Skurriler Streit um Parkplätze

Wegen einer vermeintlichen Abzocke wenden sich seit Wochen Dutzende Autofahrer an den ÖAMTC. Ein Unternehmer, der Zielpunkt-Parkplätze gepachtet hat, droht nämlich vielen, die ihr Auto dort abstellen, mit Besitzstörungsklagen.

Einer der betroffenen Parkplätze befindet sich in der Brunnergasse in Perchtoldsdorf (Bezirk Mödling), in unmittelbarer Nähe zu einigen Heurigen. Weil Parkplätze dort eher Mangelware sind, nutzten die Heurigenbesucher den früheren Zielpunkt-Parkplatz jahrelang, um hier ihr Auto abzustellen. „Die Gäste haben gewusst, dass sie ihr Auto dort ab 19.00 oder 20.00 Uhr, wenn normalerweise Geschäftsschluss war, abstellen können, ohne Probleme“, erzählt Winzer Franz Distl. Seit Kurzem ist die Situation anders. Viele seiner Gäste wurden durch den neuen Pächter des Parkplatzes bereits mit einer Besitzstörungsklage bedroht.

Ehemaliger Zielpunkt-Parkplatz in Perchtoldsdorf

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Wer sein Auto auf diesem Parkplatz in Perchtoldsdorf abstellt, dem droht eine Besitzstörungsklage

Konkret hinterlässt der Unternehmer Florian-Alexander Gilly, der noch sechs weitere ehemalige Zielpunkt-Parkplätze gepachtet hat, ein Schreiben an der Windschutzscheibe oder wendet sich per Post an die Fahrzeugbesitzer, indem er darauf hinweist, dass man sein Fahrzeug widerrechtlich auf Privatgrund abgestellt habe. Von den Betroffenen wird eine „Aufwandsentschädigung“ von 200 Euro verlangt. „Sollte die Zahlung nicht fristgerecht erfolgen, werden wir gegen Sie sowohl eine Besitzstörungs- als auch eine Schadenersatzklage einbringen“, heißt es in dem Schreiben.

Parkplätze nicht als Privatgrund gekennzeichnet

Insgesamt pachtete der Unternehmer sieben ehemalige Zielpunkt-Parkplätze, neben jenem in Perchtoldsdorf auch in Guntramsdorf (Bezirk Mödling), Poysdorf (Bezirk Mistelbach), in Seiersberg (Steiermark), zwei in Wien und einen in Strasshof (Bezirk Gänserndorf), den er allerdings nicht mehr betreibt. Viele wollten die 200 Euro Aufwandsentschädigung oder eine Klage nicht hinnehmen und wandten sich deshalb an den ÖAMTC. Dort sind derzeit etwa 70 bis 80 Fälle anhängig, sagt Nikolaus Authried von der ÖAMTC-Rechtsabteilung.

Schreiben wegen Besitzstörungsklage

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Die Fahrzeuglenker werden in einem Schreiben aufgefordert, 200 Euro „Aufwandsentschädigung“ zu bezahlen

Was bei vielen Autofahrern für Aufregung sorgt, ist die Tatsache, dass die Parkplätze nicht durch Schilder oder ähnliche Hinweise als Privatgrund gekennzeichnet sind. Rechtlich ist das auch nicht notwendig. „Das Problem ist, dass die Judikatur hier nicht sehr restriktiv ist, das heißt, es braucht nicht unbedingt ein Schild, das das klar als Privatgrund erklärt. Es reicht aus, wenn es erkennbar ist und sich vom Straßenraum abhebt“, so Authried.

Allerdings soll der Unternehmer auch Hinweistafeln, die andere aufgestellt haben, wieder entfernt haben. Einige Betroffene sprechen deshalb von ganz bewusster Abzocke. „Ich bin mir sicher, viele von den Besuchern, die zum Heurigen gehen, wären gerne bereit, ein Entgelt, wie es beim Parken üblich ist, zu bezahlen“, sagt etwa Romana Seidler. Weil der Betreiber dadurch aber mehr Kosten für einen Mitarbeiter oder einen Automaten hätte, vermutet sie, „ist es für ihn die einfachere Art und Weise, diesen Zettel zu hinterlassen, mit 200 Euro, die er gerne hätte.“

Unternehmer wehrt sich gegen Vorwurf der Abzocke

Der Pächter selbst versteht die Aufregung nur teilweise. Dass sich viele als „Abgezockte“ fühlen, könne er zu einem gewissen Teil nachvollziehen, sagt Gilly. Allerdings, in Bezug auf den Parkplatz in Perchtoldsdorf, wo die Heurigengäste jahrelang unbehelligt parken konnten, sagt er: „Nur weil etwas 30 Jahre lang so war, heißt das nicht, dass die Situation im Juli 2016 immer noch so ist.“ Es gehe ihm aber nicht darum, von den Leuten abzukassieren. „Wir sind grundsätzlich jedem, der freundlich und nett nachgefragt hat, deutlich beim Preis entgegengekommen“, so Gilly.

