Erben geht vor Schenken

Nach wie vor verfassen nur wenige Menschen zur Vorsorge ein Testament, in Niederösterreich sind es 25 Prozent. Gesetzlich gibt es 2019 keine Änderungen, dennoch sind neue Tendenzen beim Erben erkennbar: Es wird weniger geschenkt.

Der letzte Wille schafft ein Gefühl von Ordnung, überlässt nichts dem Zufall und kann vor allem Streit bei den Angehörigen vermeiden. Im Idealfall sollte zu Lebzeiten in Gespräche gemeinsam entschieden werden, wer das Haus, das Grundstück oder das Geld erbt.

Immer wichtiger wird dabei auch die Frage nach dem digitalen Nachlass. Was passiert mit den Facebook-, Twitter- oder E-Mail-Konten oder den Daten auf dem Computer nach dem Ableben? „Wichtig ist, dass ich mir den Kopf darüber zerbreche, wer soll was wissen, wer soll was sehen dürfen. Und, wer soll unter Umständen was löschen dürfen“, sagt Michael Lunzer, Präsident der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und dem Burgendland, im Gespräch mit noe.ORF.at. Werden Passwörter und Account-Zugänge nicht im Testament festgehalten und einer bestimmten Person zugeschrieben, bestimmen die Erben dann nach derzeitiger Rechtslage über sämtlichen digitalen Nachlass.

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25 Prozent der Niederösterreicher haben ein Testament

Immer weniger verschenken ihr Vermögen

Eine Tendenz, die sich derzeit ebenfalls erkennen lässt, ist laut Lunzer, dass immer mehr Menschen ihren Nachlass gemeinnützen Organisationen vererben. „Aus meiner Beobachtung kommen im Vergleich zu früher immer mehr Organisationen ins Spiel, weil einfach mehr Organisationen die Möglichkeit haben, sich bekannt zu machen“, so Lunzer.

Eine weitere Beobachtung rund um das Thema Erbe ist, dass immer weniger auf einen Schenkungsvertrag als Alternative zum Testament zurückgreifen. „Vor allem ältere Menschen haben vor dem Wegfall des Pflegeregresses bereitwilliger Dinge verschenkt, um zu vermeiden, dass nicht auf ihr Vermögen zugegriffen wird. Durch den Wegfall haben wir jetzt bemerkt, dass die Bereitschaft für das Schenken nachlässt“, sagt Lunzer.

Experten raten früh über Nachlass nachzudenken

Generell zeigt sich, je älter die Menschen sind, desto eher haben sie ein Testament. Während der Anteil der 40- bis 50-Jährigen mit Testament bei 17 Prozent liegt, sieht das bei den Personen ab dem 70. Lebensjahr anders aus, hier sind es 40 Prozent, das geht aus einer Umfrage der Notariatskammer hervor. Experten raten allerdings, schon in jungen Jahren über den Nachlass nachzudenken.

„Gerade in jungen Jahren beschäftigt man sich nicht mit dem plötzlichen Tod. Doch gerade dort, wo Familien oder Unternehmen im Aufbau sind, hat das Testament eine noch größere Bedeutung“, so Lunzer.

Niederösterreicher sind „Testament-freudig“

Die Niederösterreicher sind im Übrigen laut Umfrage mit 25 Prozent im Österreich-Vergleich „Testament-freudig“ und liegen ein wenig über dem Durchschnitt (20 Prozent). Das sei durch die Bevölkerungsstruktur zu erklären, sagt Lunzer. Oberösterreich (39 Prozent) und Vorarlberg (27 Prozent) sind laut Statistik besonders „Testament-freudig“. Das Schlusslicht bildet Tirol: nur 15 Prozent der Tiroler haben ein Testament errichtet.