SV Neulengbach: Vom Liga-Ersten zum Sorgenkind

Der SV Neulengbach steckt derzeit in einer tiefen Krise. Beim ehemaligen Serienmeister war zuletzt sogar die Einstellung des Spielbetriebs ein Thema. Das Verhältnis zum Lokalrivalen und Meister SKN St. Pölten ist angespannt.

In zwei Wochen nimmt Österreichs Frauenfußball-Nationalteam erstmals an einer Europameisterschaft teil. Im Meisterschaftsalltag ist von dieser Euphorie aber wenig zu spüren. In Neulengbach sind die „goldenen Jahre“ vorbei.

Von 2003 bis 2014 holten die Damen aus dem Wienerwald jedes Jahr den österreichischen Meistertitel und auch den Cupsieg. In der Champions-League ist Neulengbach vor drei Jahren sogar der Einzug in das Viertelfinale gelungen. Danach verlor man die Nummer-1-Position aber an den Lokalrivalen SKN St. Pölten. Die vergangene Saison beendete Neulengbach nur auf Platz drei und verpasste damit sogar die Europacup-Teilnahme.

SV Neulengbach beim Meistertitel 2004

GEPA pictures / Walter Luger

SV Neulengbach beim Meistertitel 2004

Neulengbach plagen finanzielle Probleme

Der neue Obmann Thomas Wirnsberger hat einen schwierigen Einstieg in die Fußballszene zu bewältigen: „Einen Wahnsinnigen muss es immer geben“, nimmt Wirnsberger seine Aufgabe mit Humor. Nachdem sich der langjährige Hauptsponsor, das Pflegeheim Beer aus Neulengbach, zurückgezogen hat, muss der Verein mit wenig Geld weiterarbeiten.

Deshalb ist bis vor wenigen Tagen auch über eine Einstellung des Spielbetriebes nachgedacht worden. „Es war wirklich sehr knapp. Wir stehen sowohl finanziell als auch organisatorisch vor großen Herausforderungen. Eine Konsequenz der Krise ist, dass wir die zweite Mannschaft aus dem Landesligabetrieb zurückgezogen haben. Jetzt gilt die ganze Konzentration dem Bundesliga-Team“, erklärt Wirnsberger.

Sarah Wronski

GEPA pictures / Walter Luger

Sarah Wronski wechselt vom SV Neulengbach zum Lokalrivalen SKN St. Pölten

Neben den Sponsorenmitteln konnte Neulengbach in den vergangenen Jahren auch mit der Landesförderung, die der Verein für einen gewonnen Meistertitel oder einen Cupsieg bekommt, planen. Dieses Geld fällt jetzt ebenfalls weg. „Das kassiert der SKN St. Pölten. Sie haben uns sportlich den Rang abgelaufen“, muss Wirnsberger zugeben.

Spielerinnen „fliehen“ zum Lokalrivalen

Weil es beim SKN St. Pölten derzeit sowohl sportlich als auch finanziell mehr Anreiz gibt, „flohen“ auch einige Neulengbacherinnen zum Lokalrivalen. Melissa Abiral, Jennifer Klein, Sandrine Sobotka, Laura Wienroither und Sarah Wronski werden in der kommenden Saison in der Landeshauptstadt spielen. Das sorgt für dicke Luft zwischen den beiden Vereinen - genauer gesagt, zwischen SKN-Präsident Wilfried Schmaus und Neulengbachs ehemaligem Frauenfußball-Chef Alexander Achterberg.

Maria Gstöttner beim Meistertitel im Jahr 2006

GEPA pictures / Walter Luger

Maria Gstöttner beim Meistertitel im Jahr 2006

Achterberg trat vor wenigen Tagen „aus privaten Gründen“ zurück. Die Vorgangsweise, wie sich der SKN „seine“ Spielerinnen geholt habe, ärgert Achterberg noch immer: „Diese Art der Abwerbung ist nicht in Ordnung. Der SKN hat schon länger mit unseren Spielerinnen gesprochen und sie geködert. Das machen sie mit allen guten Spielerinnen der Liga. Wenn das so weitergeht, wird der SKN bald völlig konkurrenzlos sein und der Rest der Liga im Niemandsland versinken.“

SKN-Präsident Wilfried Schmaus sieht das anders. Er kontert: „Fußball ist ein Geschäft und Transfers gehören dazu. Neulengbach hatte lange genug Zeit, auf unsere Anfragen zu reagieren und den Spielerinnen ein besseres Angebot zu machen. Das haben sie nicht getan und deshalb kommen die Spielerinnen jetzt zu uns.“

Neulengbach sieht auch ÖFB gefordert

Mit einer verjüngten Mannschaft will Neulengbach in der kommenden Saison einen guten Mittelfeldplatz erreichen. Von den Meisterträumen muss man sich vorerst verabschieden. Damit die Liga wieder spannender und ausgeglichener wird, hofft man im Wienerwald auch auf die Hilfe des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB). Alexander Achterberg fordert einen „zentralen Liga-Hauptsponsor wie bei den Männern mit einer gerechten Geldverteilung.“

Obmann Thomas Wirnsberger wird das Gespräch mit dem ÖFB suchen: „Wir würden uns mehr Unterstützung wünschen, damit wir zumindest die Fahrtkosten abdecken können. Der ÖFB darf nicht vergessen, dass die Erfolge des Nationalteams mit der EM-Teilnahme auch deshalb möglich geworden sind, weil die Vereine die Talente ausbilden und in der nationalen Meisterschaft ihre Karriere beginnen können.“

Klaus Fischer, noe.ORF.at

Links: