Rhythmisierte Körper beim donaufestival

Mit der Dominikanerkirche hat sich das donaufestival in Krems eine eindrucksvolle neue Location erschlossen. Die am Samstag uraufgeführte „Church of Ignorance“ ist ein intensives Aufeinanderprallen aus Körpern, Sounds und Sprache.

Nachdem dort im Vorjahr Doris Uhlich nackte Körper als „Habitat“ inszenierte, nutzt aktuell Choreograf Chris Haring mit Liquid Loft das alte Gemäuer für „Church of Ignorance“. Das Projekt ist Teil der „Foreign Tongues“-Reihe der Performancegruppe und rückt unterschiedlichste Dialekte, Slangs und Regionalsprachen in den Fokus. Mit portablen Boxen und kleinen MP3-Playern ausgestattet, übersetzen die acht Tänzer dieses Ausgangsmaterial in Rhythmik, Gestik und Mimik. Zunächst weit im Kirchenschiff verteilt sowie noch völlig von schwarzen Kapuzenpullovern und Gewändern verhüllt, regen sich alsbald die Leiber, um die die Besucher vorsichtig schleichen. Ein Kratzen hier, ein Zischen dort - langsam kommt Bewegung in die Sache.

Aufeinanderprallen von Sounds und Tanz

Aus dem Skulpturenparcours wird sukzessive ein Aufeinanderprallen aus Sounds und Tanz: Unabhängig voneinander und doch eindrucksvoll aufeinander abgestimmt, lassen die Performer ihre Sprachsamples erklingen, geben ihnen mit weit aufgerissenen Augen und viel Emotion im Blick Bedeutung und verleihen so dem oft Unverständlichen eine Dringlichkeit, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Ist es nicht gerade Englisch, Französisch oder Vorarlbergerisch, so muss man sich ohnehin mehr auf den Klang als den Inhalt konzentrieren. Doch kaum ist eine kleine Sequenz, ein Pas de deux beendet, schon regt sich am anderen Ende des Raumes etwas.

Donaufestival Liquid Loft

david visnjic/donaufestival

Liquid Loft mit „Church of Ignorance“ in der Dominikanerkirche Krems

Letztlich wird in dieser Kirche der Ignoranz, die entgegen des Titels vielmehr das Vielfältige und die Unterschiede feiert, Körpersprache im eigentlichen Sinn durchdekliniert. Welche Bewegung erfordert ein bestimmter Laut? In welcher Position verharre ich, wenn ein Satz abbricht? Und welche Dynamik erfährt ein „Gespräch“, bei dem das Gegenüber genau dieselben Worte wählt wie ich? Begleitet von Andreas Bergers an- und abschwellendem Soundtrack, der immer wieder die ganze Kirche erfüllt, wird man mehr als eine Stunde hineingezogen in eine Welt, die Kommunikation - funktionierende wie misslingende - visuell übersetzt und in einen völlig neuen Kontext stellt. Großer Applaus für ein höchst eindringliches Stück.

Ermüdender Fitnessparcours von The Agency

Von „Medusa Bionic Rise“ lässt sich das wiederum nicht behaupten: Das aberwitzige Bootcamp eines fiktiven Fitnessunternehmens, das in seinem Selbstoptimierungswahn beinahe religiöse Züge annimmt, wurde von The Agency im Messegelände installiert. Nach einem kurzen Check am Eingang gemäß dem Motto „Ist mein Körper bereit für das nächste Level?“, folgt schnell die Ernüchterung. Zwar ist hier vieles laut, grell und dank seiner Überhöhung durchaus treffend in der Kritik an gängigen Schönheitsidealen und dem, was man dafür bereit ist zu tun. Allerdings verliert sich die Spannung zwischen stählernem Bizeps, hurtig hingelegten Sit-ups und Anabolika-Bar alsbald. Eine Dauerkarte für dieses Studio werden sich wohl nur die Wenigsten anschaffen.

Warten auf Moor Mother zahlte sich aus

Stattdessen übte sich das Publikum am zweiten Festivaltag in Geduld. Denn ein verpasster Flug würfelte das Musikprogramm ordentlich durcheinander, weshalb die Wut von Moor Mother und ihren Begleitern Zonal erst nach Mitternacht auf die versammelte Meute losbrach. Justin Broadrick und Kevin Martin nutzten ihre diversen Klangerzeuger für martialische Sounds und hämmerten die Bässe in die Magengrube, während die US-amerikanische Rapperin im dichten Nebel des Stadtsaals ein Inferno entfachte. Mit halben Sachen gab sich das Trio jedenfalls nicht zufrieden, hier war alles auf hart und unbarmherzig gepolt.

Donaufestival 2018 Lotic

david visnjic/donaufestival

„Queere Ästhetik und Mysterium“: Lotic

Das man die Zuhörerschaft aber auch umschmeicheln kann, hatte davor bereits Lotic bewiesen. Popverständnis und queere Ästhetik, Humor und Tanzbares, Charme und Mysterium: Vieles brachte der junge Musiker zusammen, der Mitte Juli sein Album „Power“ veröffentlichen wird und etliche Kostproben servierte. In eine ähnliche Kerbe schlug Mhysa, die mit einem Mitstreiter kantige Beats mit süßen Melodien vermengte und ins Ätherische entführte. Wie gerne aber auch Handfestes angenommen wird, zeigte sich bei DJ Taye, der das Partyvolk abholte. Augen zu, Hände hoch und ab ging die Post. Schließlich kann man nicht nur in der Kirche tanzen.

Christoph Griessner, Austria Presse Agentur

Links: