Leopoldi hat „Stimmung für Regierung gemacht“

Hermann Leopoldi gilt als einer der Urväter des Wienerliedes. Sein Sohn Ronald verwaltet das Erbe des 1959 verstorbenen Künstlers. Im Gespräch mit noe.ORF.at sagt er, dass sein Vater einst „Stimmung für die Regierung gemacht hat“.

Mehr als 400 Lieder komponierte Hermann Leopoldi (1888-1959) im Laufe seines Lebens, darunter Klassiker wie „Schön ist so ein Ringelspiel“ oder „Das kleine Kaffee in Hernals“. Robert Friess besuchte seinen Sohn Ronald Leopoldi für noe.ORF.at in dessen Haus im Wienerwald.

noe.ORF.at: Herr Leopoldi, in diesem Haus finden sich viele Erinnerungsstücke an Ihren Vater. Wie ist Ihr Vater eigentlich zur Musik gekommen?

Ronald Leopoldi: Der Großvater hat zehn Instrumente gespielt und hat sich einen Großteil selbst beigebracht. Später hat er unter Professor Hellmesberger am Konservatorium studiert. Der Großvater hat meinen Vater und seinen älteren Bruder Ferdinand im Klavierspielen und in musikalischen Dingen gedrillt.

noe.ORF.at: Es hat damals nach dem Ersten Weltkrieg großen Bedarf an Unterhaltung gegeben, damals war auch die große Zeit Ihres Vaters.

Leopoldi: Ja, es gab keine Massenmedien, daher war man auf die Kunst der Leute angewiesen. Er hat Klavier gespielt und wunderbare Textautoren gehabt zu dieser Zeit, er hat die Stücke vorgetragen, das war seine Kunst. Er hat dann später im Ronacher begonnen.

Interview anlässlich Hermann Leopoldi

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Robert Friess (links) im Gespräch mit Ronald Leopoldi

noe.ORF.at: Das war die Zeit, in der es kein Fernsehen gegeben hat, das Kino war noch kaum verbreitet, die Theater allerdings waren in Wien voll.

Leopoldi: Sie waren voll, man hat auch sehr viele Revuen geschrieben zu dieser Zeit. Er hat auch einige Revuen mit Karl Farkas, Fritz Grünbaum und so weiter geschrieben. Auch Zeitgeschichtliches - singender Journalismus wurde mit hübschen Darstellern in die Revue verpackt.

noe.ORF.at: Dann kam die Zeit des Nationalsozialismus. Alle Zeichen sind auf den Anschluss von Österreich an Deutschland gestanden und Ihr Vater - er war Jude - hat noch versucht, aus Österreich zu kommen.

Leopoldi: Er war 1938 mit seiner Frau zum Opernball bei Kanzler Schuschnigg in der Loge eingeladen. Auch der damalige Innenminister Seyß-Inquart war anwesend, und Schuschnigg hat um 2.00 Uhr Früh gesagt „Kommt doch alle zu mir nach Hause." Mein Vater hat sich zum Klavier gesetzt, hat dort ein wenig gespielt und vorgetragen und Seyß-Inquart hat dann zu ihm gesagt: „Na, Herr Leopoldi, sind Sie doch so nett und spielen endlich des Lieblingslied vom Herrn Schuschnigg“, daraufhin hat mein Vater gefragt „Na, was ist denn das Lieblingslied vom Herrn Schuschnigg?“, sagt er „Na, sag’ zum Abschied leise Servus“.

Zwei Wochen später ist Hitler einmarschiert und wir wissen ja alle, was dann passiert ist. Deswegen hat man meinen Vater dann als Freund und Bekannten von Schuschnigg sofort verhaftet. Er kam dann mit dem ersten sogenannten Prominententransport nach Dachau. <<

Interview anlässlich Hermann Leopoldi

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Hermann Leopoldi gilt als einer der Urväter des Wienerliedes

noe.ORF.at: In Dachau war er dann interniert, ist aber ein Jahr später freigekommen, das hat den Grund gehabt, dass er quasi freigekauft werden konnte.

