Nach Tschernobyl: Urlaub von der Strahlung

Das Projekt „Erholung für Kinder aus Belarus“ verspricht drei Wochen Auszeit vom Alltag in einem seit 1986 radioaktiv verstrahltem Gebiet. Heuer haben Gasteltern erneut 120 Kinder aus Weißrussland aufgenommen.

Tschernobyl – seit 1986 steht der Name dieses ukrainischen Ortes wie kaum ein anderer für Leid und Zerstörung. Am 26. April 1986 ereignete sich die bisher größte nukleare Katastrophe: Nach einem simulierten Stromausfall schlug die Notabschaltung des Reaktorblocks 4 des Atomkraftwerks „Lenin“ in Tschernobyl fehl - um 1.23 Uhr geriet die Anlage außer Kontrolle und explodierte. In den Flammen stiegen die radioaktiven Partikel auf, die der Wind schließlich über ganz Europa verbreitete.

Atomkraftwerk Tschernobyl

POOL/epa Mykola Lazarenko

Die Katastrophe von Tschernobyl gilt als bisher weltweit schwerster Unfall in einem Kernkraftwerk

Der Atomunfall selbst ereignete sich in der damaligen Sowjetunion zwar auf dem Boden der heutigen Ukraine, die radioaktive Wolke zog damals aber weiter, vor allem nach Weißrussland. Schätzungen zufolge sind etwa 70 Prozent der freigesetzten Radioaktivität im heutigen Nachbarland der Ukraine niedergegangen.

Viele müssen mit den Folgen der Radioaktivität leben

Auch heute noch leiden Menschen, die in den damals verstrahlten Gebieten leben, unter den massiven Nachwirkungen des Unfalls. Das Immunsystem ist in vielen Fällen stark geschwächt, die Zahl der Krebserkrankungen ist seit der Katastrophe sprunghaft angestiegen. Junge Familien, die es sich leisten können, ziehen weg, alle anderen müssen mit den Folgen der Radioaktivität leben.

Hier setzt die Initiative „Erholung für Kinder aus Belarus“ an. Sie organisiert für Kinder und Jugendliche aus diesen Regionen Urlaube in Niederösterreich. Gastfamilien übernehmen die Betreuung und leisten einen finanziellen Beitrag. „Durch einen dreiwöchigen Aufenthalt in einer niederösterreichischen Familie werden nicht nur die physischen Kräfte jedes Kindes gestärkt“, betont Projektkoordinatorin Maria Hetzer, „sondern jedes Kind macht einen riesigen Schritt in seiner Gesamtentwicklung und erhält viele Chancen für sein zukünftiges Leben.“

Kinder aus Weißrussland auf Urlaub in Niederösterreich

Maria Hetzer

Zwölf Kinder aus Choiniki, einem Dorf in der Nähe von Tschernobyl, genießen eine Schifffahrt auf der Donau durch die Wachau

Im Jahr 1994, acht Jahre nach der Katastrophe, fing Hetzer damit an, Erholungsurlaube für weißrussische Kinder zu organisieren. Seitdem hat sich vieles verändert, das ursprünglich rein private Projekt wird mittlerweile vom Land Niederösterreich abgewickelt. Geleitet wird es allerdings nach wie vor von Hetzer, die seit einigen Jahren beim Verein „Jugendinfo“ des Landesjugendreferats angestellt ist.

In diesen 22 Jahren wurden mehr als 4.000 Kindern und Jugendlichen zwischen zehn und 14 Jahren Reisen nach Niederösterreich ermöglicht. „Das ist eine beeindruckende Bilanz, die nur durch das Engagement der Organisatoren und vor allem der Gastfamilien möglich wurde“, so Jugendlandesrat Karl Wilfing (ÖVP).

Gasteltern für 2017 werden bereits gesucht

Schon jetzt bereiten die Verantwortlichen der Initiative die Aufenthalte im Sommer 2017 vor. Gesucht werden niederösterreichische Familien, die sich bereit erklären, im kommenden Jahr drei Wochen lang ein oder zwei Kinder aus Weißrussland aufzunehmen und für deren An- und Abreise einen finanziellen Beitrag zu leisten. Wie die Aufenthalte im Detail gestaltet werden, bleibt den Gastfamilien überlassen - ein vorgeschriebenes Programm gibt es nicht. Interessenten können sich direkt bei der Initiative melden.

Felix Novak, noe.ORF.at

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