Laut dem Unternehmer habe er die Parkplätze gepachtet, mit dem Ziel, die Stellplätze zu vermieten. Für 60 Euro brutto pro Monat sei das möglich. Den Parkplatz in Perchtoldsdorf habe er zu Beginn auch mit Schildern, die auf den Privatgrund hinweisen, gekennzeichnet, diese seien aber immer wieder verschwunden und abmontiert worden. Grundsätzlich gebe es laut Gilly aber „auch keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass es ein öffentlicher Parkplatz wäre“.

Ehemaliger Zielpunkt-Parkplatz in Perchtoldsdorf

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Viele Betroffene argumentieren, dass der Parkplatz nicht eindeutig als Privatgrund zu erkennen sei

Auch den Vorwurf, dass 200 Euro „nicht wenig“ seien, wie etwa Winzer Franz Distl kritisiert, will Gilly nicht gelten lassen. Das seien jene Kosten, die bei der Kontrolle der Parkplätze, der Halterabfrage der Autos bei der Bezirkshauptmannschaft oder dem Verkehrsamt sowie bei Schreibtätigkeiten entstünden. Das Geld würde jedenfalls nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet, sagt Gilly: „Grundsätzlich wird auf außergerichtlichem Weg nichts verlangt, was nicht rechtens wäre. Wir fordern nicht einen Betrag aus Jux und Tollerei und können das jederzeit offenlegen.“

Betroffene sorgen sich um Datenschutz

Obwohl man sich großteils außergerichtlich einigen konnte, wie der Parkplatz-Pächter sagt, wurde mittlerweile in etwa zehn Fällen eine Klage eingebracht. Neben den Kosten und dem Gerichtsprozess sorgt unter den Betroffenen nun aber noch ein weiteres Thema für Aufregung. Weil viele Fahrzeugbesitzer auch per Post von dem Unternehmer angeschrieben wurden, wurden Fragen zum Datenschutz laut. Paul Polovitzer, der regelmäßig Heurigengast in Perchtoldsdorf ist, wurde etwa per Post aufgefordert, das Parken auf dem Parkplatz zu unterlassen. Sein Scheiben sei aber falsch, sagt er: „Ich habe nicht dieses amtliche Kennzeichen. Jetzt frage ich mich, wo bleibt der Datenschutz in Niederösterreich und wie kommt der zu meiner Adresse?“

Auf Nachfrage von noe.ORF.at bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Mödling wurde bestätigt, dass dem Unternehmer die Daten der Fahrzeughalter aufgrund der Kennzeichen bekanntgegeben wurden. Der Fall sei genau geprüft worden, heißt es. Bei einer entsprechenden Begründung - in diesem Fall Besitzstörung - sei es rechtens, dass diese Daten an eine Privatperson weitergegeben werden. „Es kann natürlich immer wieder zu einem Fehler kommen“, heißt es vonseiten des Parkplatzpächters zu dem falschen Schreiben.

ÖAMTC strebt Musterverfahren an

Beim ÖAMTC will man sich die Einzelfälle nun genauer ansehen. Auffällig sei nämlich, dass keine bessere Kennzeichnung der Flächen erfolge, obwohl es seit Wochen und Monaten Probleme gebe, heißt es. „Wenn es in den konkreten Fällen um Besitzschutz geht - und so wird immer argumentiert, dann fragen wir uns natürlich schon, warum dann auch keine bessere Kennzeichnung im Laufe der Zeit erfolgt ist“, sagt Nikolaus Authried vom ÖAMTC.

Ehemaliger Zielpunkt-Parkplatz in Perchtoldsdorf

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Erst seit Kurzem hängt am Eingang des Parkplatzes in Perchtoldsdorf ein Absperrband. Aufgehängt wurde es allerdings nicht vom Pächter.

Der ÖAMTC strebt in einem Fall nun ein Musterverfahren an, das klären soll, ob mit den Parkplätzen Besitzstörungsklagen provoziert werden. Laut einem Urteil des Landesgerichts Eisenstadt in einer anderen Sache sei das Provozieren von Besitzstörungsklagen durch mangelhafte Kennzeichnung nämlich sittenwidrig und somit illegal. „Wir erhoffen uns, dass durch das Musterverfahren herauskommt, dass in solchen Fällen keine Besitzstörungsklage Erfolg hat, weil eine sehr schlechte Kennzeichnung erfolgt ist“, sagt Authried.

Auch ohne das Musterverfahren des ÖAMTC könnte das Problem rund um die Parkplätze aber schon bald der Vergangenheit angehören: Eigentlich wollte Gilly die Parkplätze zumindest bis Ende August betreiben, nun wurden dem Unternehmer nach eigenen Angaben aber alle Pachtverträge vorzeitig gekündigt.

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