Bühne Baden auf verruchtem Terrain

Ins Paris der 1930er-Jahre hat sich die Bühne Baden mit der letzten Produktion der Ära von Intendant Sebastian Reinthaller begeben. Im Stadttheater feierte am Samstagabend das Musical „Victor/Victoria“ Premiere.

Die Story geht auf einen UFA-Film aus dem Jahr 1933 zurück, der Neuverfilmung 1982 folgte die Uraufführung eines Broadway-Musicals 1995, jeweils mit Julie Andrews in der Titelrolle. In der glamourösen Inszenierung von Alexandra Frankmann-Koepp in Baden ist Bettina Mönch als mittellose Sängerin zu sehen, die zum gefeierten Bühnenstar wird, indem sie sich als Mann verkleidet, um schließlich eine Frau zu spielen. Als der zwielichtige, aber attraktive Gangsterboss King Marchan unerwartete Gefühle für Victor empfindet, droht die Sache aufzufliegen.

Victor/Victoria Bühne Baden

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Stück über Homosexualität und Travestie

Homosexualität, Travestie, emotionale Ver(w)irrungen: Das Publikum der als eher konservativ geltenden Kurstadt Baden ist mit pikanter Thematik konfrontiert - und dies auf unterhaltsame, bisweilen melancholische, durchaus nicht immer kitschfreie Weise. Mönch verkörpert die androgyne Protagonistin mit kühlem Charme, umgeben von einem professionellen Ensemble, allen voran Martin Niedermair als Chansonnier Toddy.

Aus dem Orchestergraben (Leitung: Franz Josef Breznik) tönt satter Bigband-Sound. Komponist Henry Mancini war 1994 während der Filmdreharbeiten verstorben, die Musik von Frank Wildhorn ergänzt worden. Da klingt auch Gershwin an (bis zum Zitat) und Bernstein und eben viel zuckriges Hollywood. Marcus Tesch hat eine schmissige Choreografie beigesteuert, Kostüme und Ausstattung bieten Fummel und Glitzer.

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Neben einer amüsanten und verstrickten Handlung bietet das Musical „Viktor/Viktoria“ schwungvolle Melodien, jazzigen Big-Band Sound und mitreißende Tanzszenen.

Ganz geht der frühe Emanzipationsplot nicht auf: am Ende hängt Victoria King Marchan zuliebe ihre Karriere an den Nagel, die gar nicht so vielversprechend begonnen hatte. Beim ersten Vorsingen hatte der Nachtclub-Besitzer noch einen gemeinen Vergleich angebracht: „Als würde ein Affe sagen, mit etwas Übung könnte ich Präsident werden. Obwohl...“ Gelächter blieb da nicht aus.

Regisseurin Frankmann-Koepp im Interview

Alexandra Frankmann-Koepp kehrt mit der Regie von „Victor/Victoria“ auch wieder beruflich in ihre Heimatstadt Baden zurück. Sowohl mit der Stadt selbst, als auch mit der Bühne Baden verbindet Sie ein inniges Verhältnis, wie sie im Interview mit noe.ORF.at erzählt.

noe.ORF.at: Mit „Victor/Victoria“ zeigt die Bühne Baden aktuell ein Musical, das relativ selten zu sehen ist. Woran liegt das?

Alexandra Frankmann-Koepp: Ich kann gar nicht sagen, woran das liegt, dass es so selten gespielt wird. Das Musical hat eigentlich alles, was man sich in dem Genre wünscht. Es ist unterhaltsam, es ist eine Verwechslungskomödie à la Billy Wilder, es hat unglaublich schöne Musik von Henry Mancini und die Geschichte ist eigentlich sehr speziell, also etwas, was man nicht jeden Tag auf der Bühne sieht.

noe.ORF.at: Was ist das Besondere an diesem Musical von Blake Edwards und Henry Mancini?

Frankmann-Koepp: Das Besondere ist, glaube ich für mich als Regisseurin, dass der Komponist Henry Mancini, der ja eigentlich vom Film kommt, in diesem Musical die Dramaturgie so verpackt hat, dass teilweise die Lieder in die Textszenen überfließen und darunter die Musik weiterläuft, also so wie wir es eigentlich aus dem Film kennen. Das gibt dem Ganzen eine sehr gute Dramaturgie in humoristischen Szenen aber auch in dramatischen.

Alexandra Frankmann-Koepp Bühne Baden

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Alexandra Frankmann-Koepp

noe.ORF.at: Wenn man die Zeit der ersten Verfilmung von „Victor/Victoria“ im Hinterkopf behält, also 1933, wie ist denn dann der Umgang mit der Thematik Homosexualität?

Frankmann-Koepp: Ja, das war eine Sache, der ich mich in der Vorarbeit auch sehr gestellt habe. Der deutsche Film „Victor/Victoria“ ist ja von 1933 und wenn man da bedenkt, wie es homosexuellen Menschen zu der Zeit ergangen ist, vor allem in Deutschland, dann ist das etwas, was man in der Arbeit jetzt auf der Bühne nicht außer Acht lassen darf. In der Verfilmung 1982 ist das Ganze von Deutschland nach Paris und Amerika verlegt worden und wird das auch gar nicht so angedeutet. Ich muss ehrlich sagen, es ist vorhanden, aber das Thema wird hier in diesem Stück auf so unterhaltungsvoller Ebene bearbeitet, und so charmant und liebevoll. Da habe ich überhaupt keine Angst, dass das Publikum irgendwelche Berührungsängste hat.

noe.ORF.at: Ihre Karriere ist ja auch äußerst vielfältig. Sie sind in der Ausbildung tätig, führen Regie und waren früher auch selbst auf der Bühne. Im Bereich Regie sind aber nach wie vor die Männer dominierend. Wie würden Sie da Ihren Platz als Frau beschreiben?

Frankmann-Koepp: Also, was mich immer mehr freut ist, dass es Intendanten gibt die dezidiert nach einer weiblichen Regisseurin suchen, wenn sie ein Stück spielen wollen und der Meinung sind, dass eine feminine Sicht auf diese Geschichte dem Ganzen gut tut. Andererseits möchte ich natürlich sagen und das ist ja auch kein Geheimnis, ohne jetzt feministisch rüberkommen zu wollen, dass der Frauenanteil in meinem Beruf ja doch bei zwölf bis 15 Prozent liegt, also so viele sind wir nicht. Ich glaube und um auch ein bisschen „Victor/Victoria“-Text zu verbraten: Man muss schon seinen Mann stehen.

noe.ORF.at: Zur Bühne Baden haben Sie ja auch ein spezielles Verhältnis.

Frankmann-Koepp: Ja, da ich gebürtige Badnerin bin, kenne ich dieses Haus sehr gut, auch aus meiner Kindheit, denn hier habe ich das erste Mal Theaterluft schnuppern dürfen, als Statistin im Alter von sieben Jahren. Und als ich dann in die Ausbildung ging und im Ausland gearbeitet habe, war immer wieder das Heimkommen schön - in dieses Theater zu kommen, dieses wunderschöne Haus. Ich habe eine sehr familiäre und liebevolle Beziehung zum Stadttheater Baden beziehungsweise jetzt zur Bühne Baden.

Das Interview führte Julia Ernstorfer, noe.ORF.at

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