Ein Dorf des 19.Jahrhunderts ist 40 Jahre alt

Das Weinviertler Museumsdorf Niedersulz (Bezirk Gänserndorf) versammelt überwiegend historische Gebäude, die um 1900 entstanden sind. Das beliebte Freilichtmuseum feierte am Sonntag das 40-Jahr-Jubiläum.

Wie war es wohl, in einem Weinviertler Dorf um 1900 zu leben und zu arbeiten? Restlos lässt sich diese Frage nicht beantworten. Doch das Weinviertler Museumsdorf Niedersulz, in der Gemeinde Sulz im Weinviertel (Bezirk Gänserndorf) gelegen, bietet die Möglichkeit, weit einzutauchen in das Lebensgefühl dieser Zeit und dieser Region. Es ist ein idealtypisches Dorf, das da gewachsen ist mit seinen 80 Gebäuden, wie dem Bürgermeisterhaus, diversen prächtigen Bauernhäusern, Schulen, einer Schmiede, zwei historischen Gasthäusern, einem wunderschönen Dorfplatz, den vielen gepflegten Vorgärten und vielem mehr.

Museumsdorf Niedersulz historisch

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Historische Dorfzeile entlang des Sulzbaches

Doch dass dieses Leben vor 120 Jahren nicht immer nur angenehm war, wie das Durchspazieren durch das Freilichtmuseum suggeriert, dafür sorgen die vielen ehrenamtlichen Helfer, Sammler und Volkskulturexperten wie Leopold Wanderer, der als gelernter Schuster die Sattlerei des Museumsdorfes mit seinem Handwerk und vielen Geschichten belebt: „Im Sommer musste der Rossknecht um drei Uhr in der Früh aufstehen, um die Rösser zu füttern, denn um fünf Uhr war das Fuhrwerk schon mit zwei Fässern Wein unterwegs Richtung Wien. Ein 15-Stunden-Tag war selbstverständlich, und zwar von Montag bis Samstag. Am Sonntagvormittag musste der Knecht dann das Rossgeschirr putzen. Das Jahresgehalt war - abgesehen von kostenloser Kost und Logis - eine Ladung Wein, also zwei Fässer mit je 750 Litern Wein.“

Niedersulz ist mehr als ein Museum

Beim Festakt am Sonntag im Besucherzentrum des Weinviertler Museumsdorfes wurde mehrfach betont, dass Niedersulz mehr ist als ein Museum, nämlich ein Hort für wertvolles altes Wissen. „Wie hat man früher gearbeitet? Das war oftmals sehr klug. Es übertrifft teilweise die Arbeitsweise von heute, das sage ich ganz offen. Es können beispielsweise Architekten davon lernen. Man weiß bis heute, dass ein Angerdorf mehr Lebensqualität und weniger Bodenverbrauch hat als Einfamilienhäuser auf der grünen Wiese. Wir leben in Zeiten des Klimawandels: Damals gab es noch keinen Strom und dennoch gab es große Vorratshaltung. Es wurden weniger Lebensmittel weggeworfen und weniger Verpackungsmüll produziert“, zählte Landeshauptmann-Stellvertreter Stephan Pernkopf in seiner Rede auf.

Sendungshinweis

„Niederösterreich heute“, 5.5.2019

Die rüstige Pensionistin Elisabeth Stadler kann dies bestätigen. Sie führt ehrenamtlich Gruppen durch das Museumsdorf. Sie hat als junges Mädchen Einzelhandelskauffrau gelernt und betreut die Greißlerei im Museumsdorf: „Man hat den Zucker und das Mehl eingewogen, das kam in großen Säcken und musste von mir portioniert werden. Früher gab es kaum Verpackung. Manches wurde in Zeitungspapier eingewickelt, das war es. Man hat als Konsument eine Milchkanne oder eine Öl- und eine Essigflasche mitgebracht“, erzählte sie. Heute vermarkten sich wieder spezielle Lebensmittelgeschäfte extra als „verpackungslose“ Alternativläden.

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Erstes Museum von Josef Geissler

Stets neue Projekte für das Museumsdorf

Begonnen hat alles 1966 mit der Sammelleidenschaft von Josef Geissler aus Niedersulz. Er hatte neben der Schule ein kleines Heimatmuseum eingerichtet. Bald sammelte er nicht nur religiöse Objekte, Werkzeug und landwirtschaftliche Geräte, sondern auch ganze Häuser, die abgerissen hätten werden sollen.

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Aufbauarbeiten in den 1980er-Jahren

Im November 1979 fand dann die Grundsteinlegung für das Freilichtmuseum unter Landeshauptmann Andreas Maurer (ÖVP) statt. Viele ehrenamtliche Helfer haben damals bei der Rettung historischer Häuser und Arbeitsgeräte geholfen, auch wenn sie belächelt wurden. „Wir galten damals als Narren“, brachte es Richard Edl, ein ehrenamtlicher Helfer der ersten Stunde, bei der Jubiläumsfeier auf den Punkt „Alle setzten damals auf eindimensionalen Modernismus, das Althergebrachte war nichts mehr wert.“

Heute umfasst das Weinviertler Museumsdorf Niedersulz mehr als 80 verschiedenste historische Gebäude und tausende faszinierende Objekte, die alle eine Geschichte erzählen könnten. „Wir werden in den nächsten Jahren weniger bauen als in den letzten vier Jahrzehnten. Es steht ja jetzt schon ein ganzes Dorf da, das auch gepflegt und erhalten werden muss. Es gibt aber dennoch ein paar Themen, die wir noch umsetzen werden, weil sie unbedingt zu einem Weinviertler Dorf gehören, wie eine Fassbinderei“ gab Veronika Plöckinger-Walenta Einblicke, die wissenschaftliche Leiterin des Museumsdorfes Niedersulz in die Pläne der nahen Zukunft.

Hannes Steindl, noe.ORF.at

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