Anwaltstag: Kritik an Asyl-Notverordnung

Der Präsident der österreichischen Rechtsanwälte geht mit Staat und Politik hart ins Gericht. Beim Anwaltstag in St. Pölten am Freitag kritisierte er die geplante Asyl-Notverordnung und zu kurze Begutachtungsfristen.

Laut Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff sei die von der Regierung vorgesehene Asyl-Obergrenze „eine willkürlich festgesetzte Zahl“, wie er beim Anwaltstag im Landestheater in St. Pölten sagte. Die Verordnung werde den Staat nicht vor illegaler Einwanderung schützen, aber Schutzsuchende gefährden. Die Einwanderung werde „noch ungeordneter als bisher von Statten gehen“, so Wolff in seiner Rede.

„Grund- und Freiheitsrechte werden beschränkt“

Zudem kritisierte er, dass die Politik keine Lösungen zeige, weil sie keine oder falsche Lösungen anbiete angesichts der Tatsache, dass „das Ur-Vertrauen der Bürger in ihre Staaten europaweit korrodiert“. In Zeiten von Terrorismus, Amok, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit müssten sich die Staaten eigentlich bemühen, das Vertrauen der Bürger zu stärken. Stattdessen würden sie „die Überwachung ihrer Bürger stärken“, Grund- und Freiheitsrechte beschränken - und „uns das als Sicherheitspolitik verkaufen“.

Ein Beispiel „staatlicher Handlungsschwäche“ ist für Wolff die „international blamable Affäre um Wahlkarten, die nicht an den richtigen Stellen kleben wollen“ - also die Verschiebung der Bundespräsidentschafts-Wiederholungswahl auf 4. Dezember, nachdem der Verfassungsgerichtshof einen Wahlgang für unzulässig erklärt habe, „weil fundamentale Anforderungen an eine geheime Wahl nicht garantiert waren“, so Wolff weiter.

Wolff: „Brauchen freie unabhängige Richter“

Scharfe Kritik übte der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK) auch am Vorstoß von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), kleinere Delikte aus dem Strafrecht herauszunehmen und mit einer Verwaltungsstrafe zu ahnden. Das würde bedeuten, unabhängige Strafgerichte durch weisungsgebundene Beamte zu ersetzen. „Wir brauchen in einem Rechtsstaat die Beurteilung durch freie unabhängige Richter“, sagte Wolff - und erinnerte an die Entlassung hunderter Richter und Staatsanwälte in der Türkei.

Der Rechtsstaat und seine Gerichte würden die Regierung und die Verwaltung begrenzen. „Aber gerade das scheut die Politik. Nicht nur in der Türkei, auch in unserem Land.“ Als Beispiele nannte Wolff die Einsetzung von Rechtsschutzbeauftragten oder des Weisungsrat anstelle unabhängiger Gerichte. Die geplante Online-Überwachung lehnte er ab: Das wäre „Schadsoftware auf den PCs der Bürger, also Einbrechermethoden, um auch WhatsApp und Sykpe-Telefonie überwachen zu können“ - für alle Straftaten mit mehr als fünf Jahren Haftdrohung, „das betrifft nicht nur Terroristen“.

40.000 Bürger unentgeltlich vertreten

Wolff legte auch den Tätigkeitsbericht 2015 vor. Diesem ist zu entnehmen, dass im Vorjahr mehr als 40.000 Bürger von den 6.057 Rechtsanwälten Österreichs unentgeltlich beraten oder vertreten wurden. 22.650 mal wurden Rechtsanwälte zu Verfahrenshelfern bestellt - und erbrachten Leistungen im Wert von 41 Mio. Euro. 17.000 Bürger erhielten unentgeltlich Rat im Rahmen der „Ersten Anwaltlichen Auskunft“, der „Verteidigernotruf“ verzeichnete seit 2008 rund 3.800 Kontakte.

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag hat im Vorjahr 158 Gesetzesvorschläge begutachtet. Dass dies oft in kurzer Frist geschehen musste, kritisierte Wolff scharf: „Das Begutachtungsverfahren verkommt zunehmend zur Farce.“ Die vom Kanzleramt vorgesehene Begutachtungsfrist von sechs Wochen sei nur in 16 Prozent der Fälle gewährt worden. Manchmal habe es nicht einmal zwei Wochen Zeit gegeben, etwa bei der letzten Asyl-Novelle. Wolff forderte „mit Nachdruck die Einführung von Mindeststandards im Gesetzgebungsverfahren.“

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