Zeitreise durch die Schule von gestern

Die Michelstettner Schule (Bezirk Mistelbach) ist das größte Schulmuseum Österreichs. Es bietet einen Streifzug durch die Bildungsgeschichte. Klassenzimmer vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert lassen die Schule von gestern auferstehen.

Schülerinnen und Schüler, Eltern und Pädagogen von heute sind froh, dass so manche gefürchtete Gegenstände aus dem Schulleben verschwunden und ins Museum gewandert sind: Das Rohrstaberl, das so viele Kinderhände gerötet hat und Tränen fließen ließ, der komplizierte Rechenschieber, der irgendwann ausgeleiert war, oder der Karzer, die Schulgefängniszelle. Die „Michelstettner Schule“, wie sich das Schulmuseum in der Katastralgemeinde Asparn an der Zaya (Bezirk Mistelbach) nennt, verdeutlicht, dass sich die Bildungssituation durch die Jahrhunderte langsam aber doch immer weiter entwickelt.

Dazu muss allerdings die Schule in langen Entwicklungszeiten betrachten. Denn die Michelstettner Schule verdeutlicht auch, dass in manchen Bereichen Stillstand herrscht. In der derzeitigen Sonderausstellung „Schwerpunkt 1918 - 1938“ wird deutlich, wie das Ringen um die Gesamtschule nach dem ersten Weltkrieg der bildungspolitischen Auseinandersetzung von heute ähnelt.

Kompromiss Hauptschule

Bereits in der Zwischenkriegszeit war die Schule ein politischer Zankapfel. Wesentlicher Reformer war damals Unterstaatssekretär Otto Glöckel. „Es gab bei den Sozialdemokraten das Ziel, eine einheitliche Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen einzuführen. Das wurde auf der Seite der Christlich-Sozialen abgelehnt. Sie befürworteten ein streng gegliedertes Schulsystem“, erläuterte die Leiterin des Schulmuseums Maria Kranzl. Der Kompromiss nach acht Jahren Verhandlungen war 1927 die Einführung der Hauptschule. Sie wurde der wichtigste Schultyp im Wald- und Weinviertel neben der Volksschule.

historische Schulräume

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historische Wandkarte mit Grenzen nach 1918

Nach dem ersten Weltkrieg wurde die politische Landkarte neu gezogen, und so hatte ein Lehrer in eine große Wandkarte der Monarchie per Hand die neuen Grenzen eingezeichnet. Das Original dieses berührenden Zeitdokuments befindet sich heute im Haus der Geschichte in St. Pölten. Die Michelstettner Schule erhielt im Tausch für die Leihgabe eine Kopie. Der Mangel war omnipräsent und es begann der Kampf der Direktoren um die Einleitung von elektrischem Licht. „Wir haben die Aussage eines Schuldirektors dokumentiert, der sich im Gemeinderat darüber beschwert, dass in jedem Ziegenstall der Region mittlerweile elektrisches Licht leuchtet, nicht aber in der Schule“, erzählt Maria Kranzl.

Mädchen waren lange Schüler zweiter Klasse

Bis zum Jahr 1919 durfte das Fräulein Lehrerin nicht heiraten, in Vorarlberg sogar bis zum Jahr 1949, man spricht vom sogenannten Lehrerinnenzölibat. Doch bis ein Mädchen soweit kam und Lehrerein wurde, hatte sie bereits viele Hürden gemeistert und ihre Eltern viel Geld investiert. Bis 1869 waren Mädchen überhaupt von höherer Bildung ausgeschlossen. Selbst danach gab es im Wald- und Weinviertel keine Lyceen, die Mädchen besuchen konnten. Solche Schulen wurden damals ausschließlich in Wien und im Industrieviertel errichtet. Denn die Industrie brauchte gebildetere Arbeitnehmerinnen.

historischer Schulraum

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Dass auf die schulische Ausbildung von Mädchen weniger Wert gelegt wurde, belegt der Umstand, dass Burschen auf den „begehrteren Plätzen“ neben der Fensterreihe sitzen durften, um im besseren Licht Lesen und Schreiben zu lernen, erläutert die Obfrau des Vereins Michelstettner Schule, Alexandra Rieder.

Mittelalterliche Lateinschule und Jugendstilklasse

Das Michelstettner Schulmuseum betritt man durch ein Buch. Und bald schon befindet man sich mitten in der Schulvergangenheit. Das Mobiliar stammt aus der eigenen Schule oder aus aufgelassenen Bildungseinrichtungen Niederösterreichs, die der Museumsgründer Rudolf Lukschanderl zusammentrug. Die Jugendstilklasse stammt aus Ravensburg in Deutschland. Bemerkenswert sind auch die mittelalterliche Lateinschule und der Gang durch die Bildungsstätten der Antike.

„Unser niederösterreichisches Schulmuseum ist in seiner Art das größte Österreichs. Wir besitzen die größte Schulsammlung Mitteleuropas. Wir haben 15.000 Wandkarten und verfügen über 55.000 Exponate. Die Tendenz ist dabei steigend. Es kommt immer wieder etwas dazu“, freut sich Alexandra Rieder. Wer will, kann am Ende des Museumsrundganges im historischen Chemiesaal die Michelstettner Matura ablegen, als Erinnerung an den Museumsbesuch.

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