Festmenü aus dem Sozialmarkt

Ein gediegenes Essen am Heiligen Abend ist für viele selbstverständlich, für andere kaum erschwinglich. Menschen mit geringem Einkommen können daher in Sozialmärkten einkaufen, die vor Weihnachten viele Sachspenden erhalten.

60 Kilogramm Rostbraten, fertig mariniert, nur noch zum Braten in der Pfanne: Eine nicht alltägliche Lieferung trifft dieser Tage im Sozialmarkt in St. Pölten ein. Fleisch in den Regalen ist hier eine Ausnahme. Der Fleischwarenbetrieb Nemetz aus Böheimkirchen (Bezirk St. Pölten) stellt allerdings bereits seit Jahren kurz vor Weihnachten kostenlos einen Teil seiner Erzeugnisse zur Verfügung, damit sie im Sozialmarkt zu günstigeren Preisen verkauft werden können. „Weihnachten ist ein Fest, bei dem gutes Essen dazugehört. Wir schöpfen alle aus relativ vollen Ressourcen. Es gibt genug Leute, die das nicht können“, sagt Geschäftsführer Johann Nemetz.

Christbäume, Kosmetikprodukte und Kekse

Auch ein Christbaumproduzent aus Obergrafendorf (Bezirk St. Pölten) unterstützt den Sozialmarkt. Erst am Freitag wurden 15 Bäume aus dem Pielachtal geliefert. „Ich finde, dass jeder zu Weihnachten einen Christbaum zuhause haben sollte, egal wie viel Einkommen er hat“, sagt Ludovico Tacoli von der Forst- und Gutsverwaltung Fridau. „Als Christbaumproduzent bleibt man natürlich jedes Jahr auch auf Bäumen sitzen, meist werden diese thermisch verwertet. Man kann somit die Überproduktion auf Leute abgeben, die sich ansonsten keinen Baum leisten können.“

Nicht nur beim SOMA in St. Pölten, sondern auch an den anderen Standorten treffen laufend Spenden ein. In Amstetten finanzierte das Landespflegeheim zwei Paletten Holzbriketts, die Pfarre Münchendorf kaufte für den Markt in Mödling Kosmetikprodukte. In Klosterneuburg (Bezirk Wien-Umgebung) strickten Bewohnerinnen des Pflegeheims in Kritzendorf für den Sozialmarkt, in Ternitz (Bezirk Neunkirchen) erhielten Heizkostenbezieher SOMA-Gutscheine von der Stadtgemeinde.

Schülerinnen und Schüler der HLW Tulln sammelten Weihnachtsgeschenke für die Kunden des dort ansässigen Sozialmarktes, in Stockerau (Bezirk Korneuburg) lieferte eine Frauengruppe selbstgebackene Weihnachtskekse. Dabei handelt es sich freilich nur um eine Auswahl.

SOMA St. Pölten

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Der SOMA St. Pölten hat kurz vor Weihnachten dank privater Spenden auch Christbäume im Angebot.

„Bekomme um 50 Euro alles, was man braucht“

In St. Pölten sperrt der Sozialmarkt in der Linzer Straße 24 um 10.00 Uhr auf. Bereits eine Viertelstunde vorher stellen sich zahlreiche Kunden vor der Tür an. Herbert Selek und seine Familie sind seit neun Monaten SOMA-Kunden. „Wir kaufen einmal pro Woche beim SOMA ein. Für uns ist das eine extreme Hilfe, weil man doch um 50 Euro alles bekommt, was man braucht.“

Der 53-Jährige hat eine Wirbelsäulen-Operation hinter sich und konnte seitdem nicht mehr am Arbeitsmarkt Fuß fassen. „Das Leben wird immer teurer. Da ist jeder Euro super, den man sich sparen kann“, so Selek. Er wünscht sich zu Weihnachten vor allem eines: „Dass ich vielleicht doch noch eine Arbeit finde, das wäre schon super.“

SOMA in Niederösterreich:

  • Amstetten
  • Klosterneuburg
  • Mödling
  • St. Pölten
  • Stockerau
  • Ternitz
  • Tulln
  • Waldviertel (mobiler SOMA)
  • Mostviertel (mobiler SOMA)

11.100 Kunden in Niederösterreich

In Niederösterreich gibt es mittlerweile neun SOMA-Märkte, 11.131 Menschen sind berechtigt, dort zu günstigeren Preisen einzukaufen. Voraussetzung dafür ist, dass das monatliche Einkommen in einem Einpersonenhaushalt maximal 900 Euro beträgt, in einem Zweipersonenhaushalt höchstens 1.350 Euro, für jede weitere Person sind 120 Euro zu addieren.

