Gefängnis als Ort der Radikalisierung

In Jugendgefängnissen wie jenem in Gerasdorf (Bezirk Neunkirchen) symphatisieren Jugendliche oft mit Jihad-Kämpfern. Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) setzt bei der Deradikalisierung auf die Mithilfe von NGOs.

Brandstetter sprach bei einem Rundgang mit EU-Justizkommissarin Vera Jourova am Freitag in der Jugendstrafanstalt Gerasdorf am Steinfeld von einer „vergleichsweise hohen Zahl von Foreign Fighters und radikalisierten Personen“ in Österreich, zugleich betonte er: „Das ist ein gesamteuropäisches Problem.“

Brandstetter und bei Besuch der Justizanstalt Gerasdorf

ORF

Vera Jourova und Wolfgang Brandstetter in Gerasdorf

Der Justizminister setzt bei der Deradikalisierung einschlägig verurteilter Jugendlicher und bei der Vorbeugung gegen Radikalisierung in den Haftanstalten vor allem auf die Zusammenarbeit mit der NGO „DERAD“. Für das Problem seien „ganz spezielle Experten“ gefragt, so Brandstetter.

Die Mitarbeiter von „DERAD“ klären einerseits das Justizwachepersonal über islamischen Extremismus auf und sensibilisieren die Beamten für die Merkmale von Radikalisierung, andererseits versuchen sie Gefängnisinsassen vom Extremismus abzubringen. Ziel sei es, die jungen Häftlinge dazu zu bringen, eine demokratische, pluralistische Gesellschaft zu akzeptieren. „Du kannst du selbst sein, aber du musst die anderen Leute akzeptieren“, sei die Botschaft, sagte ein DERAD-Mitarbeiter, der anonym bleiben wollte.

Brandstetter und bei Besuch der Justizanstalt Gerasdorf

ORF

Die Delegation beim Rundgang in der Justizanstalt Gerasdorf

Umfeld entscheidend bei Radikalisierung

Zur Radikalisierung komme es, wenn ein junger Muslim das Gefühl habe, gesellschaftlich an den Rand gedrängt zu werden, und er als Form der Auflehnung dagegen eine entsprechende Ideologie übernehme. Dabei gehe die Radikalisierung von einem relativ engen Kreis an islamistischen Ideologen aus der muslimischen Welt aus, strich der Sozialarbeiter hervor. Probleme gebe es vor allem, wenn sich Jugendliche in der Haft nicht änderten und nach der Freilassung weitere Menschen radikalisierten, oder wenn sich deradikalisierte Ex-Häftlinge zurück in ihrem früheren Umfeld erneut radikalisierten.

Die Problematik der Radikalisierung in Haftanstalten kam insbesondere in den vergangenen Jahren wegen einschlägiger Rekrutierungsstrategien der Terrormiliz „Islamischer Staat“ für den Jihad in Syrien oder im Irak sowie für Anschläge in Europa auf. So hatte sich der Tunesier Anis Amri, der im Vorjahr beim bisher schwersten islamistischen Terroranschlag in Deutschland mit einem Lkw zwölf Menschen auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin tötete, in der Haft in Italien radikalisiert.

Radikalisierung im Internet und in der Haft

Jourova sagte, Radikalisierung finde in Europa am häufigsten im Internet statt, bereits am zweithäufigsten aber in Gefängnissen. Von rund 20.000 Foreign Fighters beim IS in Syrien und dem Irak, würden 5.000 bis 6.000 aus Europa stammen. Viele von ihnen seien zurückgekehrt oder könnten noch zurückkehren. „Die Radikalisierung und der Extremismus in Europa sind im Steigen begriffen“, warnte die aus Tschechien stammende Politikerin. Dagegen müssten alle rechtlichen und sozialen Maßnahmen ergriffen werden.

Link: