„Liliom“ in St. Pölten ohne Folklore-Kitsch

In einer Koproduktion mit Bozen zeigt das Landestheater in St. Pölten Franz Molnars legendäres Stück „Liliom“. Auf folkloristisches Ambiente oder Praterrummel-Milieu wird dabei verzichtet.

Vor einer geradezu biedermeierlichen Tapete im Pyjamastreif nimmt das Schicksal seinen Lauf. Erst nach Lilioms Ableben heben sich die Kulissen und geben den Blick frei in einen großzügigen Amtsraum, in dem das Verhör mit dem salbungsvollen himmlischen Konzipisten (Sven Kaschte) stattfindet. Praktischerweise liegt dahinter offenbar ein Dampfbad, das Liliom sodann für 16 Jahre Fegefeueraufenthalt betritt.

Diesen Liliom gibt Tim Breyvogel als ziemlich - ebenfalls gestreift - gestylten, in einer fast sympathischen Mischung aus Coolness, Genervtheit und Verzweiflung recht heutigen Underdog-Typ. Dagegen wirkt Hanna Binder in ihrer blaugrünen klobigen Kluft eher bescheiden. Zwischen den beiden Protagonisten kommt wenig ersichtliche emotionale Interaktion in Gang. Warum Julie ausgerechnet diesem windigen Kerl verfällt, wird nicht klar, man teilt die Verständnislosigkeit des übrigen Personals: Josephine Bloeb als Freundin Marie, Tilman Rose als ihr Verlobter Wolf, Wiltrud Schreiner als Frau Hollunder, Patricia Pfeifer als Frau Muskat.

Hauptdarsteller im Portrait

Franziska Liehl

Tim Breyvogel (Liliom), Hanna Binder (Julie)

Musiker als mitspielende Stars auf der Bühne

Die gar nicht so heimlichen Stars des Abends aber sind die beiden „Strottern“ Klemens Lendl und David Müller, die als Polizistenpaar mit blonden Pilzkopf-Perücken und cremefarbenen Uniformen an Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band erinnern und natürlich auch für die feine musikalische Gestaltung der Produktion (gemeinsam mit dem Drehleierspieler Matthias Loibner) verantwortlich zeichnen. Mit unnachahmlichem minimalistischen Mienenspiel und kabarettreif gestalteten Dialogen sorgen sie in solch weihnachtsengelhafter Montur für die Glanzpunkte des Abends, etwa in der Szene, als sie sich neben dem sterbenden Liliom in einer Plauderei erfreut über die neuerdings berittene Polizei äußern.

Am Ende sitzt Lilioms Tochter Luise (Gemma Vannuzzi) nicht mit ihrer Mutter auf der Bühne, sondern mit ihrem Vater, der ihr wie einer Fremden die Geschichte seines postmortalen missglückten Zusammentreffens mit ihr erzählt. Und sie widerspricht sanft, aber bestimmt der Darstellung, wonach es möglich sei, „dass einen jemand schlägt, und es tut gar nicht weh“. Sie glaube das nicht, sagt sie. Gut so, es stimmt ja wirklich nicht.

Die Produktion ist bis Anfang Februar 2019 in St. Pölten zu sehen, von 9. bis 16. Februar in Bozen und am 26. und 27. März in Baden. Am 19. Dezember findet nach der Vorstellung ein Publikumsgespräch statt.

Ewald Baringer/APA

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