Hochgatterer-Uraufführung im Landestheater

Paulus Hochgatterers Erzählung „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ kommt am kommenden Freitag in einer dramatisiserten Fassung auf die Bühne des Landestheaters. noe.ORF.at sprach mit dem Autor.

Das Landestheater Niederösterreich in St. Pölten wartet am 8. März mit einer Uraufführung auf. Der junge Regisseur Moritz Beichl - Jahrgang 1992, zuletzt in St. Pölten Regisseur von Kafkas „Die Verwandlung“ - bringt Paulus Hochgatterers intime Kriegserzählung „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ erstmals auf die Bühne. Es geht um dramatische Ereignisse auf einem Mostviertler Bauernhof in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs.

Auf der Suche nach Zärtlichkeit und Gemeinschaft

Die Bauernfamilie Leithner mit ihren fünf Töchtern gewährt Flüchtlingen Unterschlupf, etwa der 13-jährigen Nelli, die bei einem Bombenangriff ihre Erinnerung verloren hat, und einem weißrussischen Kriegsgefangenen. Als sich drei Wehrmachtssoldaten einquartieren, eskaliert die Lage gefährlich. So kurz vor Kriegsende geht es um Leben und Tod.

„Angesichts der (globalen) politischen Situation drängt sich immer wieder die Frage auf, wie eine Erinnerungskultur stattfinden kann. Aufgrund der Leerstellen und nicht zuletzt der Komplexität des Romans stellt sich keine Betroffenheit ein, sondern ein Reflektieren über den Ausnahmezustand des Zweiten Weltkriegs“, meint Regisseur Beichl zur APA. „Und das für mich Beeindruckendste: Für mich geht es in dem Werk mehr um Zärtlichkeit als um Gewalt. Hochgatterer stellt geschickt der allumfassenden Gefahr und Gewalt jener Ausnahmesituation die Suche nach Zärtlichkeit, Liebe, Gemeinschaft gegenüber.“

Josephine Bloeb Landestheater Niederösterreich Hochgatterer

Alexi Pelekanos

Josephine Bloeb in „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“

Die betroffene Generation, die uns vom Krieg erzählen könnte, stirbt aus, so Paulus Hochgatterer. „Die Kinder dieser Generation haben eine Verantwortung, diese Geschichten weiterzuerzählen. Nun sind mein Team und ich die Kinder der Kinder dieser Generation. Wir stehen in einem Dilemma: Wir haben eine Verantwortung, eine Erinnerungskultur zu schaffen, gleichzeitig sind für uns all diese Situationen einfach unvorstellbar und unendlich fern. Eigentlich können wir daran nur scheitern. Aber tun müssen wir es trotzdem“, meint Beichl.

noe.ORF.at: Herr Hochgatterer, in wenigen Tagen ist die Uraufführung des Theaterstücks „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“. Die Grundlage des Stücks ist Ihre gleichnamige Erzählung, die 2017 erschienen ist. Wie zufrieden sind Sie mit der Umsetzung für das Theater?

Paulus Hochgatterer: Das kann ich noch nicht sagen, die Premiere war noch nicht. Aber das, was ich bisher erfahren durfte, macht mich sehr neugierig.

Paulus Hochgatterer Landestheater Niederösterreich

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Paulus Hochgatterer: „Meine Familie - und das muss ich auch nicht verbergen – ist die Grundlage dieser Geschichte“

noe.ORF.at: Besteht die Gefahr, dass das Buch komprimiert wird, wenn man es für das Theater bearbeitet?

Hochgatterer: In Wahrheit ist das keine Gefahr, sondern die Wahrscheinlichkeit besteht zu 100 Prozent. Auch wenn eine Erzählung so kurz ist wie „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ - etwas mehr als 100 Seiten -, so ist es notwendig, dass man es ein wenig „eindämpft“, um nicht mehrere Abende zu füllen.

noe.ORF.at: Buch und Theaterstück spielen im Mostviertel, gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. Sie stammen aus dem Mostviertel, aus Blindenmarkt. Inwieweit spielt in dem Buch und dem Stück die Geschichte Ihrer Familie mit?

