Ärztekammer startet Volksbegehren

Die Ärztekammer Niederösterreich initiiert gegen die aus ihrer Sicht beim Finanzausgleich vereinbarte „Demontage des Gesundheitssystems“ ein österreichweites Volksbegehren. „SOS Medizin“ startet mit dem heutigen Mittwoch.

Die von Bund und Ländern im Rahmen des Finanzausgleichs beschlossene 15a-Vereinbarung stelle einen massiven Angriff auf das österreichische Gesundheitssystem dar, argumentierten der niederösterreichische Ärztekammer-Präsident Christoph Reisner und Vizepräsident Gerrit Loibl bei einer Pressekonferenz in Wien. Von den dadurch bevorstehenden gravierenden Änderungen seien sowohl Patienten als auch Ärzte betroffen. Daher werde das Volksbegehren eingeleitet. Unterstützungserklärungen sind bis 28. Februar 2017 möglich.

Gefordert werden der Erhalt ärztlicher Einzelordinationen und Gruppenpraxen, die Begrenzung der Arbeitszeiten für Spitalsärzte, die Kostenerstattung von Wahlarzthonoraren und Niederlassungsfreiheit für Wahlärzte sowie die direkte Medikamentenabgabe durch den Arzt. Reisner und Loibl wiesen diesbezüglich darauf hin, dass gemäß der zentralen Gesundheitsplanung „kleinteilige Organisationsformen“ künftig durch zentrale Betreuungseinrichtungen ersetzt werden könnten. Sollten zusätzliche Leistungen aus Ordinationen in Spitalsambulanzen verlagert werden, wäre eine Aufweichung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes nötig. Das müsse verhindert werden.

„Rückerstattung der Wahlarztkosten in Gefahr“

In der 15a-Vereinbarung sehe die Ärztekammer Niederösterreich zudem die „Gefahr, dass die Wahlarztkostenrückerstattung fällt“, zumal der Vorrang der „Sachleistungsversorgung“ betont werde. Die angestrebte direkte Medikamentenabgabe (Dispensierrecht) durch den Arzt „soll nicht die Apotheke ersetzen“, sondern „in Einzel- und Notfällen“ oder bei Erstverschreibungen den „Patienten Wege ersparen“, argumentierte Reisner.

Um bis Ende Februar die für die Einleitung des Volksbegehrens zumindest nötigen 8.401 Unterschriften („Wir sind nicht böse, wenn es mehr werden, wir wollen das Anliegen ins Parlament bringen“) zu erhalten, gibt es neben Plakaten und Foldern auch Informationen auf www.sos-medizin.at (samt Unterstützungserklärungen zum Download) und www.facebook.com/sosmedizin. Ob dem „ungewöhnlichen Schritt“ der Ärztekammer Niederösterreich die Interessenvertretungen anderer Bundesländer folgen werden, „kann ich im Augenblick nicht sagen“, so Reisner am Mittwoch. Er gehe jedoch davon aus.

Apotheker lehnen Volksbegehren ab

Die Österreichische Apothekerkammer weist die Forderung der Ärztekammer Niederösterreich, Medikamente in Ordinationen abzugeben, zurück. „Medikamente gehören in die Apotheke. Eine direkte Medikamentenabgabe durch den Arzt (Dispensierfreiheit) wird kategorisch abgelehnt“, teilte die Interessenvertretung mit.

Dem am Mittwoch vorgestellten Volksbegehren „SOS Medizin“ liege „die Angst der Ärztefunktionäre zugrunde, Macht und Einfluss im Gesundheitswesen aufgeben zu müssen“. Es könne aber nicht sein, dass nun versucht werde, die Leistungen der Apotheken zu schmälern. „Wir werden sicher nicht dulden, dass die Niederösterreichische Ärztekammer auf diesem Weg versucht, Kleingeld für eine alte Forderung zu machen, die kein Gesundheitspolitiker mehr ernst nehmen kann“, betonte Heinz Haberfeld, Präsident der Apothekerkammer Niederösterreich. „Ich sehe diesen Rundumschlag der Ärztekammer im Lichte der bevorstehenden Kammerwahlen“.

Das Volksbegehren sei zudem „durchsichtig“: Unter dem Deckmantel des Patienteninteresses will man laut Haberfeld „über die Hintertür ein Körberlgeld verdienen“. Die Apothekerkammer trete daher vehement gegen das Volksbegehren auf und werde ihrerseits die Bevölkerung über diese Tatsache informieren. Eine „vernünftige Verbesserung für chronisch kranke Patienten“ wäre dem Präsidenten zufolge, „wenn diese ihre Dauermedikamente direkt in der Apotheke erhalten könnten - ohne jedes Mal ein Rezept in der Ordination abzuholen“. Das wäre auch eine Entlastung für die Ärzte.

Links: