Glattauer: „Packend darüber zu schreiben“

Das Thema Stalking „geht mächtig unter die Haut“ und es sei „packend darüber zu schreiben“, sagt Daniel Glattauer über seinen neuen Roman „Ewig Dein“. Im Interview mit noe.ORF.at erzählt er wie er sich dem heiklen Thema angenähert hat und dass es für ihn nach den E-Mail-Romanen Zeit für etwas Neues war.

noe.ORF.at: Ihr neuer Roman handelt vom gesellschaftlichen Problemthema Stalking. Eine Liebesbeziehung, die anfangs eigentlich sehr harmonisch und liebevoll aussieht, entwickelt sich zu einem Psychodrama. Wie sind sie auf das Thema gekommen?

Ich habe als Gerichtsreporter 17 Jahre über Prozesse berichtet. Da sind mir diese Stalking-Fälle untergekommen und das waren ganz besondere Prozesse. Es war nämlich nach außen hin gar nicht so viel sichtbar, auch nicht in der Anklageschrift, da geht es um nichts Gravierendes. Es ist eher eine subtile Art von Gewalt, um jemanden unter Druck zu setzen. Die Opfer waren im Zeugenstand noch immer traumatisiert, obwohl sich der Zuhörer gedacht hat, okay der hat E-Mails geschrieben, er hat das und das gemacht. Er wollte sich halt nicht damit abfinden, dass die Liebe zu Ende ist. Aber in Wirklichkeit geht das ganz mächtig unter die Haut und das war für mich packend darüber zu schreiben.

noe.ORF.at: Wie intensiv war die Recherche für das Buch?

Ich habe mich mit dem Thema und mit genauen Dokumentationen noch einmal sehr genau beschäftigt. Auch mit psychischen Problemen, das sind sehr wertvolle Themen. Ich möchte aber dazu sagen, dass der Roman auch seine lustigen Seiten hat.

Daniel Glattauer

corn.at / Deuticke

noe.ORF.at: Die Spannung des Romans begründet sich auch darin, dass man lange Zeit eigentlich nicht weiß, welche der beiden Hauptfiguren eigentlich verrückt ist und der Stalker ist. Hier scheinen die Grenzen und Einbildungen immer wieder zu verschwimmen. War das so beabsichtigt?

Ja natürlich, und darum ist eigentlich Stalking-Roman auch zu verknappt. Denn es zeigt sich im Laufe des Buches, dass das nicht so sicher ist. Ich habe selbst eben einen Fall erlebt vor Gericht und das ist so ungefähr das Paradebeispiel für dieses Buch. Da war viel von Stalking dabei, aber die Frau hat sich auch viel eingebildet, das heißt es arbeitet in der Fantasie weiter. Es hat was mit Ängsten zu tun, mit den Ängsten, dass jemand zu nahe kommt und dann nicht mehr abrückt. Dann schnappen manche im wahrsten Sinne des Wortes über und fühlen sich einfach verfolgt. Wo beginnt oder endet Stalking und wo beginnt die Verfolgung? Das ist auch ein Thema des Buches.

noe.ORF.at: Was macht diesen Hannes eigentlich zu dem was er ist? Was macht einen Stalker zu dem was er ist?

Die männliche Figur bleibt ja eigentlich im Hintergrund. Denn ich schildere diesen Fall, wie sich das entwickeln kann, aus der Sicht von Judith. Der Hannes ist für mich auch irgendwo dieser unheimliche Fremde, wo man nicht genau weiß, was es mit ihm auf sich hat. Zum Schluss klärt sich dann einiges ziemlich dramatisch auf. Aber trotzdem weiß man natürlich nicht woher sein Problem kommt. Insgesamt ist es so, dass Menschen, die dazu neigen zu stalken, Menschen sind, die ein Problem mit Nähe und Distanz haben. Sie können sich nicht damit abfinden, dass etwas zu Ende gegangen ist. Sie können keinen Trennstrich ziehen, sondern versuchen immer wieder diese Grenze aufzuweichen. Das gibt es auch im alltäglichen Leben. Jeder kennt Menschen, die einem immer ein bisschen zu nahe sind.

noe.ORF.at: Die Handlung spielt größtenteils in einem fiktiven Lampengeschäft. Auch wir beide haben uns wegen des Interviews in einem Lampengeschäft getroffen. Gibt es eine persönliche Vorliebe für Lampen oder wieso haben Sie das als Ort ausgewählt?

Das ist immer eine der ersten interessanten Fragen, die man sich stellt wenn man ein Buch schreibt. Welche Berufe lässt man die Figuren ausüben und ich habe lange überlegt. Bei einem Spaziergang ist mir dann die Idee des Lampengeschäfts gekommen. In einem anderen Roman war es schon mal eine Ärztepraxis, eine Augenarztpraxis, dieses Mal ist es ein Lampengeschäft. Beim Schreiben hat sich dann gezeigt, dass das ein sehr gutes berufliches Umfeld für die Hauptfigur ist, weil es um Licht und Schatten geht. Und das Ganze lässt sich vom Physischen auf das Psychische übertragen und das ist ja auch das Thema im Buch.

noe.ORF.at: Sie haben etwa drei Millionen Exemplare ihrer beiden E-Mail-Romane „Gut gegen Nordwind“ und „Alle sieben Wellen“ verkauft. Ein sehr großer Erfolg. Wie groß war der Druck jetzt was nachzulegen?

Ich habe alle möglichen Arten von Druck verspürt, aber diesen nicht, obwohl das viele glauben. Im Gegenteil, ich habe mit meinen E-Mail Romanen mehr erreicht, als ich mir erträumt hätte. Es gibt mir eine Sicherheit. Ich kann mit Ruhe weitertun. Ich gehe das weiterhin so an wie bisher. Wenn ich eine Idee hab und ein Thema, dann versuch ich dran zu bleiben, dann wird das mein Buch. Egal ob lustig oder ernst. Wie auch immer das Genre ist, ich hab meine Art zu schreiben, meinen Stil. Das einzige was mich stört ist, dass die Erwartungshaltung einiger E-Mail-Roman-LiebhaberInnen sehr groß ist. Die erwarten sich jetzt immer etwas in diese Richtung, diesen Wunsch kann ich aber leider nicht erfüllen.

noe.ORF.at: Das heißt, die E-Mail-Romane waren einmal?

Jetzt reicht es einmal damit. Ich habe zwar eine große Freude damit romantisch zu schreiben, aber es gibt auch noch andere Themen im Leben und ich möchte mich auch anderen Ideen widmen.

noe.ORF.at: Bleiben wir trotzdem noch kurz bei den beiden Werken. Die Bücher wurden in 37 Sprachen übersetzt. Was bedeutet das für einen Autor?

Ein Erlebnis war wirklich sehr exotisch. Bei einem der berühmten Vulkane. Wir sind dort hinauf, haben uns das angesehen und dann gibt es ein Souvenirgeschäft mit einer kleinen Ecke mit Büchern. Und dort entdecke ich mein spanisches „Gut gegen Nordwind“, neben Obama. Da waren nicht viele andere Bücher dort. Das sind Momente, das gebe ich zu, wo ich mich wirklich einfach freue.

noe.ORF.at: Sie leben in Wien und in einem Haus im Waldviertel. Was für einen Stellenwert hat das Waldviertel in Ihrem Leben als Schriftsteller?

Es ist mein Lieblingsschreibort. Ich bin, zumindest an den verlängerten Wochenenden, immer im Waldviertel. Ich schreibe dort am liebsten, denn es ist ruhig, es ist reizarm. Es ist in der Natur, im Garten. Mir ist das sehr wichtig und gibt mir ein gutes Gefühl, um schreiben zu können.

noe.ORF.at: Seit wann gibt es denn diesen Lieblingsschreibort?

Das Haus haben wir 1999 gekauft. Es ist ein altes und sehr schön hergerichtetes Haus. Extrem ländlich für einen Städter und gerade diese Wechselwirkung gefällt mir so. Man geht raus und ist im grünen. Es gibt keinen Straßenverkehr. Im Winter sieht man oft überhaupt keine Menschen. In den Nebelwochen von November, bis manchmal April verschwimmen die Gestalten. Es hat was mystisches, wie man dem Waldviertel ja auch immer nachsagt und es hat etwas sehr ruhiges und angenehmes.

noe.ORF.at: Gibt es denn schon eine Idee für ein nächstes Buch?

Ich würde es sogar verraten, wenn ich es selbst schon wüsste. Ich weiß es selbst noch nicht. Ich kann mir vorstellen vielleicht einmal ein Theaterstück zu probieren. Ich schreibe wahnsinnig gerne Dialoge, so wie es bei den E-Mail-Romanen eigentlich auch schon war. Das Thema wird wahrscheinlich im weitesten Sinn wieder Liebe sein, davon werde ich vermutlich nicht mehr loskommen.

Das Gespräch führte Benedikt Fuchs, noe.ORF.at.