Im Durchschnitt kaufen täglich 615 Menschen in den Geschäften ein. Der Ansturm ist nicht nur jetzt zur Weihnachtszeit enorm. „Wir zählen zu den wenigen Firmen, die nicht glücklich sind, wenn das Geschäft besser läuft“, sagt SOMA-Geschäftsführerin Christine Krampl. „Unser Ziel muss sein, dass niemand vor dem Geschäft steht, wenn wir am Vormittag aufsperren. Davon sind wir aber leider weit entfernt, wir verzeichnen laufend steigende Kundenzahlen“, sagt Krampl im Interview mit noe.ORF.at.

SOMA St. Pölten

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Der Andrang auf die Sozialmärkte ist nicht nur jetzt vor Weihnachten enorm, die Zahl der Kunden steigt laufend.

noe.ORF.at: Den Sozialmarkt hier in St. Pölten gibt es nun seit elf Jahren. Wie hat sich seit damals die Zahl der Kunden verändert?

Christine Krampl: Vor elf Jahren hatten wir am Tag fünf bis 15 Kunden, mittlerweile sind täglich 180 bis 230 Kunden hier in St. Pölten im Geschäft. Das hat natürlich auch mit dem zunehmenden Angebot zu tun. Wenn es mehr Ware gibt, kommen mehr Menschen. Es sinkt aber auch die Hemmschwelle. Menschen, die berechtigt sind, in Sozialmärkten einzukaufen, nehmen das auch wirklich in Anspruch.

noe.ORF.at: Wer sind die Kunden in den Sozialmärkten?

Krampl: Die Kunden sind kunterbunt. Hauptsächlich sind es Österreicher, sehr viele alleinerziehende Frauen, Bezieher einer Mindestpension, aber auch Menschen mit Migrationshintergrund, krankheitsbedingte Frühpensionisten und generell Arbeitslose. Eine Gruppe, die zuletzt immer mehr wird, ist jene der ‚working poor‘. Das sind vor allem Frauen, die zwar arbeiten gehen, aber so wenig verdienen, dass sie damit nicht über die Runden kommen.

noe.ORF.at: Wie funktioniert das SOMA-Prinzip?

Krampl: Die Lieferanten sind kunterbunt wie die Kunden. Wir bekommen Produkte vom Handel, von Handelsketten, von Zentrallagern und Lebensmittelproduzenten, aber auch von Bauern, die geringe Mengen von Gemüseüberschüssen und Obst liefern, das nicht der EU-Norm entspricht. Es handelt sich um eine win-win-win-Situation: Der Handel spart sich die Entsorgungskosten, die Kunden kommen günstig zu guten Lebensmitteln und wir haben in den SOMA-Märkten die Möglichkeit, Menschen zu beschäftigen, die nur schwierig eine Arbeit finden würden.

noe.ORF.at: Woher kommt die Idee für Sozialmärkte und was steckt dahinter?

Krampl: Die Idee ist ursprünglich in Oberösterreich an einem Stammtisch entstanden. Es gibt viele verzehrtaugliche Lebensmittel, die entweder kurz vor dem Ablauf stehen, falsch etikettiert sind oder deren Verpackung beschädigt ist. Damals wurde beschlossen, diese Produkte in Sozialmärkten anzubieten. Der Verein SAM Niederösterreich hat die Idee für Niederösterreich übernommen, der erste SOMA im Bundesland wurde am 15. November 2004 in St. Pölten eröffnet.

Das Gespräch führte Thomas Koppensteiner, noe.ORF.at

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