Stockinger: „Karfreitag ist Feiertag der Grenzen“

Für den neuen Propst des Augustiner-Chorherrenstiftes Herzogenburg, Petrus Stockinger, ist der Karfreitag „ein Feiertag dessen, was ein Mensch erleiden kann“. Die Diskussion über einen Feiertag sieht er als noch nicht beendet.

Der 36-jährige Petrus Stockinger wurde am 9. April zum neuen Propst des Augustiner-Chorherrenstiftes Herzogenburg gewählt. Er trat damit die Nachfolge von Maximilian Fürnsinn an. Im „Niederösterreich heute“-Interview mit ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler sieht Stockinger eine steigende Bedeutung der Klöster als spirituelle Zentren und nimmt auch zur Karfreitags-Diskussion Stellung.

noe.ORF.at: Sie sind vor wenigen Tagen zum Nachfolger von Maximilian Fürnsinn gewählt worden, übernehmen eine kirchliche Leitungsfunktion. Wie sehen Sie aktuell den Zustand der katholischen Kirche?

Propst Petrus Stockinger: Viele Menschen sagen, wir sind ein christlich geprägtes Land, das mag von der Kultur her auch stimmen. Aber wir erleben im gelebten Christentum, im praktizierten Christentum seit einigen Jahrzehnten einen starken Rückgang. Es wird notwendig sein, hier genau auf Ursachen zu achten, damit das Christentum nicht zu einer Frage der Kultur verkommt, sondern tatsächlich als Suche nach Gott, als gelebtes Christentum verwirklicht wird.

Petrus Stockinger, der neue Propst von Herzogenburg, im Interview mit Robert Ziegler

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Petrus Stockinger wurde am 9. April zum neuen Propst des Augustiner-Chorherrenstiftes Herzogenburg gewählt

noe.ORF.at: Was sehen Sie als die größten Herausforderungen für die katholische Kirche in Österreich überhaupt?

Stockinger: Der Weg der Kirche kann nur ein Weg der Verkündigung Gottes sein. Die Kirche hat unablässig von Gott, von Jesus Christus zu sprechen und hat diesen Jesus Christus auch den Menschen zu verkünden, die auf der Suche nach Gott sind und hier bei der Kirche eine Antwort finden sollen.

Ich denke, dass man sich in den letzten Jahren, Jahrzehnten, oft viel zu sehr in Binnendiskussionen ergangen hat und viel zu wenig diese Wirkung nach außen im Kopf gehabt hat. Für den einfachen „Gläubigen“ machen jetzt diese großen Reformen, von denen immer wieder die Rede ist, eigentlich keinen oder nur wenig Unterschied. Letztlich geht es um die persönliche Frömmigkeit und die persönliche Gottsuche. Hier muss die Kirche fähig sein, die Menschen anzusprechen, die Menschen auf ihrer Suche zu unterstützen.

noe.ORF.at: Wenn wir uns Herzogenburg zuwenden: ein Kloster mit einer mehr als 900-jährigen Geschichte, mit einem Vorgänger, der mehr als 40 Jahre tätig war. Was haben Sie hier vor?

Stockinger: Wir sind in einem Land, in dem sehr viele große Klöster und Stifte existieren. Ich denke, das ist eine unvergleichliche Lebens- und Glaubenswelt, die wir hier als Schatz in Österreich haben. Die Klöster stehen bereit als spirituelle Zentren, sind Anlaufstellen für die Menschen und ich denke, dass sich das in der Zukunft auch noch verstärken wird. Es gibt ja immer wieder die Rede vom Priestermangel in den Pfarren. Wenn man genauer hinblickt, sieht man aber, dass hier auch sehr deutlich ein Gläubigermangel damit verbunden ist.

Die Struktur ändert sich sehr, drastischer Art und Weise. Und so werden aber die Klöster als solche spirituelle Zentren bleiben oder sogar noch mehr und mehr werden. Wo die Menschen, die tatsächlich am gelebten Christentum, an Gebet, an Exerzitien und so weiter interessiert sind, ihre Anknüpfungspunkte finden. Also ich bin überzeugt, der Platz der Klöster ist immer mitten in der Welt, um den Menschen ihre Tore öffnen zu können und zur Verfügung zu stehen für ihre Gottsuche.

Petrus Stockinger, der neue Propst von Herzogenburg, im Interview mit Robert Ziegler

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Propst Petrus Stockinger (r.) im Gespräch mit ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler

noe.ORF.at: Sie kommen aus Ried im Innkreis, sind mit 18 Jahren Augustiner Chorherr geworden. Wie kommt man auf eine solche Idee?

