, kam es im Ort selbst aber immer wieder auch zu Anfeindungen, weil die Flüchtlinge nicht bei allen willkommen waren. Kritische Worte, wie „Kümmern sie sich lieber um die Österreicher“ und „die nehmen uns die Arbeitsplätze weg“ gab es schon damals.

„Noch immer kommt es zu Anfeindungen, die mich persönlich überhaupt nicht berühren. Traurig machen sie mich schon, weil es lauter Todpunkte sind. Das sind kranke Punkte in unserer Gesellschaft, wo das Leben abgewürgt wird“ sagt Loley. Die Anfeindungen gegen ihre Person erlebten im Oktober 1995 einen Tiefpunkt. Sie wurde Opfer eines Briefbombenattentats.

Briefbomben waren „Hilfeschrei“ von Fuchs

Die Bilder von damals sind nach wie vor präsent für sie - die Briefbomben selbst, sieht Loley heute als Hilfeschrei von Franz Fuchs. „Ja, schon. Er war, und ich glaube richtig zu liegen, er war mehr Opfer als Täter. Aber das ist ein Lebensablauf, ein tragischer. Er war total isoliert. Ob er eine Hilfe angenommen hätte, kann niemand mit Sicherheit sagen, aber das ist kein Grund nichts zu tun.“

Unmittelbar nach dem Attentat ließ die Poysdorferin mit folgenden Zeilen aufhorchen. „Es ist sinnlos, mit Gewalt gegen die Schwächsten unserer Gesellschaft vorzugehen. Auch mit Gewalt in Worten. Letztlich bringt jede Gewaltanwendung den Täter selbst um. Ich verzeihe dem Täter und bete für ihn.“

Das Attentat habe einiges verändert, so Loley. „Dass ich das, was Angriff auf mein Leben ist, nicht das letzte Wort lassen haben darf, sondern die Vergebung. Wenn ich nicht grundsätzlich zur Vergebung bereit bin, nicht zu fragen, wie komme ich dazu, dass ich dem verzeihen soll, dann liege ich falsch. Entweder ich vergebe ihm und das von Herzen oder ich bin still“, so Loley.

Egoismus statt Mitgefühl

Nichts zu tun, zu sagen, es geht mich nichts an - Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit, ist für Loley ein Verhalten, das sie als „Hauptübel unserer Gesellschaft“ bezeichnet, in der es, so Loley, immer kälter werde. „Es ist in der Gesellschaft unmenschlicher geworden, das stellen viele fest und das erlebt man beinahe täglich. Weil das ‚Lass mich in Ruhe‘ im Vordergrund steht. Werden Sie mir nicht unangenehm, ich habe so viel am Buckel, ich brauche keine neuen Sorgen dazu - und dadurch hat man die Rollo schon heruntergezogen“, so Loley.

Maria Loley

ORF

Maria Loley

Dass die Gesellschaft kälter werde, dafür macht Loley den Egoismus der Menschen verantwortlich. „Ich will das haben und zwar möglichst schnell und möglichst nach meiner Vorstellung - das ist die Art und Weise des täglichen Lebens.“

Eine Zeit, in der es Flüchtlinge, Vertriebene und Hilfsbedürftige nicht leicht haben. „Ich müsste einfach die ersten Schritte wieder bewusster setzen. Da begegnet mir jemand, von dem ich nicht weiß, ist er Flüchtling, ist er arm oder reich, sondern - da begegnet mir ein Mensch. Ein Mensch, wie ich einer bin“, so Loley.

Wunsch zum 90. Geburtstag: „Mithelfer“

Maria Loley wurde am 22. November 1924 als ältestes von fünf Kindern eines Kleinbauern in Poysdorf geboren. Die ausgebildete Fürsorgerin startete 1981 privat organisierte Hilfsprojekte für Polen und baute im Jahr 1992 nach des Ausbruchs der Kämpfe in Jugoslawien in Poysdorf im Weinviertel ein Hilfsnetz für Kriegsflüchtlinge auf. Die ausgebildete Fürsorgerin ist auch heute noch für ihre Klienten da - zum 90. Geburtstag in wenigen Wochen hat sie einen speziellen Wunsch. „Mein sehnsüchtigster Wunsch wäre, Mithelfer zu finden.“ Damit die Idee des Füreinander Daseins und Mitmensch zu sein, weiterlebt.

Anna Wohlmuth, noe.ORF.at

Link: