Arsenmorde: Stundenlange Einvernahme

Mit der mühsamen Einvernahme der Angeklagten hat am Montag am Landesgericht Krems ein dreitägiger Mordprozess begonnen. Eine 52-jährige Altenpflegerin muss sich wegen zweifachen Mordes verantworten. Die Polin soll zwei Männer mit Arsen vergiftet haben.

Die Frau soll den Wiener Herbert A. (68) und den Niederösterreicher Alois F. (61) schleichend mit Arsen vergiftet haben. Die Männer starben im Oktober 2010 bzw. im Februar 2011. Die Beschuldigte gab via Dolmetscher an, sie glaube „ehrlich gesagt“ gar nicht daran, dass in den Körpern der Männer tatsächlich Gift war.

Angeklagte sagte, niemanden vergiftet zu haben

Vor Richterin Susanne Daniel gab die Beschuldigte an, mit keinem der beiden Männer ein intimes Verhältnis gehabt zu haben, sondern als Putzfrau gearbeitet zu haben. Die Einvernahme gestaltete sich allerdings schwierig, da die Angeklagte direkten Fragen auswich, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Nach stundenlanger Einvernahme - jede Frage und Antwort musste vom Dolmetscher übersetzt werden - hatte die Richterin am späten Montagnachmittag eine „abschließende“ Frage an die des zweifachen Mordes Angeklagte: „Haben Sie eine Erklärung dafür, dass zwei Männern hintereinander unmittelbar nach Ihrem Kennenlernen Arsen verabreicht wurde?“ Die Polin beteuerte einmal mehr, keinen der beiden vergiftet zu haben.

Arsen-Prozess live

noe.ORF.at berichtete live aus dem Gerichtssaal - mehr dazu in Der Arsen-Prozess live.

Langwieriger erster Prozesstag in Krems

Hat die Polin zwei Männer aus Wien und Niederösterreich mit Arsen vergiftet? Dieser Frage gehen seit Montag die Geschworenen im Landesgericht Krems nach. Drei Verhandlungstage sind anberaumt, am Vormittag wurde die Angeklagte einvernommen. Minutenlang hielt sie sich eine Mappe vor ihr Gesicht, als sie um 9.30 Uhr von zwei Justizwachebeamten in den Schwurgerichtssaal geführt wurde. Nur ihre langen, schwarzen Haare und ihre graue Weste waren zu erkennen.

Kontakt über Beziehungsannoncen

Das erste Opfer Herbert A. habe sich einsam gefühlt und mittels Annonce eine Partnerin gesucht. Er habe sich in die heute Angeklagte verliebt, führte die Staatsanwältin aus. „Frau W. hatte finanzielle Probleme und irgendwann für sich erkannt, dass sie als Pflegerin alleine ihre Schulden nicht zurückzahlen kann“, so die Staatsanwältin weiter. Sie habe Herrn A. liebevoll gepflegt und sogar sein Begräbnis organisiert. Die Ärzte hatten keinen Verdacht geschöpft und führten den Tod auf Vorschädigungen durch Alkohol und Nikotin zurück.

Auch das zweite mutmaßliche Opfer hatte die Angeklagte über eine Annonce kennengelernt, Alois F. suchte ebenfalls eine Beziehung. Im Prozess wurde von der Staatsanwaltschaft ausgeführt, dass der gesunde Mann, kaum dass er die Pflegerin kannte, krank wurde.

Angeklagte von A. finanziell profitiert

Die Tochter von A. ist als Privatbeteiligte im Prozess dabei. Sie brachte den Fall ein halbes Jahr nach dem Tod ihres Vaters ins Rollen, indem sie Anzeige erstattete. Ihr Rechtsvertreter ging im ersten Prozesstag auf die finanziellen Motive ein, die W. für die Taten gehabt haben soll. Von A. bekam W. die Wohnung in Wien überschrieben, sein Mercedes und sein Mobilheim wurden unter dubiosen Umständen an ihren Sohn „verkauft“, hieß es im Prozess. Außerdem soll sie mit seiner Bankomatkarte fast 10.000 Euro abgehoben haben, als A. im Spital lag - mehr dazu in Arsen-Prozess: Belastet Angeklagte ihren Sohn?

