Von der Torwartlegende zum Analytiker

Vor acht Jahren holte die Torwartlegende Helge Payer mit SK Rapid Wien den Meistertitel. Mittlerweile betreibt Payer eine Torwartschule in Niederösterreich. Für noe.ORF.at wird er die Spiele der Fußball-Europameisterschaft analysieren.

Helge Payer zählt zu den wenigen, die sich vom Rapid-Nachwuchs bis zu den Profis hocharbeiten konnten. Jahrelang zählte Payer als Torhüter zur Stammformation des SK Rapid Wien, unter anderem verhalf er den „Grünen“ vor acht Jahren zum Meistertitel. 2012 wechselte er nach Griechenland und beendete ein Jahr später seine Karriere.

Heute betreibt Payer eine Torwartschule mit Standorten in Enzesfeld-Lindabrunn (Bezirk Baden) und in Himberg (Bezirk Wien-Umgebung). Ab 9. Juni meldet sich die Torwartlegende auch täglich auf Radio Niederösterreich sowie auf noe.ORF.at mit seinem Fußball-EM-Tagebuch „Bonjour Paris“. Im Gespräch mit Anne-Maria Neubauer erzählt Payer unter anderem, wie er sich auf die Europameisterschaft vorbereitet.

Torwart SK Rapid Helge Payer

ORF

Torwartlegende Helge Payer (li.) im Gespräch mit Anne Maria Neubauer

noe.ORF.at: Herr Payer, sprechen Sie eigentlich Französisch?

Helge Payer: Je comprend, ich verstehe viel. Bei uns zuhause wird nur Französisch gesprochen, da meine Frau Belgierin ist und meine Tochter ins Lycee Francais geht. In Frankreich komme ich auch gut durch. Schwierig wird es erst, wenn ich mit vier oder fünf Leuten an einem Tisch sitze und eine Konversation führen soll. Mit meinem täglichen EM-Tagebuch auf Radio Niederösterreich versuche ich die Leute jedenfalls ein bisschen nach Paris mitzunehmen, damit sie die Stimmung dort mitbekommen.

noe.ORF.at: Sie haben 2013 Ihre aktive Tormann-Karriere beendet, nachdem Sie ein Jahr lang in Griechenland gespielt haben. Was war da der Hintergrund?

Helge Payer: Ich hatte in Griechenland ein paar Probleme. Ich habe nicht alles so gemacht, wie der Trainer das wollte. Als älterer Spieler nimmst du dir manchmal vielleicht sogar ein bisschen zu viel heraus. Ich habe dann zwei Möglichkeiten gehabt: Ich hatte ein Angebot aus Paris und ein Angebot des ORF. Der Job als ORF-Experte hat mich mehr interessiert, weil ich da mit Liebe und Herz den Zuschauern den Fussball noch näher bringen kann. Das ist ein Job, der mir irrsinnig Spaß macht.

noe.ORF.at: Jetzt dürfen Sie zwar nicht als Spieler, aber als Experte nach Paris. Dabei hätten Sie eigentlich bei der EM 2008 schon im Tor des Nationalteams stehen sollen.

Helge Payer: Damals war es für mich ein großer Schock. Zehn Tage vor der EM habe ich plötzlich große Schmerzen in Nierenbereich bekommen. Nach der Untersuchung hat der Arzt zu mir gesagt, dass die Europameisterschaft für mich vorbei sei, aber dass ich am Leben bleiben würde. Diese Aussage hat für mich alles relativiert. Ich bleibe lieber am Leben, bevor ich bei der Europameisterschaft spiele und dann dort kollabiere. Den Schock habe ich schnell verdaut, ich weine dem auch nicht mehr nach.

noe.ORF.at: Wie bereitet man sich als Kommentator und Experte am besten auf eine EM vor?

Helge Payer: Das Gute ist, dass ich jetzt schon weiß, bei welchen Spielen ich als Kommentator zum Einsatz komme. Außerdem habe ich mir schon davor die wichtigsten Spiele angeschaut und da bleibt natürlich auch vieles hängen. Aber selbst wenn man gut vorbereitet ist, muss man am Tag X die Spiele dann spontan beurteilen können.

noe.ORF.at: Sie waren fast so etwas wie ein Nationalheld und heute sind Sie Familienvater. Wie verschieben sich da die Prioritäten?

Helge Payer: Meine Familie ist für mich das Allerwichtigste, auch wenn es vielleicht einmal ein schlechterer Tag gewesen ist. Wenn ich nach Hause komme und meine Tochter sagt ‚Papa, ich habe dich vermisst‘, dann ist es ganz egal, was tagsüber passiert ist, weil das das Wichtigste ist. Alles andere ist nur eine Zugabe.

noe.ORF.at: Gemeinsam mit Ihrem Vater haben Sie die Helge Payer-Torwartschule gegründet. Haben Sie da schon ein paar Rohdiamanten entdeckt?

Helge Payer: Mittlerweile gibt es uns schon seit fast elf Jahren. Damals haben wir die Schule gegründet, weil viele Vereine noch keine Tormanntrainer hatten. Mittlerweile spielen einige unserer Schüler in der zweiten Liga, andere sitzen in der Bundesliga bereits als Ersatztorhüter auf der Bank. Unsere ältesten Schüler sind jetzt 18 Jahre alt. In ein paar Jahren haben es die ersten vielleicht schon in die Stammformation geschafft. Darauf sind wir jetzt schon stolz.

noe.ORF.at: Welchem Land rechnen Sie bei der EM die größten Chancen aus?

Helge Payer: Es hat noch nie so viele Mannschaften gegeben, die den Titel holen könnten und da zähle ich auch Österreich dazu. Österreich hat definitiv eine Mannschaft, die das erreichen kann. Ich denke daran, was Griechenland 2004 erreicht hat. Aber ich möchte mich jetzt noch nicht festlegen, weil ich ja die Spiele für den ORF kommentieren werde. Darauf freue ich mich eigentlich schon am meisten.

Das Gespräch mit Helge Payer führte Anne-Maria Neubauer, noe.ORF.at.