„Höhlenretter geben 300 Prozent“

„Die Höhlenretter geben 300 Prozent“, sagt der Landesleiter der Höhlenrettung NÖ über den Einsatz in Deutschland. Die Hoffnungen ruhen auf einem jungen Arzt der niederösterreichischen Höhlenrettung. Am Freitag begann der Transport des Höhlenforschers nach oben.

Freitagabend um 17.30 Uhr startete das Rettungsteam beim Höhlendrama im Untersberg mit dem Schwerverletzten in 1.000 Meter Tiefe den Rückweg nach oben.

Bereits am Dienstag machte sich ein Arzt der niederösterreichischen Höhlenrettung gemeinsam mit mehreren Höhlenrettern aus der Schweiz auf den Weg zu dem verletzten Höhlenforscher aus Stuttgart. Am Mittwochvormittag wurden weitere Experten aus Niederösterreich auf den Berg zum Einstieg der Höhle gebracht - mehr dazu in Arzt aus NÖ auf dem Weg in die Höhle. Anna Wohlmuth vom ORF NÖ sprach am Mittwoch, am vierten von mittlerweile sechs Einsatztagen, mit dem Landesleiter der Höhlenrettung Niederösterreich, Ernst Fischer, über das Unglück in Bayern.

Basislager der Einsatzkräfte beim Eingang der Riesending Schachthöhle im Untersberg

BRK BGL

Basislager der Einsatzkräfte

noe.ORF.at: Es ist Deutschlands tiefste und längste Höhle. Was sind denn da die Herausforderungen für die Einsatzkräfte?

Fischer: Wie Sie sich vorstellen können, ist der Weg hinunter sehr weit, diese 1.000 Meter sind die eine Sache. Die zweite Sache: Es gibt auch Horizontaldistanzen die durchaus ihre großen Schwierigkeiten und Herausforderungen darstellen, weil sie beengte Platzverhältnisse haben, weil es nicht immer nur geradeaus geht. Es gibt labyrinthische Teile, wo man wirklich schauen muss, dass man den korrekten und richtigen Weg - auch für die Retter, die die Höhle ja vielleicht zum ersten Mal sehen - richtig markiert, und das ist sicherlich wahnsinnig viel Zeit, die man dazu braucht, um eine sichere Rettung für die Mannschaft zu gewährleisten.

Grafik zeigt stilisierte Höhle in Bayern

APA/ORF.at

noe.ORF.at: Was man jedenfalls dringend gebraucht hat, das war ein Mediziner, um dem Verletzten zu helfen. Aus Niederösterreich hat sich einer auf den Weg gemacht. Einen Weg von zwölf Stunden, um allein einmal bei dem Verletzten anzukommen - wie schafft man das auch als Retter - nicht nur körperlich, sondern auch mental?

Fischer: Es ist mental sicherlich eine große Herausforderung, weil uns ja die Zeit drängt. Man muss sich ja vorstellen, der Unfall ist schon vor einiger Zeit passiert. Es vergehen einmal zwölf Stunden, bis wir überhaupt wissen, dass ein Unfall passiert ist, bis der Melder draußen ist. Dann wird eben die Rettungskette aufgebaut, und dann vergehen wieder einmal zwölf Stunden oder länger, bis ein Vortrupp bei ihm ist, um eine gute Erstversorgung machen zu können. All das dauert wahnsinnig viel Zeit, und die Zeit wird dann natürlich immer enger. Weil, wie gesagt, ein Schwerverletzter hat nicht ewig Zeit, dort liegen zu können.

noe.ORF.at: Die Bergwacht in Bayern hat bekanntgegeben, dass in ganz Europa derzeit genau drei Ärzte für diesen Einsatz bereit stehen. Wie ist man auf Ihren Kollegen von der niederösterreichischen Höhlenrettung gekommen?