Verteidiger: „Kein Arsen bei Frau W. gefunden“

Schließlich kam die Angeklagte zu Wort: Auf Polnisch sagte sie, sie sei nach Österreich gekommen, um Geld zu verdienen. Dass sie die beiden Männer getötet habe, bestritt die 52-Jährige. Ihr Anwalt Timo Gerersdorfer argumentierte, dass im Umfeld seiner Mandantin außerdem kein Arsen gefunden worden sei.

Staatsanwältin: „Arsen über eBay kaufen“

Der Umstand, dass bei der Beschuldigten kein Arsen gefunden wurde, sei nicht relevant, meinte Staatsanwältin Susanne Waidecker. Sie verwies darauf, dass das - geschmacklose - Gift im Internet über eBay zu kaufen sei (Arsen enthaltende Steine/Erze werden im Bergbau verwendet). Die Staatsanwältin ging auch auf die Widersprüche in den bisherigen Aussagen ein: So will die 52-Jährige bei beiden Männern als Putzfrau tätig gewesen sein, während diese eine Lebensgefährtin suchten, und A. habe sie nach Eigendarstellung zufällig vor der polnischen Kirche in Wien kennengelernt. Wenn jemand anders die Taten begangen haben sollte, müsse die Frau eingeweiht gewesen sein, sonst wäre sie - jeweils im selben Haushalt lebend - wohl auch vergiftet worden.

Ernst Brunner, Privatbeteiligtenvertreter der - 60.000 Euro fordernden - Tochter des 68-Jährigen, sah nach dem Vortrag der Anklage „massive, fast zwingende“ Anhaltspunkte dafür, dass die Frau die Taten begangen habe. Verteidiger Timo Gerersdorfer widersprach der Staatsanwältin, dass Arsen so einfach im Internet zu bekommen sei. Überdies habe seine Mandantin erst bei ihrer Stelle bei dem dritten Mann, der nachweislich nicht vergiftet wurde, Zugang zu einem PC gehabt.

Angeklagte glaubt nicht an „Gift im Körper der Männer“

Nach der Mittagspause befasste sich das Gericht weiter mit dem ersten Opfer. Die Angeklagte räumte ein, mit dessen Bankomatkarte Geld behoben zu haben. Sie meinte aber, das Geld für Essen gebraucht zu haben, das sie A. ins Spital brachte.

Staatsanwältin Susanne Waidecker warf der Frau u. a. vor, auf Fragen nicht direkt zu antworten, und wollte wissen, woher der Sohn denn genug Geld für das Auto und das Mobilheim gehabt haben soll, wenn sie ihm doch eigenen Angaben zufolge zuvor ihren Putzlohn in Höhe von 250 Euro gegeben hatte, damit er über die Runden kam. Seine Geschäfte - er hatte eine Spielhalle - seien dann besser gelaufen, war die Antwort.

Sie habe das Gleiche gegessen wie A., erklärte die 52-Jährige weiters. Sie glaube „ehrlich gesagt“ gar nicht daran, dass in den Körpern der Männer tatsächlich Gift war. Wie viele Stunden sie dann für die Pflege des Bettlägerigen aufwendete, darüber habe sie nicht nachgedacht. Aber sie musste ihn mindestens dreimal am Tag waschen und die Bettwäsche wechseln. „Er hat damals schlecht ausgeschaut“, sagte sie auf die Frage des Privatbeteiligtenvertreters, in welchem Zustand der 68-Jährige im Oktober ins Krankenhaus - in das er nicht gewollt habe - eingeliefert wurde.

Polin meldete sich als Putzfrau bei F.

Auch zu dem laut Gutachten ebenfalls vergifteten 61-jährigen Niederösterreicher F. will die Angeklagte keine Beziehung gehabt haben. Sie habe sich als Putzfrau gemeldet, sagte sie - allerdings auf eine, so Richterin Susanne Daniel, „eindeutige“ Partnerannonce im „Bazar“ hin. Alois F. habe ihr Arbeit verschaffen wollen, nach einem ersten Treffen Mitte November 2010 habe sie viermal sein ganzes Haus im Bezirk Krems geputzt, erzählte die Angeklagte.

