Landestheater eröffnet mit „Die Welt ist groß...“

Mit einer dramatisierten Fassung von Ilija Trojanows Roman „Die Welt ist groß und Rettung lauert überall“ hat am Freitag im Landestheater in St. Pölten die Saison unter der neuen Intendanz von Marie Rötzer begonnen.

Gleich zu Beginn - die Saallichter sind noch an - setzt sich Johannes Silberschneider (er verkörpert in weiterer Folge den Würfelspiel-Magier Bai Dan) in eine Loge und startet einen predigthaften Monolog über die moralische Verpflichtung, Flüchtlingen Gastrecht zu gewähren. Oje, denkt man, was soll das werden, ein Agitprop-Revival?

Ensembleszene Die Welt ist groß Landestheater

Alexi Pelkanos

Ilija Trojanows Erstlingsroman „Die Welt ist groß und Rettung lauert überall“ erschien im Jahr 1993

Doch der Prolog dauert nicht lange, ein Pistazienschalen spuckender junger Mann entert die Bühne, auf der sich eine würfelspielende Runde perkussiv betätigt, als wär’s ein Zitat aus der Hermanis-Inszenierung von Gogols „Revisor“. Dabei wird auf Teufel komm raus gepofelt. Im Publikum setzt reflexartiges Husten ein.

Düster-märchenhaftes Spiel über Flucht und Asyl

Die emsig betätigte, mit ältlichem Wohnzimmer-Mobiliar und Topfpflanzen bestückte Drehbühne mit ihrem zirkusartigen Rund (Bühnenbild: Michael Köpke) ist von schweren Vorhängen mit rotschwarzem Faltenwurf und einem akustisch funktionellen Gestänge geprägt. Von der Decke baumelt eine Lampe wie auf einem Adam-Gemälde von Rudolf Hausner.

Die Personen sehen so aus, wie man sich die Balkanesen eben so vorstellt: Abenteuerliche Typen mit lockeren Schlipsen, lässigen Hüten und im Seventies-Outfit. Absichtsvolle Ironie? Zu folkloristischer Begleitmusik (Klemens Lendl & David Müller alias Die Strottern, Matthias Loibner und Maria Petrova) und unter oftmaliger Verteilung von Schnapsgläsern wird die Handlung mehr erzählt als dargestellt. Den jungen Alexandar spielt Stanislaus Dick mit adäquater Naivität, Zeynep Bozbay und Lukas Spisser sind seine heißblütigen Eltern, Helmut Wiesinger gibt eine köstliche Großmutter Slatka ab.

Ensembleszene Die Welt ist groß im Landestheater

Alexi Pelekanos

Die Trojanow-Dramatisierung steht bis 11. Jänner 2017 auf dem Spielplan

Nach der Pause Szenenwechsel: DJ Bogdan (Tim Breyvogel) zieht bei Radio Asyl im Flüchtlingslager eine müde Moderatorenshow ab, Klemens Lendl als Studiogast und zynischer UNHCR-Vertreter hat einen kabarettreifen Auftritt. Dann geht es zurück an den Spieltisch, wo Alexandar erzählt, wie sein Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist.

Daraufhin stellt sich zu den Klängen von „Waun i amoi stirb“ rührselige Heurigenatmosphäre ein, von der sich das samt Pause zweidreiviertel Stunden dauernde Stück nicht mehr erholt. Freundlicher Beifall - und eine hoffnungsvolle Vorahnung, dass der kommenden Ära Rötzer eine eigene und eigensinnige Handschrift durchaus zuzutrauen ist.

Ewald Baringer, Austria Presse Agentur

Links: