Eine Semmel gegen das Vergessen

Wissenschaftlich bedeutende Exponate und Kurioses wie eine Semmel werden in Niederösterreich seit dem 19. Jahrhundert gesammelt. Das Projekt „MuseumsMenschen“ der Donau-Universität Krems erforscht nun die Museumspioniere.

Niederösterreichische Museen sind seit dem 19. Jahrhundert ein bedeutender Motor der Wissenslandschaft. Etwa 750 Museen und Sammlungen gibt es in Österreichs größtem Bundesland. Ein neues Projekt des Departments für Kunst- und Kulturwissenschaften an der Donau-Universität Krems, das in Kooperation mit dem Museumsmanagement Niederösterreich durchgeführt wird, will die Kenntnisse über die zehn ältesten Stadtmuseen Niederösterreichs erweitern.

„Es geht uns darum, diese Museen wieder auf der Landkarte zu verankern. Diese Häuser, ihre Gründer und ihre Geschichte sind noch gar nicht richtig aufgearbeitet. Dabei ist gerade ihre Bedeutung für die Wissenschaft des 19. Jahrhunderts enorm“, erklärt Projektleiterin Anja Grebe, Universitätsprofessorin für Kulturgeschichte und Museale Sammlungswissenschaften an der Donau-Universität Krems.

Museums Menschen Projekt Stadtmuseen

Donau-Universität Krems

Beim Projekt „MuseumsMenschen“ der Donau-Universität Krems werden die zehn ältesten Museen des Landes erforscht

Parallel zu den in den großen Städten angesiedelten National- sowie Landesmuseen entstanden im 19. Jahrhundert zahlreiche kleinere Stadt- und Regionalmuseen. Darunter gehören die Stadtmuseen in Baden (Rollett-Museum, gegründet 1806/10), Wiener Neustadt (gegründet 1824) und Retz (Bezirk Hollabrunn, 1833) sogar zu den frühesten derartigen Museumsgründungen im deutschsprachigen Raum.

Als weitere frühe Gründungen sind das Stadtmuseum Korneuburg, das Stadtmuseum St. Pölten, das Stadtmuseum Melk, das museumkrems, das Krahuletz-Museum Eggenburg (Bezirk Horn), das Zeitbrücke-Museum Gars am Kamp (Bezirk Horn) sowie das Stadtmuseum Zwettl beteiligt.

Eine Semmel als Andenken an eine Hungersnot

Das Projekt rückt also die Menschen, die Gründer, Sammler und Betreiber der frühen Museen in das Zentrum des Interesses. Besucherbücher, wie etwa jenes in Eggenburg, beweisen die große Bedeutung der niederösterreichischen Museen. Es kamen damals Delegationen aus ganz Europa, Indien und Algerien, um die besonderen Artefakte zu besichtigen, und das lange vor einer wirklichen Museumsbewegung in größeren Städten wie etwa Wien.

Prof. Anja Grebe

Donau-Universität Krems

Projektleiterin Anja Grebe

Durch die Abbildung dieser musealen Netzwerke erhofft sich die Projektleiterin Einblicke in die überregionalen Verflechtungen der niederösterreichischen Stadtmuseen zu erhalten und somit ihre Bedeutung für die Wissenschafts- und Museumslandschaft in Europa ergründen zu können.

„Wir können bereits jetzt anhand der Korrespondenzen der Museumsgründer und Besucherbücher feststellen, dass es einen sehr engen, internationalen Austausch zwischen den einzelnen Institutionen gegeben hat. Die frühen Sammlungen umfassten vor allem archäologische und botanische Objekte, aber auch Kuriosa. Bestes Beispiel ist eine Semmel, die als Andenken an die große Hungersnot während der Napoleonischen Kriege gestiftet wurde und bis heute im Rollettmuseum in Baden zu sehen ist“, erzählt Anja Grebe.

Wie gehen wir heute mit Erinnerung um?

Das Projekt versucht natürlich auch eine Brücke in die Gegenwart zu bauen. Der Umgang mit Geschichte und die Bedeutung von Museen wandelten sich im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte sehr stark. „Wir stellen uns also die Fragen: Wie gehen wir heute mit Erinnerung um? Welche Bedeutung haben Museen und das Aufbewahren von Artefakten in unserer Wegwerfkultur? Es geht also um eine Wertschätzung von dem, was aufbewahrt wird und denen, die es sammeln“, so Grebe. Die Ergebnisse des Projekts sollen in einer wissenschaftlichen Publikation, einer Broschüre und einer Web-Applikation zugänglich gemacht werden.

Gerfried Nagel, noe.ORF.at

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