Feriencamps: Wer ist für Kinder verantwortlich?

In der Ferienzeit gibt es viele Freizeitangebote für Kinder. Mit Sportcamps und Co. ist aber auch die Frage der Aufsichtspflicht verbunden. Grundsätzlich trifft den Obsorgeberechtigten, meist also die Eltern, diese Pflicht.

Feriencamps sind für die Kinder „Ferien von den Eltern“ und für die Eltern eine Auszeit von der täglichen Kinderbetreuung. Wer aber ist in dieser Zeit für das Kind verantwortlich? Wer hat die Aufsichtspflicht und wer haftet, wenn etwas passiert? Rechtsanwalt Alois Leeb aus Neunkirchen klärt im Interview mit noe.ORF.at über die Pflichten und Rechte auf.

noe.ORF.at: Wann besteht eigentlich eine Aufsichtspflicht und wie wird sie übertragen?

Alois Leeb: Die Aufsichtspflicht und deren Umfang bestimmt sich nach dem Alter des Kindes sowie dessen Reife und Entwicklung. Auch die bisherigen Erfahrungen mit dem Kind, eben seine Einsichtsfähigkeit und sein Reifegrad, aber auch die konkrete Situation, in der man sich befindet - wir sprechen von Gefahrengeneigtheit - sind dafür wesentlich. Grundsätzlich trifft den jeweiligen Obsorgeberechtigten, in der Regel also die Eltern, diese Aufsichtspflicht.

Sendungshinweis

„Radio NÖ am Vormittag“, 11.7.2017

Wenn nun ein Kind Aktivitäten unternimmt oder einen Urlaub absolviert, bei dem die Eltern nicht mit anwesend sind, ist die Übertragung der Aufsichtspflicht von den Eltern für ihre Kinder eben für diesen Zeitraum erforderlich. Dies kann durch mündlichen oder schriftlichen Vertrag erfolgen. In der Regel passiert dies bei der Anmeldung des Kindes zu einer solchen Veranstaltung, kann aber auch schlüssig durch die Übergabe des Kindes an den jeweiligen Betreuer oder Veranstalter erfolgen.

noe.ORF.at: Bin ich dann als Elternteil gänzlich von meinen Verpflichtungen befreit, wenn ich das Kind an einen Aufseher oder Veranstalter übergeben habe?

Alois Leeb: Grundsätzlich soll es so sein. Übertrage ich aber die Aufsicht an eine offensichtlich ungeeignete Person, wo es eben mir als Aufsichtspflichtigen auffällt oder auffallen müsste, dass diese für die Betreuung und Beaufsichtigung meines Kindes nicht entsprechend in der Lage ist oder vielleicht sogar auch aufgrund der Menge der Kinder die in Aussicht genommenen Aufsichtspersonen nicht in der Lage sind, dies zu bewältigen, könnte mich auch sogar ein Auswahlverschulden treffen. Und zwar, wenn es dann aufgrund dieses Umstandes zu einer Schädigung für das Kind oder Schädigung eines Dritten durch das Kind kommt.

noe.ORF.at: Wo ist eigentlich der Umfang einer Aufsichtspflicht definiert?

Alois Leeb: Es gibt keine gesetzliche Definition hierfür. Die Aufsichtspflicht umfasst aber grundsätzlich eine Erkundigungs-, Anleitungs-, Warn- sowie Kontrollpflicht und letztlich beim Erkennen eines Problems auch eine Eingreifpflicht.

noe.ORF.at: Was ist mit den vorgenannten Kategorien gemeint?

Alois Leeb: „Erkundigung“ bedeutet nichts anderes, als dass ich als Aufseher die Situation, in die ich das Kind gehen lasse, als eben auch eventuell persönliche Situationen rund um das Kind zu erkundigen habe. Das heißt: Dass ich also weiß, worauf besonders zu achten wäre. Die Anleitungspflicht wäre ebenso wie die Warnpflicht nichts anderes, als dass ich mit den eben durchaus unerfahrenen und in ihrer Einsicht vielleicht noch eingeschränkten Kindern eine Instruktion vor gewissen Aktivitäten mache und sie vor Gefahren warne, als auch für das richtige Verhalten anleite. Kontrollpflichten und Eingreifpflichten definieren sich ohnedies von selbst.

noe.ORF.at: Was kann ich eventuell als Elternteil bei solchen Ferienlagern für mein Kind vorab prüfen?

Alois Leeb: Schon der Umfang der Ausschreibung und eventuell auch eben die von mir angesprochenen Fragebögen und Aufklärungen sind wohl ein Kriterium für die Seriosität des Veranstalters, ob sich eventuell ein Veranstalter vorab über Krankheiten und/oder Allergien der Kinder oder besondere Verhaltensweisen erkundigt. Dies alles mag vielleicht für manche verstörend wirken, dient aber sicher dem geordneten Ablauf und der Sicherheit der Kinder im Rahmen einer solchen Veranstaltung.

noe.ORF.at: Thema „Schadenseintritt“: Einleitend wurde schon erörtert, dass eben mit Übergabe des Kindes für eine Veranstaltung jeglicher Art die Beaufsichtigung und Aufsichtspflicht übergeht. Was ist nun, wenn ein Kind verletzt wird oder sonst Schaden erleidet?

Alois Leeb: Verletzt sich ein Kind im Rahmen einer solchen Veranstaltung, so wird eben anhand der konkreten Situation geprüft werden müssen, ob der eingetretene Schaden Ursache der Verletzung einer Erkundungs-, Anleitungs-, Aufklärungspflicht, Aufsichtspflicht oder auch Eingriffspflicht ist. Trifft dies zu, so wird die Aufsichtsperson persönlich, eventuell aber auch der Veranstalter dafür haften.

noe.ORF.at: Was ist, wenn das Kind jemanden Dritten schädigt? Wer haftet dann wofür?

Alois Leeb: Kinder unter 14 Jahren selbst sind grundsätzlich deliktsunfähig. Das bedeutet: Fügt ein Kind einem anderen einen Schaden zu und wäre an und für sich aufgrund seiner Reife, seiner Einsichtsfähigkeit der generellen Situation allgemein nicht mehr zu beaufsichtigen gewesen, so haftet das Kind für diesen Schaden nicht. Liegt keine Verletzung einer Aufsichtspflicht vor, so wird auch hieraus keinerlei Haftung zu erzielen sein. Wäre das Kind zu beaufsichtigen gewesen, so würde die schuldhafte Aufsichtsperson eine Haftung hiefür treffen.

Eine Ausnahme von der vorhin dargestellten Deliktsunfähigkeit tritt im Schadenersatzrecht dann ein, wenn eine Haushaltsversicherung besteht, in welcher das Kind im Rahmen der Privathaftpflichtversicherung mitversichert ist. Dann besteht hierfür ein Haftungsfonds und es wird eben auch ein Schadenersatz geltend gemacht werden können, sofern eben ein Verschulden des Kindes vorliegt.

Ein Verschulden selbst ist nämlich immer Grundsatzvoraussetzung zur Erlangung eines Schadenersatzes. Die zuvor genannte Ausnahme von der Deliktsunfähigkeit wurde von der Judikatur deshalb entwickelt, als es nämlich dann, wenn einem Schädiger die Schadenstragung finanziell leichter verkraftbar ist als dem Geschädigten (eben wenn eine Versicherung dahinter steht), das Kind bei entsprechendem Verschulden haften soll.

noe.ORF.at: Neben den Aufsichtspflichten gibt es ja auch Jugendschutzbestimmungen. Was gilt da so für junge Menschen unter 14 Jahren, also Kinder?

Alois Leeb: Grundsätzlich ist es Aufgabe der Aufsichtspersonen, die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen zu gewährleisten. Wir haben hier insgesamt in Österreich eine teils unbefriedigende Situation, da es sich um Landesgesetze handelt, und somit unterschiedliche Regelungen gelten. Grundsätzlich kann man aber davon ausgehen, dass die Regelungen in den drei östlichen Bundesländern Niederösterreich, Wien und Burgenland weitestgehend gleich geschalten sind.

Für Niederösterreich gilt: Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dürfen sich an allgemein zugänglichen Orten, wie Lokalen, Kinos, öffentlichen Plätzen nur in der Zeit von 05.00 Uhr morgens bis 22.00 Uhr abends aufhalten. Eltern, aber auch Veranstaltern als Aufsichtspersonen, bleibt es unbenommen, diese Zeiten sogar noch zu verkürzen. Darüber hinaus gilt für sämtliche Jugendliche unter 16 Jahren, somit auch Kinder, ein striktes Alkohol- und Rauchverbot.

noe.ORF.at: Was gilt eigentlich, wenn eine Aufsichtsperson und somit eben auch ein Veranstalter eines Ferienlagers eine solche Bestimmung verletzt?

Alois Leeb: Derartige Übertretungen werden im Verwaltungsstrafrecht geahndet und könnten Verwaltungsstrafen bis zu 15.000 Euro nach sich ziehen. Bei den Ferienlagern wird aber hier durchaus zu berücksichtigen sein, dass eventuell auch ein Aufenthalt nach 22.00 Uhr deshalb nicht strafbar sein könnte, wenn er eben nicht an öffentlichen Orten wie Lokalen, Kinos und öffentlichen Plätzen stattfindet, sondern eben in einem für die Veranstaltung in sich geschlossenem Feriencamp.

Das Interview führte Michael Koch, noe.ORF.at