Pfarrer aus Nigeria: „Es war ein Kulturschock“

Der Pfarrer von Pottenbrunn (Bezirk St. Pölten), Sabinus Iweadighi, stammt aus Nigeria. „Es war ein Kulturschock“, erinnert er sich an seine ersten Tage in Österreich. Die Kälte, das Essen, die Mentalität - alles war fremd.

Im Mostviertler Trachtenanzug empfängt uns der gebürtige Nigerianer an der Haustür zum Pfarrzentrum in Pottenbrunn. „Den habe ich von meiner Pfarrgemeinde geschenkt bekommen - als Zeichen dafür, dass meine Integration abgeschlossen ist“, erzählt er lachend. 1994 war er nach Österreich gekommen, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. 1998 wurde er in Oberndorf an der Melk (Bezirk Scheibbs) zum Priester geweiht, er war Kaplan in Pöchlarn und Tulln und ist seit 2005 Pfarrer in Pottenbrunn.

noe.ORF.at: Wie ist es dazu gekommen, dass Sie von Nigeria nach Österreich gekommen sind?

Sabinus Iweadighi: Ich bin ein Spätberufener. Ich wollte ursprünglich Arzt werden und hatte bereits diesen Berufsweg eingeschlagen, bevor ich spürte, dass ich Priester werden möchte. In meiner Familie war das sicherlich ein Aufruhr, dass ich das Medizinstudium aufgegeben habe, um Priester zu werden. Ich glaube aber, dass es Gottes Wille war. In Nigeria habe ich vier Jahre lang Theologie studiert. Am Ende des Studiums hat mich der Bischof zum Studium nach Österreich geschickt.

noe.ORF.at: Wie war das Ankommen in Österreich? Gab es Startschwierigkeiten?

Sabinus Iweadighi: Wir sind zu zweit gekommen, das machte alles etwas leichter. Wir waren im ersten Jahr in einem geschützten Raum, im Seminar mit netten Kollegen. Heimweh haben wir nicht gespürt, nur die Kälte hat uns zu schaffen gemacht. Wir haben uns aber auch der Kälte gestellt. Der Pfarrer von Oberndorf ist ein guter Skifahrer, er hat mir Skifahren beigebracht.

Für jeden, der neu hierher kommt, ist es zunächst einmal ein Kulturschock. Das Essen, die Mentalität, wie man hier lebt und redet – alles ist anders, als man es gekannt hat. So war es auch bei mir. Das ist aber normal. Im Laufe der Zeit gewöhnt man sich an die Situation. Was das Essen betrifft, habe ich fast alles gegessen, sogar Kraut. Nur saure Marillenknödel mag ich nicht.

noe.ORF.at: In Niederösterreich gibt es viele ausländische Pfarrer – aus Indien, Polen, Afrika. Wie sehen Sie diese „Verstärkung aus dem Ausland“?

Sabinus Iweadighi: Es ist ein Zeichen der Weltkirche, dass wir alle Schwestern und Brüder sind. Europa hat uns den Glauben gebracht und ist so wie unsere Eltern im Glauben. Wenn Kinder ihren Eltern zu Hilfe kommen, sehe ich es als eine normale menschliche Vorgangsweise. Ich sehe mich nicht als Missionar, sondern als eine Kirche, egal wo es ist. Es heißt: Wohin auch immer du gesendet wirst, dorthin sollst du gehen. Ich glaube, es sollte keine Angst hervorrufen, sondern ein Zeichen der Dankbarkeit sein.

noe.ORF.at: Sie helfen selbst auch jungen Priestern aus Nigeria, hier in Österreich Fuß zu fassen. Wie läuft das konkret ab?

Sabinus Iweadighi: Derzeit leben zwei Priesteranwärter aus Nigeria bei mir in Pottenbrunn. Ich versuche, sie in die österreichische Mentalität und Kultur, die ich schon assimiliert habe, einzuführen und ihnen beizubringen, wie man sich hier integrieren und einleben kann, worauf man achten soll. Ich verstehe die Mentalität beider Seiten. Ich habe schon fast fünf Priester aus Nigeria begleitet, die nun in Österreich arbeiten.

Sabinus Iweadighi Pfarrer Pottenbrunn Ausland

ORF

Trommeln und afrikanische Gesänge sind immer wieder Bestandteil der Gottesdienste in Pottenbrunn

noe.ORF.at: Werden aktiv Priester in Nigeria gesucht, die sich vorstellen könnten, in Österreich zu arbeiten?

Sabinus Iweadighi: Die meisten sind als Studenten hierher gekommen, sie wurden vom Bischof nach Österreich geschickt. Wenn er uns wieder braucht, holt er uns wieder nach Nigeria. Es gibt dann noch andere, die über eine Vereinbarung zwischen den beiden Diözesen gekommen sind. Sie kommen zum Beispiel zunächst für fünf Jahre und danach sieht man weiter. Es ist eine gegenseitige Abmachung, die zustande gekommen ist.

noe.ORF.at: Sie haben von Ihrer Pfarrgemeinde einen Mostviertler Trachtenanzug geschenkt bekommen - als Zeichen dafür, dass Ihre Integration abgeschlossen ist. Würde für Sie eine Rückkehr nach Nigeria überhaupt noch in Frage kommen?

Sabinus Iweadighi: Eine Rückkehr hängt am Bischof. Wenn er sagt, dass ich morgen nach Hause kommen soll, dann werde ich meine Sachen packen und heimgehen. Ich bin aber natürlich schon ein Teil des Mostviertels und „Mostviertler“ ist auch bereits ein Begriff in meiner Heimat. Um die Verbindung dieser zwei Kulturen zu etablieren, haben wir in unserem Dorf in Nigeria ein Schulzentrum gebaut, das nach dem Heiligen Leopold benannt ist.

Missionsprojekt

Mit dem Kauf eines Bausteines um fünf Euro kann man das Schulprojekt im Heimatdorf von Pfarrer Sabinus unterstützen - mehr dazu in Schule für Nkwumeato (Pfarre Pottenbrunn)

noe.ORF.at: Was ist die Idee hinter diesem Schulzentrum in Nigeria?

Sabinus Iweadighi: Meine Eltern sind nicht so wohlhabend, andere haben es ermöglicht, dass ich in die Schule gehen konnte. Wenn andere das für mich nicht getan hätten, wäre ich heute nicht hier. Es gibt viele Kinder, die gerne in die Schule gehen möchten, ich selbst bin erst spät in die Schule gekommen. Ich weiß, wie es ist, wenn man möchte, aber nicht kann, weil sich die Eltern das vielleicht nicht leisten können. Es war mir daher ein Anliegen, diesen Kindern zu helfen.

Schule ist heute die beste Entwicklungshilfe. Es gibt einen Spruch: Wenn ich heute Hunger habe und sie geben mir heute zu essen, haben sie mich für einen Tag ernährt. Aber wenn sie mich fischen lehren, haben sie mich für das Leben ernährt. Ich bin sehr dankbar, was heute aus dieser Initiative geworden ist. Es sind 450 Kinder, großteils von ärmeren Familien, die sehr dankbar sind, dass sie in die Schule gehen können und Bildung bekommen. Danke an alle, die uns bis jetzt geholfen haben und ich bitte auch noch weiterhin um Unterstützung. Es ist noch viel zu machen.

Das Gespräch führte Thomas Koppensteiner, noe.ORF.at

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