Westautobahn war größte Baustelle Österreichs

Ende der 50er Jahre gab es im Wienerwald die größte Baustelle Österreichs: Bis zu 3.000 Arbeiter waren gleichzeitig beim Bau der Westautobahn beschäftigt. Millionen Kubikmeter Fels wurden dafür abgetragen.

1954 beschloss die österreichische Bundesregierung, die bereits in den 1930er Jahren geplante Westautobahn fertig zu bauen. Es war ein deutliches Zeichen des Selbstbewusstseins der jungen Zweiten Republik und ein ehrgeiziges Projekt. Dies zeigen Archivaufnahmen vom Bau der Westautobahn im Wienerwald. Allein zwischen Steinhäusl und Großram (beide Bezirk St. Pölten) mussten 1,2 Millionen Kubikmeter Geröll beseitigt werden. In einem einzigen Monat wurden 15 Tonnen Sprengstoff eingesetzt.

Bei St. Christophen (Bezirk St. Pölten) wurde direkt neben einer Wohnsiedlung gesprengt. Wer das akustische Warnsignal hörte, sollte sich in Sicherheit bringen, schildert Historiker Martin Wallner: „Einmal, als das Signal nicht ertönt ist, wurde fast ein Mann verletzt, der gerade noch am stillen Örtchen gesessen ist. Nur wenige Sekunden, nachdem er die Toilette verlassen hatte, ist ein gesprengter Felsbrocken durch das Dach geflogen und hat die Klomuschel zerstört.“

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Brückenbauten der Westautobahn

Nur erfahrene Bauerbeiter kamen für den Bau der Brücken zum Einsatz. Die Pfeiler der Talübergänge sind bis zu 60 Meter hoch

Erfahrene Bauarbeiter für Brückenbauten

Beeindruckend sind auch die Brückenbauten. Die Pfeiler der Talübergänge sind bis zu 60 Meter hoch. Nur erfahrene Bauarbeiter kamen hier zum Einsatz, die sich, beim Auftauchen der Kamera, aufführten, als wären sie auf einem New Yorker Wolkenkratzer. „Es sind da wirklich ein paar köstliche Aufnahmen entstanden: Die Arbeiter turnen über die Brücke wie Artisten - ohne Netz und doppelten Boden“, erzählt Wallner.

Die Teilstücke der Westautobahn wurden einzeln nach der Fertigstellung eröffnet. Viele Jahre lang glich die Strecke einem Fleckerlteppich, Autobahn und Bundesstraßenabschnitte wechselten sich ab.

Auch Radfahrer waren auf der Autobahn unterwegs

Franz Mayr war damals als Pannenfahrer für die Straßenwacht unterwegs. Er berichtet, dass er immer wieder auch Radfahrer auf der Autobahn angetroffen hat: „Einer war mit dem Rennrad unterwegs. Er hat überhaupt nicht verstanden, dass man mit einem Rennrad nicht auf der Autobahn fahren darf.“

Ruhig war es auch auf den Parkplätzen neben der Autobahn. Sie seien öfter von Liebespaaren genutzt worden, schildert Mayr: „Die haben neben der Autobahn ein Schäferstündchen gemacht. Peinlich war es dann, wenn das Auto danach nicht mehr angesprungen ist. Manchmal sind sie auch hängengeblieben, weil sie zu weit weg von der Fahrbahn geparkt haben. Da haben wir sie dann herausgezogen.“

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Ausbau der Westautobahn

Zu Beginn herrschte noch wenig Verkehr. Bei einer Verkehrszählung bei Altlengbach wurden 1962 lediglich 400 Fahrzeuge am Tag gezählt

Da es noch keinen Funk gab, fuhren die Pannenfahrer damals alle paar Stunden die Autobahn ab, um Autofahrern zu helfen, die wegen geplatzter Reifen, gerissener Keilriemen oder zu wenig Treibstoff stehen geblieben waren. Manchmal halfen die Pannenfahrer auch mit ortskundigen Auskünften, erzählt Johann Martin: „Einmal hat mich ein Autofahrer gefragt, wie viele Kilometer es noch bis Graz seien. Er war allerdings bei St. Pölten in Richtung Salzburg unterwegs.“

70.000 Fahrzeuge am Tag

1967 wurde die letzte Lücke bei Amstetten geschlossen. Die Westautobahn war nun von Salzburg bis Wien durchgehend befahrbar. „Damals gab es noch keine Leitschienen. Auch die Autos waren noch weit weniger stabil gebaut“, berichtet Chefinspektor Johannes Pöchhacker von der Autobahnpolizei Altlenbach: „Die Zahl der schweren Unfälle war damals deutlich höher, obwohl viel weniger Fahrzeuge unterwegs waren“.

Das belegt auch der Blick in die Statistik: 1962 gab es österreichweit 1.622 Verkehrstote. Im Vergleich dazu lag die Zahl im Jahr 2015 bei 479. Das Verkehrsaufkommen stieg hingegen massiv an: Bei Altlengbach, wo 1962 noch 400 Fahrzeuge täglich gezählt wurden, fahren heutzutage durchschnittlich 70.000 Fahrzeuge am Tag.

Fabian Fessler, noe.ORF.at

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