Fischer: Es ist grundsätzlich so, dass wir schon voneinander wissen, also welches Potenzial in unseren Nachbarländern zu holen ist oder zur Verfügung steht. Daher wussten sie natürlich von unserem Kollegen. Er ist auch schon seit frühester Jugend, aus der Gymnasialzeit, mit dem Thema Höhlen befasst, weiß, wie es da unten zugeht, ist selbst aktiver Forscher und als Mediziner natürlich eine wunderbare Synergie, die da entsteht."

noe.ORF.at: Am Mittwoch haben sich außerdem weitere Retter aus Niederösterreich auf den Weg gemacht - warum?

Fischer: Sie müssen sich vorstellen, es ist natürlich für diese enorme Länge eine große Menge an Material einzubauen. Es wird grundsätzlich so gemacht, dass einzelne Abschnitte festgelegt werden, wo einzelne Trupps Dinge aufbauen, wie Flaschenzüge oder Seilbahnen, wenn es über große Schächte geht. All diese Dinge müssen aufgebaut werden, das braucht viel Zeit. Ich brauche viel Transportmannschaft, es gibt da unten ja keinen Helikopter, den habe ich nur bis zum Eingang oben, und daher wird es natürlich auch immer mit dem Personal eng, weil die Leute nicht unendlich lange arbeiten können.

Ernst Fischer

ORF

Ernst Fischer ist Landesleiter der niederösterreichischen Höhlenrettung

noe.ORF.at: Auf was sind diese drei Kollegen spezialisiert?

Fischer: Das sind absolute Schachtspezialisten, die auch mit tiefen Schächten gut umgehen können. Es ist ja ein Unterschied, ob man jetzt nur eine kleine Schachtstufe von ein paar Metern hat oder ob es ein paar hundert Meter runtergeht. Das ist mental auch ein Problem, da können Sie nicht jeden jeden Tag hinschicken.

noe.ORF.at: Wie kann man sich als Höhlenretter auf so einen Einsatz vorbereiten?

Fischer: Es kann nicht jeder sofort Höhlenretter werden, Sie müssen schon eine Zeit lang in einem höhlenkundigen Verein auch mit Forschung beschäftigt gewesen sein, um einfach wirklich in die Materie eingearbeitet zu sein, dass Sie wissen, was da abgeht. Erst dann können Sie in der Höhlenrettung nach langer Schulung und regelmäßiger Übung auch wirklich für so einen Einsatz genommen werden. Sonst wird es ja gefährlich, wenn ich da Leute dabei habe, die gar nicht in der Lage sind, das auch abzuwickeln.

noe.ORF.at: Ist es aus Ihrer Sicht ein Wettlauf gegen die Zeit?

Fischer: Das kann ich so schwer sagen, weil ich den akuten Stand für den Verletzten nicht kenne. Ein Problem wird sicher das Wetter sein, das unter Umständen eine Rettung unterbrechen könnte. Wenn schwere Gewitter dort sind, dann ist natürlich Gefahr, dass Wasser in gewissen Höhlenteilen zum Problem wird, und dann muss man die Rettung unterbrechen.

noe.ORF.at: Kann das dann so ein Problem werden, dass wirklich mehrere Wochen lang nicht weiter gerettet werden könnte?

Fischer: Also davon ist normalerweise nicht auszugehen. In einem Karststock kommt das Wasser sehr schnell, aber es vergeht auch wieder schnell. Es gibt natürlich Höhlenteile die auch längere Zeit unter Wasser bleiben können, das muss man dann wie gesagt den Leuten vor Ort überlassen, die ihre Höhle sehr gut kennen und die das auch gut einschätzen können, wenn eine gewisse Wettersituation eintritt, wo man dann momentan pausieren muss. Aber deswegen kann man ja an anderen Teilen die Rettungskette weiter aufbauen.

noe.ORF.at: Ein Ende des Einsatzes ist derzeit aber noch nicht absehbar, oder?

Fischer: Wie gesagt, es wurde kolportiert, dass es bis Ende der Woche geht - da muss das Wetter mitspielen, da müssen viele Faktoren mitspielen, also ich wäre sehr vorsichtig, mit einem Ende zu rechnen. Wie gesagt, wir haben ganz Niederösterreich in Bereitschaft und wir werden sehen, wie viel Mannschaft noch benötigt wird.

Anna Wohlmuth, noe.ORF.at

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