Leopoldi: Seine Schwiegereltern sind schon viel früher nach Amerika ausgewandert, die Frau konnte fliehen und die Schwiegereltern haben ihn dann mit dem sogenannten Affidavit freigekauft, das ging 1939 am Anfang noch. Er ist dann von Dachau nach Buchenwald überstellt worden, hat dort mit Fritz Löhner-Beda, dem berühmten Librettisten von Franz Lehar, den Buchenwaldmarsch geschrieben, und kurz danach ist er freigekauft worden. Löhner-Beda ist umgekommen, Fritz Grünbaum und viele, viele andere sind im KZ dann umgekommen.

noe.ORF.at: Reden wir über die Zeit in den USA. Damals waren sehr viele deutschsprachige Migranten in den USA. War das ein Programm, das er nur für Migranten gemacht hat oder auch für US-Amerikaner?

Leopoldi: Das Programm war für alle. Die Immigranten hatten viel zu wenig Geld, um zu ihm in sein Lokal zu kommen oder in das Lokal, in dem er gearbeitet hat. Er hat dann in Amerika meine Mutter kennengelernt und sie hat auch die Texte übersetzt. Bei ihm im Lokal waren Fritz Kreisler, Ingrid Bergman und viele Filmschauspieler. Auch Szöke Szakall, der mit ihm schon in Wien in seinem Lokal in der Rothgasse gearbeitet hat, ein ungarischer Komiker, der in dem Film „Casablanca“ einen Kellner spielt.

Die ganze Filmcrew von Metro-Goldwyn-Mayer war dort und hat sich blendend unterhalten. Die Wiener Atmosphäre hat ihnen sehr gefallen und auch den Amerikanern. Das Lokal war täglich ausverkauft. Er hatte das große Glück, dass er mit seiner Musik die Leute begeistern konnte. Die Künstler, die auf die Sprache hauptsächlich angewiesen waren, hatten es natürlich sehr schwer, wie Farkas und so weiter. <<

noe.ORF.at: Ihre Mutter Helly Möslein war zunächst die Partnerin Ihres Vaters beim Singen, später dann seine Lebenspartnerin.

Leopoldi: Meine Mutter wurde 1914 in Wien geboren, ist 1925 mit ihren Eltern als Wirtschaftsflüchtling nach Amerika ausgewandert, kam 1929 zurück und hat am Konservatorium Gesang und Klavier studiert. Wie 1933/34 in Deutschland die Nationalsozialisten kamen, hat mein Großvater darauf bestanden, dass sie sofort nach Amerika zurückkehrt. Sie war fürchterlich unglücklich, sie hatte als Opernsoubrette schon einen Posten in Troppau und hätte dort sicher auch eine schöne Kariere gemacht.

Sie hat dann in Chicago und New York als Sängerin gearbeitet, ist auch mit Opernleuten herumgefahren. 1939 ist sie zufällig in New York gewesen, dort hat sie meinen Vater kennengelernt, der sie natürlich sehr gut brauchen konnte. Sie war damals relativ jung, hübsch und konnte singen, Klavierspielen und hat mit ihm drüben eine weitere Kariere gehabt.

Interview anlässlich Hermann Leopoldi

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Hermann Leopoldi wurde mit Liedern wie „In einem kleinen Cafe in Hernals“, „Schnucki, ach Schnucki“ und „I’ bin a stiller Zecher“ berühmt

noe.ORF.at: Hat es mit dem Kriegsende 1945 gleich Bestrebungen Ihres Vaters gegeben, wieder zurückzukommen?

