Jede fünfte Frau Opfer von Gewalt
Durch die #metoo-Debatte sind vor allem Übergriffe am Arbeitsplatz in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Erlebte Gewalt im häuslichen Umfeld gilt aber nach wie vor oft als Tabuthema. Es brauche eine „klare Positionierung gegen Gewalt“ und eine öffentliche Enttabuisierung des Themas, sagte Landesrätin Barbara Schwarz (ÖVP) in einer Pressekonferenz vor einer Fachtagung am Mittwoch in St. Pölten.
Körperliche Gewalt steht oft erst am Ende
Das Gewaltschutzzentrum Niederösterreich unterstützte im Vorjahr 2.406 Opfer von häuslicher Gewalt und Stalking, davon waren 80 Prozent weiblich. 93 Prozent der gefährdenden Personen waren Männer. „Ungleiche Machtverhältnisse sind der Nährboden für Gewalt“, sagte Elisabeth Cinatl, Sprecherin der Frauenberatungsstellen NÖ. Jede fünfte Frau sei mindestens einmal in ihrem Leben von körperlicher, psychischer oder sexueller Gewalt betroffen, so Schwarz.
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Frauenberatungsstellen in NÖ
Beratungsstellen für Frauen gibt es in Amstetten, Baden, Gänserndorf, Ternitz, Gmünd, Hollabrunn, Horn, Krems, Mistelbach, Mödling, Scheibbs, Stockerau, St. Pölten, Waidhofen an der Thaya, Wiener Neustadt und Zwettl.
Das NÖ Frauentelefon ist unter der kostenlosen und vertraulichen Telefonnummer 0800 800 810 erreichbar.
Die Strategien der Täter seien Erniedrigen und Abwerten, Isolieren des Opfers von der Familie und von Freunden sowie Drohungen. Wichtig sei, dass das Opfer nicht sich selbst die Schuld gebe, heißt es. „Die Verantwortung für Gewalt liegt bei der Person, die sie ausübt“, betonte Cinatl.
„Körperliche Gewalt ist oft das Ende einer langen Kette. Wir müssen lernen, früher einzugreifen“, so Schwarz vor der Tagung „Häusliche und sexualisierte Gewalt - Opferschutz und Gewaltprävention“ der Frauenberatungsstellen NÖ in Kooperation mit dem Land NÖ. Gesundheitseinrichtungen seien oft die erste Anlaufstelle für Opfer. Seit 2000 wurden etwa 6.000 Mitarbeiter des NÖ Gesundheitswesens informiert und geschult, um etwa auf spezifische Formen von Verletzungen zu achten.
Zahl der Betretungsverbote steigt
2016 verhängte die Polizei in Niederösterreich 1.402 Betretungsverbote und 142 erweiterte Schutzbereiche für gefährdete Minderjährige bei Schulen, Kindergärten und Horten. Die Zahl ist steigend, auch weil sich immer mehr Frauen trauen über das Thema Gewalt zu sprechen. Österreich nehme mit seinen Gewaltschutzmaßnahmen weltweit eine Vorreiterrolle ein, verwies Martina Stöffelbauer vom Büro für Kriminalprävention und Opferhilfe im Bundeskriminalamt etwa auf das 1997 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz, das Wegweisungen überhaupt erst ermöglichte.
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Zwar sei Österreich eines der sichersten Länder der Welt, das subjektive Empfinden klaffe aber oft auseinander, sagte Stöffelbauer. Im Rahmen des bundesweiten Polizei-Projekts „Sicherheit im öffentlichen Raum“ sollen Frauen informiert werden, wie sie potenzielle Gefahrensituationen meiden können. Zudem gehe es darum, bauliche Maßnahmen für mehr Sicherheit zu setzen.
Frauenhäuser bekommen 2018 mehr Geld
Das Land Niederösterreich setze - neben der Zusammenarbeit mit Opfer- und Kinderschutzgruppen - auf die intensive und fundierte Zusammenarbeit mit den sechs Frauenhäusern, hieß es am Mittwoch auch in einer zweiten Pressekonferenz von Landesrat Franz Schnabl (SPÖ) gemeinsam mit Maria Imlinger, der Leiterin des Frauenhauses St. Pölten, und Barbara Prettner, Leiterin des Frauenhauses Neunkirchen.
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Frauenhäuser in Niederösterreich
In Niederösterreich gibt es sechs Frauenhäuser in Amstetten, Mistelbach, Neunkirchen, St. Pölten, Wiener Neustadt und Mödling.
Wer von Gewalt betroffen ist, bekommt bei der Frauenhelpline unter 0800 / 222 555 rund um die Uhr anonym und kostenlos Hilfe.
2016 seien in den Einrichtungen in Amstetten, Mistelbach, Neunkirchen, St. Pölten, Mödling und Wiener Neustadt 229 Frauen und 233 Kinder betreut und unterstützt worden. 2018 bekommen diese Frauenhäuser mehr Geld vom Land. Heuer wurden 1,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, für nächstes Jahr werden laut Schnabl neben der üblichen Valorisierung die Berechnungsgrundlagen angepasst, sodass der Betrag zusätzlich um etwa 80.000 Euro steige. Wichtig sei, „eine optimale Versorgungs- und Betreuungssituation“ sicherzustellen, betonte der Landesrat.
Frauen auf gewaltfreies Leben aufmerksam machen
Schnabl wies ebenso wie Schwarz auf die internationale Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ hin, die am Samstag (25. November) beginnt. Ziel sei, auf das Recht von Frauen auf ein gewaltfreies Leben aufmerksam zu machen. „Gewalt kennt keine kulturellen oder religiösen Grenzen und zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten, Alters- und Einkommensgruppen“, betonte er den gesellschaftlichen Auftrag, diesen Entwicklungen entgegen zu wirken.
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Mehr Bewusstsein für psychische Gewalt gefordert
Die Hemmschwelle „an die Öffentlichkeit zu gehen“ sei für viele Frauen noch immer groß. „Es braucht viel Mut, den Scham zu überwinden und nicht länger zu verstecken, was in den eigenen vier Wänden passiert“, sagte die Leiterin des Frauenhauses Neunkirchen, Barbara Prettner. „Frauen erkennen oft im Zusammenleben, dass sie nicht alleine sind“, so Prettner.
Imlinger verwies vor allem auf die unterschiedlichen Formen von Gewalt. Die Formen der Misshandlungen hätten sich in den vergangenen Jahren geändert. Männer würden Frauen heute weniger oft sichtbare Verletzungen zufügen, dafür aber „andere Formen von Gewalt, die zwar Todesängste auslösen, aber keine sichtbaren Spuren hinterlassen.“ Viele Frauen seien massiver psychischer Gewalt ausgesetzt, so Imlinger, die deshalb fordert, dass andauernde psychische Gewalt ein strafbares Delikt wird.