Stockinger: Ich bin in einem kleinen Dorf bei Ried im Innkreis aufgewachsen, das Dorf heißt Eberschwang. Ich habe dort unmittelbar neben dem Pfarrhof gewohnt, habe dort den Pfarrer als einen sehr normalen Menschen kennengelernt, mit dem gewissen Etwas, eben mit einer spirituellen Lebensführung, mit der Frage nach Gott und allem, was dazu gehört. So hatte ich das Glück, als Kind, als Jugendlicher einige ganz „normale“ Priester kennengelernt zu haben. Somit war für mich die Entscheidung, könnte ich diesen Weg auch gehen oder nicht, keine Entscheidung, die große Irritationen für mich hervorgerufen hätte, sondern es war für mich ein Weg, den man eben auch gehen kann. Und ich habe mich für diesen Weg entschieden.

noe.ORF.at: Heute ist Karfreitag - ein in der politischen Debatte zuletzt sehr umstrittener Tag. Hätten Sie es gut gefunden, wenn der Karfreitag ein Feiertag für alle geworden wäre, nachdem es allein für die Evangelischen nicht mehr möglich war?

Stockinger: Aus meiner Sicht ist es schlüssig zu argumentieren. Der Karfreitag gehört auch im katholischen Bereich zu den höchsten Feiertagen, die wir überhaupt haben. Es wäre natürlich schön gewesen, wenn auch hier eine politische Lösung gefunden worden wäre, die den Karfreitag als freien Tag für die Glaubenspraxis vorsieht. Nun wissen wir aber, dass es bei den freien Tagen oder Feiertagen nicht immer oder sehr oft nicht um die gelebte Glaubenspraxis geht. Ich weiß insofern auch nicht, ob diese Diskussion von allen Seiten ganz ehrlich geführt wurde oder ganz ehrlich geführt wird.

Eine wichtige Frage besteht für mich darin, ob im Zuge dessen, was man heute Gleichheitsgrundsatz nennt, es wirklich notwendig ist, dass immer alle das Gleiche haben. Wir werden eine ähnliche Diskussion in den nächsten Jahren wahrscheinlich auch mit jüdischen oder muslimischen Feiertagen erleben. Ich meine, dass es hier noch nicht ganz klar ist, in welche Richtung es gehen wird. Wir hoffen auf eine gute Lösung, mit der letztlich alle leben können. Aber ich meine nicht, dass diese Diskussion schon beendet ist.

noe.ORF.at: Was ist aus Ihrer Sicht die aktuelle Botschaft dieser Tage - Karfreitag und Ostern?

Stockinger: Der Karfreitag ist für mich ein sehr wichtiger Tag, weil Jesus in den Tod gegangen ist. Als Christinnen und Christen glauben wir, dass Jesus der Mensch gewordene Gott ist und der taucht selbst ein in alles, was auch ein Mensch erleiden kann: Verrat, Folter und so weiter, bis hin zum Gefühl der Gottverlassenheit, bis hinein in den Tod. Das ist für mich die großartige Perspektive, sagen zu können, egal wohin du als Mensch gerätst, Jesus war schon dort, auch in der Stunde deines Todes, auch Jesus hat diese Stunde erlebt, er ist bei dir.

Ich denke, dass das ein ganz wichtiger Gedanke ist, den Karfreitag so zu feiern, dass im Karfreitag, indem was wir hier in den Gottesdiensten feiern, Jesus wirklich in alles eintaucht, was auch ein Mensch erleiden kann. Ich denke, dass das heute wieder sehr wichtig sein kann, für Menschen, die Orientierung suchen. Wir sind heute in einer Gesellschaft, die sagt, du kannst alles, wenn du nur willst. Und wir erleben aber überall, wie diese Ideologie die Menschen in Depressionen und in „Burn Out“ zurücklässt.

Es ist ganz klar, wenn man nun etwas nicht schafft, dann ist man auch noch selbst schuld daran. Karfreitag ist auch ein Feiertag der Grenzen. Auch ein Feiertag dessen, was ein Mensch erleiden und erdulden kann. Auch ein Feiertag dessen, dass nach dem Tod Erlösung kommt. Ich denke, es sind schon sehr tiefe Festinhalte, die halt nicht so wie bei Weihnachten mit bunten goldenen Sternen und Engelshaar zu verkaufen sind. Aber ich denke, gerade dort liegt das, was Menschen letztlich suchen, nämlich inneren Frieden und Erlösung von dem, was ihnen zu schaffen macht.

Das Gespräch mit Propst Petrus Stockinger führte Robert Ziegler, noe.ORF.at

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