Duell der Melzer-Brüder in Kitzbühel

Nach seinem sensationellen Sieg über Dominic Thiem bekommt es Jürgen Melzer im Viertelfinale des Tennisturniers von Kitzbühel mit seinem Bruder Gerald zu tun. Ein Szenario, das beide eigentlich vermeiden wollten.

Die 5.400 Zuschauer staunten nicht schlecht, als Jürgen Melzer am Mittwoch im Spiel gegen Dominic Thiem nach 77 Minuten zum Matchball aufschlug. Thiem, der bisher die beste Saison seiner Karriere spielt, agierte zu fehlerhaft, Melzer nützte die Chancen, die sich ihm boten. „Das Rezept war eine perfekte Taktik, natürlich gehört aber immer auch das eine oder andere Quäntchen Glück dazu, wenn man einen Top-Ten-Spieler schlagen will“, meinte Melzer nach dem überraschenden Sieg.

Melzer gelang damit auch die späte Revanche für das Aufeinandertreffen im Jahr 2013. Damals unterlag Melzer dem 19-jährigen Thiem glatt in zwei Sätzen. Thiem selbst zeigte sich nach der Niederlage gegen die Nummer 421 der ATP-Weltrangliste enttäuscht, strich aber auch die starke Leistung von Melzer hervor. „Hochachtung vor Jürgen, er hat eine super Leistung gebracht. Er war einfach stark, ich habe viel zu viele Fehler gemacht“, so Thiem, der auch von körperlichen Defiziten nach seiner Krankheit sprach.

Jürgen und Gerald Melzer

APA/EXPA/Johann Groder

Gerald und Jürgen Melzer während einem Doppel in Kitzbühel im Juli 2014

„Der schlimmste Tag in meiner Karriere“

Was heute im Viertelfinale folgt, kennt man im Tennis nur von den Williams-Schwestern – ein familieninternes Duell auf höchstem Niveau. Jürgen Melzer erinnert sich gern an die alten Zeiten, in denen er und sein Bruder Gerald gemeinsam die Karriere-Leiter hochgeklettert sind. „Ich habe dem Kleinen seinen ersten Schläger geschenkt, habe versucht, ihm alles Wissen, das ich habe, weiterzugeben.“ In einem früheren Interview betonte er, wie unangenehm das bisher einzige Aufeinandertreffen der beiden Brüder 2015 in der Qualifikation in Wimbledon war: „Das war der schlimmste Tag und das schwierigste Match in meiner Karriere. Ich bin mir nicht sicher, ob er damals gewinnen wollte. Gegen den eigenen Bruder zu spielen, ist schon eine sehr emotionale Sache.“

Gerald Melzer vor dem Einzug in die Top-100

Doch die Konstellation hat auch Vorteile. Durch den klaren 6:3, 6:1-Sieg von Gerald Melzer im Achtelfinale wird der 26-Jährige nach dem Turnier in Kitzbühel voraussichtlich erstmals in seiner Karriere im ATP-Ranking unter den besten 100 Spielern der Welt zu finden sein. „Es war für mich aber noch viel bedeutender, vor dem Heimpublikum gut zu spielen, Spaß auf dem Platz zu haben und den Leuten etwas zu bieten“, so Melzer. Spaß soll jetzt auch das Viertelfinale gegen seinen großen Bruder machen. Auch Ex-Profi Alexander Antonitsch, aktuell Turnierdirektor in Kitzbühel, freut das Bruderduell: „Das wird mit Sicherheit ein tolles Match und wir haben auf jeden Fall einen Österreicher im Halbfinale.“

Das erste Familienduell entschied übrigens Jürgen Melzer im vergangenen Jahr mit 6:1 und 6:4 klar für sich. Gerald Melzer betonte aber, dass diesmal die Vorzeichen komplett anders seien als damals. „In Wimbledon war das damals die erste Runde in der Quali, heute ist es ein ATP-Viertelfinale. Schon alleine, dass danach auf jeden Fall einer von uns im Semifinale ist, macht es zu einer sehr positiven Woche für uns.“ Die Vorteile des Spiels der beiden Brüder genießt auch der Vater der beiden Melzer-Brüder: Zerrissen werde er nicht sein. Im Gegenteil: „Mir geht es gut. Man kann bei jedem Ball klatschen. Wir können nur gewinnen“. Das Bruderduell im Hause Melzer ist heute das zweite Spiel nach 14.00 Uhr.

Johannes Dosek, noe.ORF.at

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