Doderer-Uraufführung in Reichenau

„Die Dämonen“ von Heimito von Doderer sind ein Jahrhundertroman. Bei den Festspielen Reichenau wurde eine Dramatisierung des Romans uraufgeführt. Die Bühnenfassung komprimiert 1.345 Seiten auf zweieinhalb Stunden.

Die Festspiele Reichenau (Bezirk Neunkirchen) führten schon im Sommer 2009 Doderers „Strudlhofstiege“ in einer neuen Bühnenfassung von Schauspieler, Autor und Dramaturg Nicolaus Hagg im Südbahnhotel auf. Nun nahmen sich die Festspiele und Hagg jenem Werk an, das Doderer selbst als sein Hauptwerk angesehen hat, den „Dämonen“.

Stück beschreibt Atmosphäre der Zwischenkriegszeit

Doderers „Dämonen“ beschreiben mit privaten und familiären Geschichten die bedrückende Atmosphäre der Zwischenkriegszeit in Wien. Eine Welt wird gezeigt - so auch im Stück -, die am Rande des Abgrundes steht. Rückgrat der dramatisierten Geschichte bildet die Chronik des „Herrn von Geyrenhoff“. „Er zeichnet ein Bild von Menschen, die mit großen Anstrengungen und Verzweiflung, aber auch einer gehörigen Portion österreichischen Humors versuchen, nach den traumatisierenden Erlebnissen des Ersten Weltkriegs wieder zurückzufinden, in das, was von ihrem Leben übrig geblieben ist“, schreibt Hagg in seiner Stück-Einführung im Programmheft.

Aus 148 Romanfiguren kreierte Hagg für die Bühnenfassung 18 Theaterrollen. „Das Theater braucht was Anderes. Man muss was anderes erzählen. Das Theater ergibt sich aus den Beziehungen, die da sind und da muss man Szenen und Schauplätze erfinden. Da muss man Figuren erfinden“, sagt Hagg, mit dem die Festspiele Reichenau schon seit vielen Jahren zusammenarbeiten.

Regisseur Beil setzt auf „Schauspielertheater“

Im Stück führen Rückblenden in die Wirren der Zwischenkriegszeit. Es entwickeln sich komplexe private Szenarien der Protagonisten. Später geht es um die tödlichen Schüsse im burgenländischen Schattendorf. Sie waren die Auslöser für den Justizpalastbrand 1927, in dem das Werk Doderers mündet. „Diese Partitur umfasst einen wichtigen Zeitraum der österreichischen Geschichte, nämlich die Zwischenkriegszeit. Aber es wird auch spürbar, welche Folgen der Justizpalastbrand hat“, sagt Regisseur Hermann Beil, der in seiner Inszenierung voll und ganz auf Schauspielertheater setzt.

Auf der Bühne spielt - wie so oft in Reichenau - ein Starensemble. Neben den Reichenau-Publikumslieblingen Julia Stemberger und Joseph Lorenz spielen unter anderem auch Peter Matić, David Oberkogler, André Pohl, Rainer Frieb und Thomas Kamper.

Lebendiges Zeitdokument

Besonders interessant erscheint das Bühnenbild von Intendant Peter Loidolt. Es sind mobile Buchstabenkonstrukte des Wortes „Dämonen“. „Der Roman hat über 120 Locations. Das kann man nicht darstellen. Nach Überlegungen habe ich mich entschieden, das zu nehmen, was wichtig ist, Doderer und Dämonen“, sagt Loidolt.

Mit der Dramatisierung der „Dämonen“ machen die Festspiele Reichenau eines der wichtigsten österreichischen zeitgeschichtlichen Werke wieder lebendig. Auch in der Bühnenfassung ist das Doderer-Werk ein historisches Zeitdokument, das niemals in Vergessenheit geraten sollte.

Benedikt Fuchs, noe.ORF.at

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