Letzter Schiele-Zeitzeuge zeigt Sammlung

Zum 100. Todestag von Egon Schiele zeigt Werner Gradisch - der letzte lebende Zeitzeuge der Familie Schiele - Werke und Dokumente aus seiner Sammlung. Die Sammlung ist weltweit die größte Privatsammlung von Schiele–Werken.

Egon Schiele wird am 12. Juni 1890 als drittes Kind des Bahnhofvorstands Adolf Eugen Schiele und dessen Gattin Marie in Tulln geboren. Er besucht die Volksschule in Tulln, dann das Realgymnasium in Krems und ab 1902 das Gymnasium in Neulengbach. Mit 16 Jahren geht er in die Akademie der bildenden Künste in Wien, verlässt diese aber nach zwei Jahren wieder und gründet mit Künstlerkollegen die Wiener Neukunstgruppe.

„Ich will nach Neulengbach für immer“

Ab 1909 entwickelt sich Schiele vom Jugendstil-Künstler zum Expressionisten. 1909 zieht er von Wien nach Krumau in Tschechien, dem Geburtsort seiner Mutter, noch im selben Jahr nach Neulengbach in Niederösterreich. „Es gibt einen Brief vom 9. November 1911, wo er schreibt - ich will weg von Wien, ich will nach Neulengbach für immer, weil ich hier in Ruhe arbeiten kann,“ erzählt Werner Gradisch, der in Tulln lebt.

Gradisch ist der Großneffe von Melanie Schuster-Schiele, einer Schwester von Egon Schiele. Der Eigentümer der größten privaten Sammlung von Werken Egon Schieles hat Neulengbach als Ausstellungsort ganz bewusst gewählt. Denn hier habe Schiele seine größte künstlerische Aktivität entwickelt, seine Hauptwerke gemalt, so Gradisch.

Verhaftet und verurteilt

Egon Schiele und Neulengbach - das ist gleichzeitig eine Geschichte der Begeisterung und eine Geschichte der Enttäuschung. Eine Zeit des größten künstlerischen Schaffens und der dunkelsten Tage von Egon Schiele. In einem Haus im Ortsteil Au mietet sich Egon Schiele 1911 mit seiner Lebensgefährtin Wally Neuzil ein. Er malt unter anderem neben Bildern von Wally Neuzil die weltberühmten Selbstbildnisse.

Die Ruhe ist allerdings bald vorbei, denn Schiele lebt mit Neuzil in wilder Ehe und wird wegen angeblicher Entführung und Schändung eines Mädchens in Untersuchungshaft genommen. 24 Tage verbringt er in der Zelle Nummer 2 des Bezirksgerichts Neulengbach. Verurteilt wird er schließlich wegen „Verbreitung unsittlicher Zeichnungen“. Er verlässt Neulengbach und zieht wieder nach Wien.

Werner Gradisch Schiele

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Werner Gradisch

Ausstellung zeigt auch Sterbebett-Fotos

Die Ausstellung zum 100. Todestag von Egon Schiele zeigt neben Werken des Künstlers auch Original-Fotos der Familie und Gegenstände aus dem Besitz Schieles, wie Notizhefte, Krüge und Puppen. „Egon Schiele hat viele Leidenschaften gehabt, und darunter auch eine Sammlerleidenschaft. Hier werden Originalfotos von Schiele als Sammler gezeigt, und in den Vitrinen liegen die Gegenstände, die auf diesen Fotos zu sehen sind“, sagt Gradisch.

Werner Gradisch zeigt aus seiner Sammlung auch die originalen Fotos von Egon Schiele auf seinem Sterbebett. Der Ausnahmekünstler stirbt im Alter von 28 Jahren am 31. Oktober 1918 an der spanischen Grippe, auf seinem Sterbebett diktiert er: „Meine Gemälde sollen in allen Museen der Welt gezeigt werden“. In Neulengbach sind sie bis 2. Dezember zu sehen.

Barbara Baldauf, noe.ORF.at