Später in der Befragung kam dann zur Sprache, dass die Polin wegen einer Hautkrankheit des Mannes aus Angst vor einer Ansteckung keine sexuellen Kontakte gehabt haben dürfte. „Wie war die Beziehung denn wirklich?“, wollte die Richterin ergründen - u. a. mit dem Hinweis auf eine Frau, die sich ebenfalls auf die Kontaktanzeige hin gemeldet hatte: Alois F. erzählte ihr, dass er schon eine Polin - Krankenschwester, verwitwet - getroffen habe. Bei ihm habe „der Blitz eingeschlagen“, und nach ihren Worten sei er ihre „letzte große Liebe“.

Die Richterin konfrontierte die Angeklagten auch mit einer früheren Aussage, wonach diese sich sicher war, dass F. „alles getan hätte“, um sie zu halten. Er fuhr mehrmals zu ihr nach Wien und beschwor sie, zu ihm zu ziehen. Die 52-Jährige soll ihn nach Aussage seiner Schwester dazu gedrängt haben, ihr sein schönes Haus zu übereignen. Am 22. Dezember ließ sich F. jedenfalls von einem Rechtsanwalt in Sachen Liegenschaftsschenkung an eine Lebensgefährtin beraten und soll auch ein Testament zu ihren Gunsten gemacht haben.

Widersprüchliche Aussagen vor Gericht

Um Weihnachten verschlechterte sich der Gesundheitszustand von F. rapid, er bekam eine Lungenentzündung. Als er im Jänner einen Schwächeanfall erlitt und im Badezimmer stürzte, habe sie die Rettung gerufen, sagte die Beschuldigte heute - und bestritt, den Mann von seiner Schwester abgeschirmt zu haben. Er habe nicht abgehoben bei ihren Anrufen, meinte sie. Die Richterin erwähnte daraufhin, dass die Schwester bereits gedroht habe, die Polizei zu verständigen.

Widersprüchlich zu ihren Angaben gegenüber der Polizei waren - wie im Fall des ersten Opfers - die Aussagen bezüglich des Autokaufes. F. habe es ihr veräußern wollen, damit sie einfacher in den Bezirk Krems komme, und 6.000 Euro verlangt, sie habe ihm 5.000 gegeben - ohne Quittung. Das Geld sei im Hinblick auf den erwarteten Erlös aus dem Verkauf der Wohnung von Herbert A. in Polen „geborgt“ worden, antwortete sie ausweichend auf den Vorwurf, dass doch sowohl ihr Mann als auch ihr Sohn zu diesem Zeitpunkt rund 60.000 Euro Schulden und deshalb kaum 5.000 Euro flüssig hatten.

Diskussion über gefälschte Unterlagen

Das Auto sei dann in Österreich ab- und in Polen auf sie angemeldet worden. Eine - im Kopiergerät einer Postfiliale in Wien-Meidling vergessene und daher aufgetauchte - „behördliche“ Anzeige einer Verschrottung der Kennzeichen stellte sich als Totalfälschung heraus. „Die zweite Fälschung in Ihrem Umfeld“, verwies die Richterin auf das gefälschte polnische Krankenschwesterndiplom der Angeklagten und stellte die Frage in den Raum, ob diese in ihrer Heimat Zugang zu Kreisen habe, wo man derlei bestellen könne.

Als F. mit multiplen Leiden - wie sich später herausstellte, Symptome der Vergiftung - im Spital war, sagte die 52-Jährige beim Verlassen seines Hauses einer Nachbarin, dass ihr Sohn dessen Auto gekauft und sie sein Testament bei sich hätte, merkte die Richterin an - und dann noch zum Fall des dritten Pflegebefohlenen, dass es wohl pietätlos sei, von einem Sterbenskranken den Schmuck seiner verstorbenen Frau anzunehmen.

Tochter eines Toten brachte Fall ins Rollen

Der Tod der beiden Männer - im Oktober 2010 in Wien und im Februar 2011 im Bezirk Krems - war zunächst nicht bedenklich erschienen. Erst die Anzeige einer Tochter brachte Untersuchungen ins Rollen. Die Leichen wurden exhumiert und in gerichtsmedizinischen Gutachten Arsen festgestellt. Seit einem Jahr befindet sich die Angeklagte in Untersuchungshaft - mehr dazu in Chronologie der Arsenmorde.