Hochgatterer: Meine Familie - und das muss ich auch nicht verbergen – ist die Grundlage dieser Geschichte. Konkret sind es die Erzählungen, die ich von meinen Eltern habe. Meine Eltern, die vor relativ kurzer Zeit verstorben sind, waren Menschen, die ihr Leben lang erzählt haben. Ich habe das als Kind schon immer als Privileg empfunden, weil das nicht alle Eltern in meiner Umgebung gemacht haben, meine Eltern jedoch schon. Und sie haben auch die Geschichten erzählt, die mit Schmerz und schwierigen Erfahrungen in ihrer eigenen Kindheit zu tun hatten. Ich spreche jetzt vor allem von der Zeit des Zweiten Weltkrieges und danach.

noe.ORF.at: Sie sind ein renommierter Kinderpsychiater, aber auch erfolgreicher Buchautor. Wie lässt sich das vereinbaren? Was ist für Sie wichtiger – schreiben oder Psychiater sein?

Hochgatterer: Das ist eine Frage, die mir fast ein Leben lang gestellt wurde und wird. Ich kann sie nicht eindeutig beantworten. Das eine ist ohne das andere für mich nicht denkbar. Da herrscht ein Gleichgewicht oder eine Balance in mir, die offenbar notwendig ist. Die Frage, wofür würden Sie sich entscheiden, müssten Sie sich entscheiden, kann ich immer noch nicht beantworten.

Paulus Hochgatterer Robert Friess

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Robert Friess (l.) im Gespräch mit Paulus Hochgatterer

noe.ORF.at: Wir haben vor etwa neun Jahren ein Gespräch über psychische Erkrankungen von Kindern geführt. Damals gab es in Niederösterreich drei Betreuungsstellen, mittlerweile sind es fünf. Ist das ausreichend?

Hochgatterer: Würde ich als Kinderpsychiater sagen, die Versorgung ist ausreichend, dann sollte ich aufhören. Die Versorgung ist immer verbesserbar und verbesserungswürdig. In Niederösterreich sind wir in der glücklichen Situation, dass sich im Prozess dieser Verbesserung nach wie vor viel tut. Es sind jetzt einige Tageskliniken eröffnet worden bzw. gerade dabei, eröffnet zu werden - Waidhofen an der Thaya, Wiener Neustadt, Mistelbach. Das heißt, in der kinderpsychiatrischen Versorgung tut sich nach wie vor viel Positives, und das ist sehr erfreulich.

noe.ORF.at: Eine immer größere Belastung wird für Kinder und Jugendliche das Mobiltelefon. Es gibt Studien, wonach Jugendliche bis zu acht Stunden pro Tag mit dem Handy beschäftigt sind. Ist das wirklich ein so großes Problem, oder sehen nur die Erwachsenen das als ein Problem?

Hochgatterer: Ich glaube oder fürchte, das sehen in erster Linie die Erwachsenen so. Natürlich muss man das ernst nehmen, wenn ich aber zurückdenke, vor 30 oder 40 Jahren gab es Studien, dass Kinder acht Stunden am Tag vor dem Fernsehgerät gesessen sind - und die Welt ging unter. Ähnliches passiert jetzt mit den Neuen Medien. Man muss es schon ernst nehmen. Es gibt Risikokinder, für die ist das auch eine echte Gefahr, hängen zu bleiben und Suchtmechanismen zu entwickeln. Aber in Wahrheit ist es so, dass die meisten Kinder und Jugendlichen den Umgang mit den Neuen Medien viel rascher und viel souveräner lernen als Erwachsene.

Das Gespräch mit Paulus Hochgatterer führte Robert Friess, noe.ORF.at

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