Leopoldi: Nein, eigentlich überhaupt nicht. Meine Mutter hat in New York eine Radiosendung gehabt, die sehr gut funktioniert hat. Mein Vater ist am Broadway aufgetreten und zwar in einem Musical von Frederick Loewe und Alan Ja Lerner. Lerner war Amerikaner, Fritz Löwe ein Österreicher, der sich als Pianist sein erstes Geld mit den Liedern meines Vaters verdient hat. Der berühmte Komponist der vielen Musicals hat dort am Broadway gearbeitet. Im Sommer haben sie in den Catskill Mountains Engagements gehabt, und sind aber auch durch ganz Amerika getourt.

1946/47 haben die österreichische Regierung - Unterrichtsminister Hurdes - und der Wiener Stadtrat Matejka immer wieder Telegramme geschickt, sie mögen doch bitte zurückkommen, er möge kommen, Österreich brauche ihn dringend, um gute Stimmung zu machen, weil hier alles zerbombt ist. Aus diesem Grund ist er dann nach Österreich zurückgekommen. <<

noe.ORF.at: Er war dann wieder der gefeierte Star, der er nach dem Ersten Weltkrieg war, und ist auch wieder in den Revuen aufgetreten. Wie wichtig war seine Rolle dann in Österreich beim Wiederaufbau?

Leopoldi: Er hat gute Stimmung gemacht, hat die Lieder und Texte an die Situation angepasst und sehr wichtig, glaube ich, war er auch für den Staatsvertrag. Meine Eltern waren ständig eingeladen im Rathaus und überall, um gute Stimmung für die Regierung zu machen, sie waren in Schweden mit Kreisky und haben für die Wiener Kinder gesammelt.

Das Wichtigste war einfach, gute Stimmung zu machen. Meine Mutter hat für die Amerikaner und Engländer gesungen, und für die Russen natürlich haben sie russische Lieder komponiert und vorgetragen, um einfach gute Stimmung zu machen. <<

noe.ORF.at: 1959 ist Ihr Vater dann plötzlich gestorben, knapp über 70, an einem Herzinfarkt. Wie groß ist Ihre Erinnerung an ihren Vater? Sie waren damals erst vier Jahre alt.

Leopoldi: Die Erinnerung ist noch recht gut, ich habe aber viele Geschichten von meiner Mutter gehört, die bis 1998 gelebt hat. Sie hat mir auch sehr viele Dinge erzählt.

Interview anlässlich Hermann Leopoldi

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Roland Leopoldi verwaltet das Erbe seines 1959 verstorbenen Vaters

noe.ORF.at: Ihr Vater gilt als Urwiener Komponist von Wienerliedern – in Wien geboren, in Wien gestorben, aber er hat seine Wurzeln hier in Niederösterreich im Wienerwald.

Leopoldi: Ja, mein Urgroßvater ist aus Ungarn eingewandert, mein Großvater wurde 1860 hier geboren. Von da sind sie dann alle um 1880/1882 nach Wien übersiedelt.

noe.ORF.at: 1954 hat Ihre Mutter das Haus in Niederösterreich gekauft und Ihr Vater hat selbst bis zu seinem Tod 1959 einige Jahre hier verbracht.

Leopoldi: Ja, er war hier, hat sich hier sehr wohl gefühlt und ich bin hier bei meiner Tante aufgewachsen, weil meine Eltern ja ständig auf Tournee waren, von 1955 bis ich in die Schule nach Wien kam, ich habe mich sehr wohlgefühlt hier.

noe.ORF.at: „Schön ist so ein Ringelspiel“ war der größte Hit Ihres Vaters.

Leopoldi: Ja, da gibt es eine ganz lustige Geschichte, wie das „Ringelspiel“ entstanden ist. Mein Vater ist irgendwann einmal vom Trabrennplatz durch den Prater gegangen und sieht vor einem Ringelspiel eine wunderschöne junge Dame. Es geht der Wind, der ihren Rock in die Höhe hebt. Mein Vater sieht das und sagt „Na, schön ist so ein Ringelspiel“. Daher kommt also diese Textzeile, Peter Herbst hat dann den Text um diesen Ausspruch geschrieben.

Das Gespräch mit Ronald Leopoldi führte Robert Friess, noe.ORF.at

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